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Workshop: Ibanez Soundtank PL5 Power Lead

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Schauen wir uns heute den Ibanez Power Lead PL5 einmal näher an. Er war nicht irgendein Distortion-Pedal von Ibanez, nein, innerhalb der Soundtank- Serie, die von 1989 bis 1999 auf dem Markt war, belegte er im Verkaufs-Ranking Platz zwei, direkt hinter – na, wem wohl, richtig! – dem Tube Screamer TS5. Und das will ja dann schon was heißen. Also Vorhang auf für den PL5 Power Lead!

(Bild: Bernd C. Meiser)

Eingangs-OP

Das Gitarrensignal gelangt als erstes auf den üblichen BJT-Eingangs-Impedanzwandler. Der entkoppelt die eigentlich niederohmige Elektronik von den hochohmigen Gitarren-Pickups, damit deren Resonanzfrequenz erhalten bleibt. In der 5er-Serie wurde mit einem zweiten, dem Eingangs-Z-Wandler folgenden, weiteren Z-Wandler gearbeitet, worüber speziell die einzelnen FET-Schalter ansteuert wurden. Daher wurde als Bias-Spannung für den Eingangs-Z-Wandler nicht wie üblich die Hälfte der Betriebsspannung gewählt, sondern ein etwas höherer Wert: 6,4 Volt. Über dieses spezielle Vorgehen wird es noch eine gesonderte Kolumne geben, daher jetzt nur das eben Genannte.

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Transistor-Amp

Wie wir aus vergangenen Kolumnen wissen, lassen sich speziell mit „Ein-Transistor“- Schaltungen besondere Übertragungskennlinien (ÜKL) generieren, welche sich recht gut zur Vorverstärkung unseres Gitarrensignals eignen, da diese Schaltungsart einen gewünschten kleinen Zerr produziert, wie ihn OPs nicht erzeugen können. Weiterhin sind an den Bereichsenden der ÜKL wohlwollende Verrundungen festzustellen. Auch das kann der übliche OP nicht leisten, er versieht die Bereichsenden mit einem kantigen Hardclip. All diese OP-Eigenschaften können wir für die Vorverstärkung des Signals nicht gebrauchen, daher eben dieser Transistor- Schaltkreis.

Zum Vergrößern bitte klicken (Bild: Bernd C. Meiser)

Feinheiten

Die Schaltung ähnelt der Schaltung des Boss DS-1, wenn auch komplett anders dimensioniert. Der Wechselstrom-Eingangs- R der heutigen reinen Transistorschaltung (an der Basis gegen Masse gemessen) beträgt 27 kOhm. Dem ist R8 = 33 kOhm vorgeschaltet und bildet zusammen mit den erwähnten 27 kOhm den Eingangs-R der Schaltung. Rein formal – werden einige denken – entspricht der Eingangs-R der Schaltung doch dem Wert des R8 (= 33 kOhm), die Transistor-Basis sollte ein virtueller „Nullpunkt“ sein. In dieser Schaltung wirken gleich zwei Gegenkopplungen (GK) ein, eine Strom-Serien- und eine Spannungs-Parallel-GK. Da wird die Bestimmung des korrekten Eingangs-R sehr umfangreich, das ist ein typisches Übungsbeispiel für eine Vorlesung in „Analogtechnik 1“. Da hat man dann über mehrere Seiten Rechenarbeit zu leisten, um die komplette Schaltung auseinanderzubröseln. Wir bemühen hier einfach den Simulator, lesen die Grafiken ab, rechnen mit diesen Werten sachgemäß weiter und gelangen nach einigen (schnellen) Zwischenschritten zu unserem Eingangs-R der Schaltung.

(Bild: Bernd C. Meiser)

In Interaktion mit diesem Wert steht der recht kleine Einkoppel-C4 von 10 nF. Das ergibt eine Hochpass-Grenzfrequenz im Bass-Mittenbereich, damit die Bässe reduziert werden und der Schaltkreis nicht gleich zu Beginn durch heftige Bass-Amplituden übersteuert wird. Die Grenzfrequenz beträgt 250 Hz. Wer gerne mehr Bass hätte, einfach dieses 10 nF-C durch 15 nF oder gar 22 nF ersetzen. Parallel zu dem Gegenkopplungs-R10 (= 560 kOhm) ist eine kleine Kapazität von 47 pF geschaltet, welches die Höhen dämpft. Auch hier ist mit einfachen Mitteln nicht weiterzukommen, wir müssen wieder den Simulator bemühen. Die Grenzfrequenz im Hochton-Bereich beträgt 14 kHz.

Auch die Bestimmung der Verstärkung der Schaltung ist unübersichtlich und zu Fuß kaum zu erledigen; die Verstärkung beträgt 16 dB und ist zudem stark von dem Lastwiderstand R14 (=10 kOhm) abhängig. Diesem Widerstand kommt noch eine Schlüsselrolle zu. Mit diesen nominalen 10 kOhm sind die Aussteuerungs- Grenzen der ÜKL bezüglich des „Nullpunkts“ der Schaltung asymmetrisch. Das kann man jetzt mögen oder eben nicht. Will man hier Symmetrie walten lassen, ist ein Last-R14 von 22 kOhm anstelle von 10 kOhm einzusetzen. Gleichzeitig steigt dabei auch etwas die Verstärkung, was wohl die wenigsten ärgern wird. Soll beim Wechsel auf 22 kOhm die originale Auskoppelfrequenz von 160 Hz erhalten bleiben, ist der C6 (= 100 nF) durch 47 nF zu ersetzen.

(Bild: Bernd C. Meiser)

Schnell noch ein Wort zu dem Stromverstärkungsfaktor hfe des verwendeten Si- Transistors. Der geht mit seinem tatsächlichen Wert in jeden Parameter der Schaltung mit ein. In Anbetracht dessen, dass der hfe fertigungstechnisch bedingt einer großen Toleranz unterworfen ist, wird eine jede der PL-5-Vorstufen einen Deut Eigenklang besitzen.

Distortion

Nach dem Transistor-Verstärker geht’s in den Distortion-OP – normale Beschaltung. Einzig der Querzweig der Gegenkopplung verwendet hier zwei RC-Reihenglieder, welche sich gegenseitig leicht beeinflussen, mehr gibt’s darüber nicht zu sagen. Der Distortion hat eine Hochpass-Grenzfrequenz von 400 Hz, dafür ist maßgeblich der R15 + C8 zuständig. Durch Variation dieser Bauteilgrößen lässt sich dieser Frequenzgang nach dem persönlichen Geschmack einstellen. Danach der übliche Strombegrenzungs-R (=1 kOhm), dann die beiden Clipping Si-Dioden. Es fällt hier an dieser Position auf, dass parallel zu den beiden Clipping-Dioden kein kleines C parallel liegt. Dadurch bleibt der Hochton- Bereich hier recht aggressiv. Wer es grundsätzlich etwas weicher klingend haben will, kann einfach einen kleinen (z. B. 2,2- nF-) Keramik-Kondensator parallel zu den Dioden löten.

(Bild: Bernd C. Meiser)

Filter

Auch die Filterbank bringt nicht wirklich Neues. Drei Gyratoren finden Verwendung. Einer, der in der Gegenkopplung platzierte Transistor-TR5, generiert ein steiles Peak bei 100 Hz. Der andere, in den direkten Signalpfad eingebaute TR3, liefert ein Loch (Notch) im Frequenzgang bei 800 Hz. Es bleibt der Gyrator TR4, der am Schleifer des Tone-Potis angeklemmt ist. Durch einen zusätzlichen 1-kOhm-R hat dieser Gyrator nur eine geringe Güte und wirkt recht breitbandig. Wird der Schleifer in die Gegenkopplung gedreht, generiert der Zweig ein recht flaches sowie breites Peak bei formal 120 Hz, beim Eindrehen in den Signalpfad einen dort eher graden Frequenzgang.

Mit dem PL5 war man bei Ibanez damals auf der sicheren Seite. Mit den klanglich richtigen Ingredienzien – einem Distortion-Schaltkreis nach Art der amerikanischen The Rat, einem bewährten Transistor- Vorverstärker und dem modernen, gut abgestimmten Gyrator-Arrangement – traf man den Zeitgeist und räumte auf der Szene richtig ab, zumal die Soundtank- Serie ja preisgünstige Pedale ins Rennen schickte. Doch der Distortion im Maikäfer- Kleid entpuppte sich als Wolf im Schafspelz und ist auch heute noch ein guter Tipp, wenn es um typische Distortion-Sounds geht.


Aus Gitarre & Bass 01/2017

Produkt: Gitarre & Bass 9/2022 Digital
Gitarre & Bass 9/2022 Digital
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hab zwar nicht viel von dem hier verstanden, aber ich hatte mal so ein Teil Ende der 90er. Fand ihn allerdings ziemlich “sägend” 😛 Im Beispiel klingt er irgendwie besser

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    1. Wenn er “sägend” klang, dann passte möglicherweise was an den Settings nicht. Treble Regler am Amp (und am Pedal), Mitten-Regler oder unglückliche Amp/Boxen- Kombination oder zu wenig Lautstärke. Ich hatte ihn an mehreren Röhren-Amps. Wenn man ihn “singen” lässt, klingt er famos. Ich bin bis heute begeistert und habe mehrere davon.

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