Wie der Vater, so der Sohn

Ampeg V-4B im Test

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Alter und neuer Bass-Vollverstärker von Ampeg
(Bild: Dieter Stork)

 

Dass sich Ampeg mit Kilowatt-starken Transistor-Boliden ebenso gut auskennt wie mit winzigen Class-D-Zwergen, haben die Neuerscheinungen der letzten Jahre zur Genüge bewiesen. Trotz aller Offenheit gegenüber technischen Neuerungen hat der Konzern jedoch offenbar nicht vergessen, woher er kommt, und folgt mit dem jüngst erschienenen V-4B ein weiteres Mal dem Ruf nach klassischer Röhrentechnik…

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Geschichte geschrieben hat der größtenteils baugleiche V-4 als Gitarrenverstärker auf den Bühnen und Alben der Rolling Stones und The Faces. Trotz des zu diesem Zeitpunkt bereits etablierten SVT-Platzhirschs schaffte es auch die Bass-Version (V-4B) sich mit ihrem lebendigen, aggressiven Sound einen Namen unter den Tieftönern ihrer Zeit zu machen. Es brauchte schließlich nicht jeder die Rockstar-Lautstärke des SVTs, für die man damals aber auch Rockstar-Preise bezahlen musste. Nachdem der V-4B Anfang der 80er aus allen Katalogen verschwunden war, wurde er ca. 15 Jahre später in der, dem SVT-Classic ähnelnden, V-4BH Variante wieder aufgelegt. Das 100-Watt-Format war zurück, der Sound aus den 70ern jedoch nicht. Erst das neue Reissue-Modell des V-4B verspricht den unverfälschten Klang des Originals, gepaart mit zeitgemäßeren Anschlussmöglichkeiten und einem reduzierten Gewicht. Um dem Ergebnis auf den Zahn zu fühlen, haben wir uns einen V-4B aus den späten 70ern besorgt, gegen den sich der Neuling in einem schonungslosen Vergleichstest behaupten muss.

 

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Das Anschlussfeld wurde zeitgemäß um einen symmetrischen XLR-Ausgang erweitert. (Bild: Dieter Stork)

 

Konstruktion des Ampeg V-4B

Der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm und tatsächlich knüpft Ampegs neuer Zögling in Sachen Optik nahtlos an das Original von ‘76 an. Neben dem upgedateten, auf retro getrimmten Firmen-Logo fällt dem aufmerksamen Beobachter das weniger breite Sperrholz-Gehäuse auf, welches (im Gegensatz zur Vintage-Variante) auf den meisten Bassboxen endlich einen bündigen Abschluss findet. Wie in den frühen 70ern kommen außerdem Toggle-Switches anstelle der später eingeführten Wippschalter für „Power“ und „Standby“ zum Einsatz.

Ein Schlüssel zum Erfolg des „Mini-SVTs“ war neben der aufwendigen Verarbeitung und dem lebendigen Klang zweifelsohne auch die leichte Bedienbarkeit: Lautstärke, 3-Band-EQ und ein paar Wippschalter, das war’s. Zwar handelt es sich beim Vintage-V-4B um einen Zweikanaler, durch die klanglich identischen Inputs und das Fehlen eines Master-Volume hält sich der Mehrwert jedoch in Grenzen. Die neue Version kommt daher mit einem Signalweg und unterschiedlich empfindlichen Eingängen für aktive und passive Bässe aus. Um auch schon bei niedrigen Lautstärken in dreckige Klanggefilde vordringen zu können, wurde die Schaltung außerdem um einen Master-Regler bereichert.

In Sachen EQ bleibt alles beim Alten. Zumindest oberflächlich. Wie unsere Vintage-Referenz ist auch der Testkandidat zunächst mit den obligatorischen „Rocker-Switches“ zum Schalten der Ultra Hi und Ultra Lo Presets ausgestattet; hinzu kommt der Ampeg-typische Baxandall EQ mit klangstarkem LC-Mittenregler. Eine mehrfach angezapfte Spule im Filternetzwerk erlaubt die Wahl aus drei verschiedenen Center-Frequenzen für das Mitten- Band und verleiht dem Ton durch ihre charakteristischen Ein- und Ausschwing-Verzerrungen zusätzliche Lebendigkeit. Die Beschriftung des zuständigen Wippschalters verrät übrigens, dass bei der Neuauflage die Center-Frequenzen des SVTs gewählt wurden, welche leicht unter denen des ursprünglichen V-4Bs liegen.

Auf den Rückseiten der beiden Boliden lassen sich vier Jahrzehnte Verstärker-Evolution zurückverfolgen. Das altehrwürdige Original bot gemessen an seiner Zeit bereits flexible Anschlussmöglichkeiten, und so lassen sich die beiden Speaker-Ausgänge per Schiebeschalter an eine Gesamtimpedanz von 2, 4 oder 8 Ohm anpassen. Zwei weitere Klinken-Buchsen für Poweramp-In und Preamp-Out finden sich in Gesellschaft eines Hum-Potis, mit welchem sich das Grundbrummen der Vorstufe via Heizungs-Symmetrierung optimieren lässt. Bis auf selbiges Poti haben es alle genannten Features auch auf den Rücken des Reissues geschafft; die verschiedenen Impedanzen werden hier über eine Handvoll Klinken-Ausgänge abgedeckt. Neben einem Slave-Out für den Betrieb einer weiteren Endstufe wurde die Ausstattung zeitgemäß um einen symmetrischen XLR-Ausgang mit Ground-Lift-Taster erweitert. Das Line-Signal wird hinter Master-Poti und Poweramp-In-Buchse abgegriffen, sodass im Live-Betrieb zwar eingeschliffene Effekte berücksichtigt werden, der Pegel aber von der Bühnenlautstärke abhängig ist.

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(Bild: Dieter Stork)

Wirft man zuletzt einen Blick unter die Haube, offenbart sich ein bemerkenswertes Konstruktionsdetail, das bereits vor 40 Jahren mit der Geburtsstunde der V-Serie das Licht der Welt erblickte: Das auf sechs Gummidämpfern gelagerte Chassis ist voll gefedert und hat zu allen Seiten ein wenig Luft, sodass Erschütterungen des Gehäuses weniger stark auf die internen Bauteile übertragen werden. Ampeg scheint bei seinem neuen Reissue offenbar keine Kompromisse einzugehen und so verwundert es nicht weiter, dass es auch am Innenaufbau nichts zu meckern gibt. Wo man bei unserem Oldie eine Mischung aus Platinentechnik und Freiverdrahtung vorfindet, dominiert in der neuen Version eine gewissenhaft bestückte Platine mit stattlichen Dimensionen das Gesamtbild. Größere Bauteile sind mit einem speziellen, extra-zähen Kleber arretiert und auch die Kabelführung gibt keinen Grund zur Beanstandung.

Durch den Verzicht auf einen zweiten Kanal finden insgesamt acht statt neun Röhren auf dem robusten Stahlblech-Chassis Platz, wobei die teilweise exotisch gewordenen Glaskolben des Originals durch gängigere Typen ersetzt wurden. Damals wie heute werkelt eine 12AX7 in der V1-Position; die nur noch als NOS-Röhre erhältliche 6K11 wurde durch ein weiteres Exemplar der hochverstärkenden Doppeltriode abgelöst. Wo früher 12DW7 und 12AU7 in der Phasentreiberstufe vorgesehen waren, greift man heute auf einen AX7/AU7 Mix zurück, der ein von soliden Trafos flankiertes Quartett 6L6GC ansteuert. Aufgrund der schlechteren Verfügbarkeit hat sich Ampeg hier offenbar gegen die ursprünglich verwendete und eng mit der 6L6GC verwandte 7027A entschieden.

Wie es die Röhrenbestückung bereits erahnen lässt, haben wir es schaltungstechnisch nicht mit einem 100% originalgetreuen Reissue zu tun. Bevor es Skeptikern jedoch die Sorgenfalten auf die Stirn treibt, muss im Praxistest das Ohr entscheiden.

 

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(Bild: Dieter Stork)

 

Der Ampeg V-4B in der Praxis

Schon immer brauchte man einen starken Arm, um das 27 kg schwere Original mit seinem einzelnen Riemengriff auf die Box zu hieven. Der 8 kg leichtere Nachfolger bietet zwar immer noch keine seitlichen Klappgriffe, das Handling wird durch den Gewichtsunterschied jedoch erheblich erleichtert.

Der direkte Vergleich startet mit den Klangreglern beider Topteile in 12-Uhr-Position, das Master-Poti des neuen Modells ist außerdem weit aufgerissen um wie beim Vintage V-4B ein möglichst cleanes Signal zu erhalten. Was anschließend aus den Boxen schallt, zaubert auch noch so vehementen Zweiflern ein fettes Grinsen ins Gesicht: Beide Verstärker liefern den V-4B-typischen, lebendigen Druck-Sound in nahezu identischer Qualität. Der Ton ist nicht nur für die Leistungsklasse erstaunlich fett, und obwohl das Klangerlebnis weniger körperbetont als beim SVT ausfällt, ist hier genug Fundament vorhanden um auch laute Bands zu tragen. Beim zweiten Hinhören fällt die Urversion durch eine minimal cremigere Färbung in den Mitten auf, während die Reissue eine Spur druckvoller, offener, insgesamt SVT-ähnlicher daherkommt. Die Differenzen sind allerdings tatsächlich so gering, dass sie sich spätestens im Band-Kontext relativieren.

Auf der Suche nach echten Unterschieden kommen Tonfüchse daher nicht an einer genaueren Inspektion der Klangregler vorbei. In gewohnter Ampeg-Manier lassen sich an beiden Amps Bässe, Mitten und Höhen feinfühlig dosieren, ohne dass sich die verschiedenen Bänder groß gegenseitig beeinflussen. Das Bass-Poti der Neuauflage liefert weichen, aber niemals undifferenzierten Schub, während der Treble-Regler großzügige Reserven für knackigen Biss bereithält; bis hierhin ist alles wie man es von der 70er-Jahre-Vorlage kennt.

Erst an der Arbeitsweise des Mittenreglers wird deutlich, dass Ampeg seinen neuen Zögling ein Stück weit an die Bedürfnisse des modernen Bassisten angepasst hat. Wo die Vintage-Version noch stoisch mit 20 dB in beide Richtungen arbeitet, bietet der Nachfolger nur 11 dB auf der Boost- und 21 dB auf der Cut-Seite. Im Test weiß das upgedatete Poti mit einem praxistauglicheren Regelweg und höherer Musikalität zu punkten, wobei sich auch bei mitten-armen Boxen durch die verringerten Boost-Reserven keine Nachteile ergeben. Klar verbessert wurde auch die Wirkungsweise der Ultra-Lo- und Ultra-Hi-Schalter. Hat man beim Original die Wahl zwischen leblosem Mumpf und schneidenden Hochmitten, liefern die überarbeiteten Presets ein deutlich weniger extremes Klangbild mit subtil verstärkten oberen, bzw. unteren Registern.

Nachdem auch der D.I.-Out in einer ruhigen Minute im Heimstudio bewiesen hat, dass er ein hochwertiges und vor allem Nebengeräusch-freies Signal ausgibt, stellt sich zu guter Letzt die Gretchenfrage: Welcher kann Lauter? Besonders ambitionierte Rocker werden erfreut sein zu hören, dass beide Kandidaten, eine effiziente Box vorausgesetzt, gleichermaßen gut mit einem lauten Drummer fertig werden. Dass man bei solchen Pegeln von einem 100 Watt Verstärker keinen ultra cleanen Ton erwarten darf, versteht sich dabei von selbst. Was wie ein Handicap klingen mag, gehört jedoch zu den größten Stärken des Amps: SVT-ähnliches Röhren schon bei Nicht-Stadion-Lautstärke.

 

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Die LC-Schaltung bringt zusätzliches Leben ins Spiel (Bild: Dieter Stork)

 

Alternativen zum Ampeg V-4B

Wie Ampeg hat auch Fender mit dem Bassman 100T (Test in Ausgabe 10/2013) einen Klassiker wieder zum Leben erweckt. Der üppig ausgestattete 2-Kanaler ist in verschiedenen Leistungsklassen erhältlich und schlägt mit einem Preis von € 1699 (100 Watt Version) zu Buche.

 

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Auf der Rückseite hat sich einiges getan (Bild: Dieter Stork)

 

Resümee

Auch wenn es sich in einigen technischen Details nicht um ein minutiös nachgebildetes Reissue-Modell handelt, kann man Ampegs neuen V-4B nur als großen Wurf bezeichnen. Manch ein Vintage-Purist wird sagen, dass dem Verstärker zu viele Ecken und Kanten genommen wurden, für die meisten von uns hat Ampeg jedoch den Nagel auf den Kopf getroffen und einen alten Klassiker mit ein paar sinnvollen Veränderung an das Leben im Hier und Jetzt angepasst.

 

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Plus

  • Sound, Charakter
  • Verarbeitung
  • Gewicht (V-4B Reissue)
  • Optik
  • Basswiedergabe
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