Kanada meets USA

Test: Larrivée Nashville Mahogany Series D-02

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Über 40 Jahre ist Jean Larrivée im Geschäft. Der Familienbetrieb aus Kanada, mittlerweile in Kalifornien ansässig, zählt zu den Legenden des amerikanischen Gitarrenbaus und hat schon immer durch seine Eigenständigkeit überzeugt.

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Ein bisschen eigensinnig und stur ist der John ja schon, ansonsten aber ein unglaublich netter, sympathischer Mann. Ich hatte ihn vor einigen Jahren in seiner Fabrik in Oxnard besucht, und bei der Firmenführung war sein Motto: „I‘m the only one who can do it“.

Larrivée-Gitarren werden nur aus den besten verfügbaren Massivhölzern hergestellt – beim Bau werden niemals Lagen, Laminate (geschichtet) oder synthetische Hölzer verwendet. Zum Einsatz kommt FSC-Holz und es wird so selektiv wie möglich gearbeitet. Larrivée: „Wir sind gerne im Wald. Mit dem Bau eines Instruments beginnen wir auf dem Waldboden.“

Die Dreadnought D-03 ist einer der Klassiker im Programm von Larrivée. Die hier zum Test vorliegende D-02 baut auf diesem Modell auf, stammt aus der Nashville-Serie. In der gibt es immer wieder verschiedene Modelle in zeitlich limitierter Auflage, die auch nicht auf der offiziellen Homepage erscheinen. Es handelt sich dabei um eine Serie, die stets preiswerter ist und auf eine höherwertige Serie – in diesem Fall auf die 03-Recording-Serie – verweist, deren Hauptmerkmale übernimmt, aber in abgespeckter Form. Die aktuelle D-02 entspricht im Wesentlichen dem Erfolgsmodell D-03, ist aber insgesamt etwas einfacher gehalten, was Binding, Lack und Holzauswahl betrifft.

Die Formel für die D-02: eingeleimter Hals aus afrikanischem Mahagoni mit Ebenholzgriffbrett, Sitka-Fichtendecke, afrikanische Mahagoni-Zargen und -Boden, Korpus-Ränder und Hals mit hellem Holz-Binding. Die Hölzer sind naturbelassen und komplett seidenmatt lackiert. Dazu kommen Sattel und Stegeinlage aus Knochen, ein Ebenholzsteg mit Plastik-Steckern und verkapselte Mini-Mechaniken.

Ebenholzsteg auf Fichtendecke (Bild: Dieter Stork)

HAPTIK

Die Halsrückseite hat eine abgeflachte D-Form, ist mit etwas über 22 mm angenehm dick. Der flache 16″-Radius tut ein Übriges dazu, dass die Gitarre leicht bespielbar ist, egal ob normale Griffe oder Barré-Akkorde. Ab Werk sind beschichtete D’Addario-Saiten in der Stärke .012-.053 aufgezogen. Auch die Saitenlage ist perfekt einjustiert, ebenso wie die wunderbar polierten und perfekt abgerichteten Nickelsilber-Bünde. Wie kommt’s? Der neue deutsche Vertrieb lässt jedes Modell von einem PLEK-System überarbeiten. Man sieht es und fühlt es.

Seit 2001: Made in the U.S.A (Bild: Dieter Stork)

KLINGT’S?

Larrivée hat schon früh das klassische, von Martin entwickelte X-Bracing nach seinen Klang-Vorstellungen modifiziert: Seine Gitarren stehen für klare Höhen, dezente, weiche Mitten und sehr volle Bässe. Es ist eine E-Dur-Gitarre, dieser Akkord kommt satt und fest mit vollen Bässen. (Zum Vergleich: Gibson Jumbo hat dies bei D-Dur, eine Martin bei G-Dur). Das Klangbild wird noch durch die Holzauswahl bestätigt, der Mahagoni-Korpus sorgt für Wärme aber auch Fülle. Eine Gitarre für Strumming, aber auch Fingerpicking und Bluegrass. Die Töne haben ein mittleres Sustain und eine gute perkussive Ansprache.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Immer noch wird Larrivée in einem Atemzug mit Martin, Gibson, Guild (und neuerdings Taylor) genannt. Dies sind die Hersteller, die den amerikanischen Gitarrenbau geprägt haben. Und bei allen Neuerungen und Veränderungen eins nicht vergessen haben: Tradition und Sound. Die Larrivée D-02 aus der Nashville-Serie ist ein tolles Beispiel für eine moderne Dreadnought mit alten Wurzeln.

PLUS

● Dreadnought Sound á la Larrivée
● Modell für Songwriter & Fingerpicker
● PLEK-Bearbeitung
● Verarbeitung
● Verwendung von FSC-Hölzern
● Bespielbarkeit
● Intonation


HISTORY

(Bild: Jeff Topham)

TORONTO 1967 – 1977

Ende der 60er-Jahre. Die Hippie-Revolution ist in vollem Gange. Der junge Jean Larrivée, von Beruf Mechaniker, interessiert sich für die klassische Gitarre und besucht ein Konzert des erfahrenen Gitarristen Edgar Mönch Junior. Nach der Show lernt Jean den Vater des Interpreten kennen – den weltberühmten deutschen Gitarrenbauer Edgar Mönch Senior. Mönch ist beeindruckt von Larrivées Interesse am Gitarrenbau und stellt ihn als Lehrling an. 1970 bezieht er seinen eigenen Arbeitsplatz im zweiten Stock des Estragon-Theaters. Inmitten einer florierenden Volksmusikszene beginnt Jean hier mit der Herstellung von Stahlsaitengitarren.

In dieser Zeit entwickelt er sein eigenes X-Bracing-System – den Schlüssel zum charakteristischen Larrivée-Ton, der sich durch Kristallhöhen, weiche Mitten und druckvolle Bässe auszeichnet. In den nächsten Jahren wächst Larrivées Firma stetig und mehrfach wechselte der Standort. Junge, inzwischen bekannte, talentierte Gitarrenbauer wie William „Grit“ Laskin, Linda Manzer, Sergei de Jong, David Wren und Tony Duggan-Smith lernen und arbeiten in der Werkstatt. Am bemerkenswertesten ist Wendy Jones, deren Können und Kunstfertigkeit letztendlich zu den spektakulären und atemberaubenden Inlays führt, die man heute noch auf Larrivée-Gitarren sieht. Sie wurde bald Wendy Larrivée, Jeans Frau.

Bis 1977 hat Larrivée sich den weltweiten Respekt von Gitarristen und Gitarrenbauern erlangt. Bruce Cockburn und Peter Yarrow (Peter, Paul and Mary) sind die ersten hochkarätigen Künstler, die sich für Jeans Gitarren interessieren. Jean produziert jetzt bis zu dreißig Gitarren pro Monat, versendet sie in Kanada und exportiert sie nach Europa. Bald machen sich auch US-amerikanische Künstler auf den Weg nach Norden, in der Hoffnung, eine Larrivée-Gitarre zu erwerben.

VICTORIA 1977 – 1982

Auf der Suche nach einem wärmeren Klima und einem leichteren Zugang zu wertvoller Sitka-Fichte, zieht Larrivée an die Westküste von Vancouver Island und bringt eine Handvoll Mitarbeiter mit. Dort beginnt Jean, neue Ideen in Werkzeuge und Fertigung einfließen zu lassen. Eine erhöhte Präzision mit speziellen Maschinen ermöglichen ihm, mehr Gitarren zu produzieren – aber da se solche Maschinen erstmal so nicht gab, schafft Jean seine eigene. Bald baut er vier Gitarren pro Tag. Außerdem baut er Kontakte zur Holzindustrie auf, um möglichst gute Sitka-Fichte zu erhalten.

NORTH VANCOUVER 1983 – 1992

Mit direktem Zugang zu Fichte und einem für das Bauen günstigen Klima wächst das Unternehmen weiter. Da er aber auf einer Insel isoliert ist, wird ein Umzug auf das Festland nötig. In dieser Zeit beginnt Jeans ältester Sohn, John Jr., in der Werkstatt. Es sind jedoch die 80er-Jahre, und der Musikmarkt tendiert zu elektronischen Keyboards und E-Gitarren. Akustikgitarren sind out. Jean ist jedoch immer der Pionier und passt sich schnell an, indem er sein fundiertes Gitarrenbau-Wissen nutzt, um High-End-E-Gitarren nicht nur für Larrivée, sondern auch für andere Unternehmen wie Kramer, Schon und Signature zu bauen.

In diesen Jahren entwickelt Larrivée weitere moderne Werkzeuge und erwirbt computergesteuerte Fräsen, die zur Rationalisierung der Produktion beitragen. Aber für Jean geht es nicht nur darum, mehr Gitarren zu bauen. Er will sie obendrein erschwinglich machen. Ab 1991 blüht der Akustikmarkt dank der Unplugged-Bewegung von MTV wieder auf – ebenso wie die Akustikproduktion. Larrivée produziert jetzt täglich acht Gitarren, darunter mehrere neue Modelle mit neuer Holzauswahl. Larrivée beschäftigt nun über zwanzig Mitarbeiter, darunter den letzten Auszubildenden, den Jean jemals einstellt – David Iannone, der schließlich selbst eine erfolgreiche Karriere mit Morgan Guitars beginnt.

VANCOUVER 1992 – 2013

Der Akustikmarkt boomt, und die 16 Gitarren pro Tag sprengen die Kapazität. Matthew, Jeans jüngerer Sohn, tritt ebenfalls dem Team bei. Nach einem kurzen, fünfjährigen Standort-Intermezzo in East Vancouver, kauft Jean ein großes zweistöckiges Gebäude in der Cordova St. in der Innenstadt von Vancouver. Auf ca. 3000 qm gibt es viel Platz für die Produktion seiner Gitarren. Mit mittlerweile mehr als 45 Mitarbeitern schafft das Team mittlerweile 32 Gitarren pro Tag. 1997 produzierte Jean die erste High-End-Gitarre aus massivem Holz aus Nordamerika für unter 800 US-Dollar. Ursprünglich eine limitierte Edition, wird die D-03 bald zum Arbeitstier für die Firma Larrivée und für viele Gitarristen.

Nun erfüllt sich Jean seinen lang gehegten Traum vom Gitarrenbau in den USA. Im September 2001 eröffnet er eine Larrivée-Werkstatt im sonnigen Oxnard, Kalifornien. Während sein Vater und sein Bruder Matthew nach Kalifornien gehen, bleibt John Jr. zurück, um die kanadischen Geschäftsbelange zu führen. Da die beliebte 03-Linie nun den größten Teil des Umsatzes erzielt, ist es an der Zeit, die Produktion zu trennen. Satin-Finish-Gitarren wurden kontinuierlich in Kanada hergestellt, während Hochglanzgitarren jetzt in Kalifornien gebaut werden. Der Umzug nach Süden ermöglichte die Straffung und Effizienz in beiden Produktionslinien.

OXNARD, KALIFORNIEN 2001 – heute

Sonnenschein und eine warme Meeresbrise liegen in der Luft. Nach Monaten harter Arbeit ist die neue Fabrik produktionsbereit. Bald tauchen sogar Mandolinen aus der Werkstatt auf, ebenso wie High-End-E-Gitarren. Leider holt die weltweite Rezession von 2008 den Luxusgitarrenmarkt ein und macht es letztendlich unwirtschaftlich, Gitarren an mehreren Standorten zu produzieren. Im November 2013 schließt Larrivée die Türen seines kanadischen Geschäfts und fusioniert den Laden in Vancouver mit dem Standort in Kalifornien. Dort experimentiert Jean weiter mit Werkzeugen und Produktion.

Immer noch von seinen beiden Söhnen unterstützt, kann er nun mehr Zeit im Ausland verbringen, um nach zunehmend schwer zu findenden Tonhölzern zu suchen. Von den Dschungeln Indiens bis nach Südspanien setzt Jean seine Suche nach den schönsten Hölzern der Welt fort. Heute ist Jean Mitte 70 und zeigt keine Anzeichen einer Verlangsamung. Wenn man einen Rundgang durch die Werkstatt macht, findet man nach wievor einen bescheidenen Mann in der Ecke, der mit Staub bedeckt ist, Hälse schnitzt und immer noch lächelt.

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2020)

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Mittlerweile finden auch bei anderen Gitarren Manufakturen ähnlich nachhaltige Hölzer Verwendung.Mich wundert es deshalb,weshalb ihr hier noch keinen einzigen Testbericht über Eastman Gitarren aus Beijing/China veröffentlicht.
    Die Preise für gute Akustikgitarren aus der Eastman Gitarren Manufaktur liegen bereits weit unter 1.000,-€uro.Und dafür erhält man durchaus eine sehr gute Qualität mit besten Klangeigenschaften.

    Es muß ja nicht immer gleich eine Larivée Standard für immerhin runde 1.900,-€uro sein,wenn es auch bedeutend günstigere und gleichwertig gute Akustikgitarren gibt.

    Ich war doch sehr positiv überrascht darüber,wie penibel Eastman Gitarren verarbeitet werden,und finde sie auch klanglich absolut top.

    Leider besteht ja momenta,wegen der nervigen Corona Virus Pest Pandemie (noch) nicht die Gelegenheit,überhaupt eine Akustikgitarre vor Ort zu testen,was die Kaufentscheidung doch noch zusätzlich erschwert.
    Aber,vielleicht ist ja „irgendwann“ mal ein Ende dieser strikten Verbote in Sichtweite?!? Das wäre wünschenswert.

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