1959 Gibson Les Paul, die neulich für € 450.000 Euro verkauft wurde (Bild: Udo Pipper)
Eigentlich schreibe ich ja einmal im Jahr über die Preisentwicklung auf dem Instrumentenmarkt. Seit der Corona-Pandemie habe ich diese Tradition sträflich vernachlässigt. Die Entwicklungen auf dem Gebraucht- und Sammlersektor erschienen mir damals einfach zu ungewöhnlich. Seit unseren Toskana-Workshops vor zwei bzw. drei Jahren betrachte ich diese Entwicklungen jedoch aus einer anderen Perspektive.
DER PREIS IST HEISS …
Während der sogenannten Corona-Krise sind die Preise für Vintage-Instrumente regelrecht explodiert. Vermutlich haben Frust und Langeweile, fast zwei Jahre lang zu Hause verbringen zu müssen, viele Menschen dazu verleitet, Vintage-Gear zu kaufen. Wozu noch Geld auf dem Konto horten, wenn eigentlich sowieso nichts mehr sicher ist? Dann lieber ins Internet gehen und nach Herzenslust die Ersparnisse für wunderschöne Gitarren und Amps „verschleudern“. Man wollte sich etwas gönnen. Das war ganz offensichtlich. Die sprunghaft erhöhte Nachfrage erzeugte natürlich in kürzester Zeit Preissteigerungen in fast allen Segmenten. Während weniger gut betuchte Musiker vor allem nach günstigen Effektpedalen Ausschau hielten, lockte es vermögende Hobbyisten und Sammler, alte Gitarren und Verstärker zu kaufen. Angebote gab es scheinbar genug, weil während Corona auch viele Musiker kein Geld mehr verdienten und daher ihre Schätze im Internet feilboten. Da wurde eine Zeit lang wie verrückt verkauft, wobei sich die Besitzverhältnisse in vielen Fällen vom Musiker hin zum Sammler verschoben. Es bildete sich auch eine ganz neue Gemeinde von Hobbyisten, die zuhause im Kellerstudio ihre Leidenschaften auslebten, weil sich die ehemalige Band längst aufgelöst hatte oder sowieso keine Gigs mehr bekam. Gleichgesinnte fand man damals leicht im Netz in allerlei Foren oder auf Facebook und Instagram. Der Hobbyist wurde sozusagen zum Star. Influencer wie Tim Pierce, Rick Beato oder Paul Davids wurden zu Wortführern, denen man gerne lauschte. Sie zeigten, wie man ein Gitarrensolo spielt, obwohl sich in der „echten Welt“ kaum noch Gelegenheiten dafür boten. Zielgruppe war und ist die sogenannte Boomer-Generation, das sind die geburtenstarken Jahrgänge zwischen etwa 1950 und 1970, die mit dem Rock’n’Roll aufwuchsen und von dieser Ära immer noch geprägt sind.
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Auch in unseren Toskana-Workshops war damals so gut wie niemand unter 50. Es kamen allesamt Hobbyisten, die einfach Freude am Gitarrespielen und etwas Geld für gutes Equipment übrig haben. Und genau diese Zielgruppe ist für unsere Branche immer noch enorm wichtig. Aber diese Generation beginnt nun, sich zur Ruhe zu setzen oder gar ganz auszusterben. Das Angebot an gebrauchten Instrumenten scheint im Moment höher als die Nachfrage. Und jeder weiß, was das für die Preise bedeutet. Ehemalige Musiker und Hobbyisten, die jetzt über 70 sind, trennen sich von ihren Instrumenten, weil sie fürchten, dass ihre Nachkommen mit dem Verkauf der betagten Sammlung überfordert sein könnten. Im hohen Alter kann und möchte man keinen Vox AC30 und keinen Twin Reverb mehr herumtragen. Man kann und will auch nicht mehr so laut spielen. Auch der wohl vertraute kleine Musikladen um die Ecke hat bereits seit Jahren geschlossen. Dort fand man immer Zubehör und Service, Dinge, die jetzt eher im Netz oder gar nicht mehr geboten werden.
Sind schwere Gitarren-Combos bald nur noch Ladenhüter? (Bild: Udo Pipper)
Noch dazu erobern neue Technologien wie Modeling- oder Profiling-Amps den Markt. Kaum noch jemand besitzt daher den „magischen“ Marshall, weil alle mittlerweile das gleiche Zeug spielen.
DIE TOTE PREISKLASSE
Vor Corona wurde alles gekauft, was irgendwie vintage war. Es gab noch reichlich Musiker, die nach DEM Sound suchten oder endlich ihr Trauminstrument zum erschwinglichen Preis erstehen wollten. Dabei nahm man auch gerne Issues in Kauf. „Player“-Strats waren zum Beispiel unheimlich gesucht. Es handelte sich also nicht um komplett originale Sammler-Schönheiten, sondern zum Beispiel um eine echte 63er Pre-CBS-Strat, die einmal refinished wurde, zwei neu gewickelte Pickups hatte, einen moderneren Koffer, getauschte Mechaniken usw. Dafür war sie aber unter 10.000 Euro zu haben und klang fantastisch. Nun kosten die ganz jungfräulichen Original-Strats der Baujahre 1954 bis 1965 bis zu € 100.000 − Euro, teils wie neu und mit allen Papieren.
Das führte dazu, dass auch die Player-Strats mit Issues wesentlich teurer wurden und daher für Spieler heute nicht mehr erschwinglich sind. Eine Stratocaster mit Refinish und ein paar getauschten Parts für 16.000 Euro geht nicht mehr weg. Die praktizierenden Musiker haben dafür einfach nicht mehr genug Geld und die Sammler investieren nur in ausgesuchte Originale. Auch hier geht die Schere also auseinander. Dasselbe gilt für Gibson-Gitarren und natürlich Amps. Ich habe hier ein paar ehemals sehr gesuchte Vintage Amps, die im Moment niemand kauft, weil Teile im Zuge einer Restaurierung getauscht wurden. Mittlerweile halten sich alle Interessierten für „educated“ und prüfen jeden Kondensator und jeden Widerstand auf Echtheit. Nur ist es eben so, dass solche Bauteile oft nicht 70 Jahre und mehr halten. Mindestens die Elkos müssen regelmäßig getauscht werden, dazu das zweiadrige Netzkabel ohne Schutzleiter, oftmals der Speaker und die Röhren sowieso. Solche Amps werden dann trotz eines niedrigen Preises zu echten Ladenhütern, weil der Kunde daran glaubt, irgendwo zum gleichen Preis ein besseres, sprich originaleres Exemplar zu finden. Bei den Amps spreche ich hier über eine Preisklasse von etwa € 2.000 bis € 6.000. In diesen Preisklassen geht im Moment so gut wie gar nichts.
Vor gut fünf Jahren kostete etwa ein gut erhaltener 50s Fender Tweed Deluxe nahezu $ 10.000. Mittlerweile ist dieser Preis auf unter € 5.000 gefallen, auch weil die „next generation“ lieber auf modernere Technologien setzt und mit den einstigen „Hasenkisten“ nur noch wenig anfangen kann.
Ein gut erhaltener Vox AC30, zum Beispiel Baujahr 1965, ging vor Jahren noch für € 4.000 bis € 5.000 weg. Mittlerweile ist es schwierig, überhaupt noch einen Kunden für einen Vox zu finden. Auch hier stört anscheinend das Gewicht, die Lautstärke und die hohe Service-Anfälligkeit. Man findet ja kaum noch Techniker, die sich da rantrauen.
WER MACHT DEN BESTEN DEAL
Die meist privaten Verkäufer haben oft auch noch unrealistische Vorstellungen von Gebrauchtpreisen. Während man beispielsweise beim Autokauf einen Wertverlust von der ersten Minute an in Kauf nimmt, darf das bei Musikequipment offenbar auf keinen Fall passieren. Viele möchten im Falle eines Wiederverkaufs mindestens den Neupreis wieder raus haben, oft sogar noch eine erhoffte Wertsteigerung. Zahlreiche Hersteller befeuern diese Idee, in dem sie viele Modelle schon als „Limited Edition“ oder sogar als Einzelstücke deklarieren. Das soll dem Käufer suggerieren, dass eine Wertsteigerung auf jeden Fall zu erwarten sei. Was selten ist, wird schließlich wertvoller. Nur trifft das auch noch auf einen Markt zu, der offenbar übersättigt ist und auf dem beinahe alles schon sehr selten sein soll?
Wertsteigerung dank üppiger Urkundenausstattung: Geht die Formel wirklich auf? (Bild: Udo Pipper)
Während manche auf diese Entwicklungen mit Panik reagieren und „noch schnell alles verkaufen wollen“, bevor vielleicht gar nichts mehr geht, lehnen sich andere ruhig zurück. Sie verweisen auf vorausgegangene Krisen, die bekanntlich zu Ende gingen und nach denen alles teurer wurde. Nur dieses Mal scheinen einige Faktoren zusammenzukommen, die in dieser Kombination noch nicht zu finden waren. Da ist zum einen die unsichere Weltlage, was seit jeher Märkte geschmälert hat. Dann die aussterbende Boomer-Generation, die den Rock’n’Roll in die Wiege gelegt bekommen hatte. Dann sehen wir uns einem technologischen Wandel ausgesetzt, der ästhetische oder nostalgische Aspekte beim Instrumentenkauf immer weiter in den Hintergrund treten lässt und das Musikmachen immer weiter in einen Hobbyisten-Markt transferiert. Und schließlich fehlt offenbar ein breiter Nachwuchs, der bereit ist, ohne weiteres vierstellige Summen oder mehr für Instrumente hinzublättern. Auch das Sammeln scheint nicht mehr so angesagt. Ähnliche Entwicklungen beobachten wir (zumindest in der breiten Masse) im KFZ-/Oldtimer-Markt oder auf den Kunstmärkten.
Dumble-Verkaufsanzeige auf reverb.com (Bild: West Coast Vintage's Gear Depot / Reverb)
Angesichts von Verkaufspreisen von € 400.000 für eine 1959er Gibson Les Paul oder € 330.000 für einen Dumble Amp fragt man sich, wann die Schraube überdreht ist. Nach „fest“ kommt bekanntlich „ab“, und es könnte ja sein, dass wir erst am Anfang einer bedenklichen Entwicklung stehen, die irgendwann ins Leere läuft. In diesem Sinne … ●