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Parts Lounge: Röhrentausch – Teil 3

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Alte General Electric 6L6

In der letzten Folge der Röhrentausch-Serie möchte ich noch ein paar allgemeine Tipps loswerden. Wie im vergangenen Monat bereits angesprochen, benötigen die meisten Endröhren nach dem Wechsel eine Einmessung des Ruhestroms.

Ausgenommen sind hiervon alle Verstärker im Kathoden-Bias- oder Class-A-Betrieb. Dazu gehören vor allem leistungsschwächere Klassiker wie der Vox AC15 oder AC30, Marshall 18-Watt-Modelle und der Tweed Deluxe oder Tweed Champ von Fender, die alle im Kathoden-Bias-Modus laufen. Daher ist es wichtig, zunächst Hinweise über die Verschaltung der Endstufe seines Amps zu recherchieren.

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LOS GEHT’S

Die Bias-Einmessung bezieht sich auf Verstärker im Class-AB-Push-Pull-Betrieb. Hier liegt jeweils ein fester Ruhestrom (fixed bias) an jeder Endröhre an, der beim Wechsel klar definiert werden sollte. Doch wie misst man diesen Ruhestrom? Einem kundigen Elektroniker genügt dazu ein einfaches Digital-Messgerät. Zur Messung muss der Verstärker jedoch geöffnet und komplett eingeschaltet werden. Daher ist hier äußerste Vorsicht geboten. Dem Laien muss man daher unbedingt davon abraten!

Beim Tube-Amp-Doctor-Vertrieb in Worms wird zur Vereinfachung dieser Messung ein spezieller Bias-Master angeboten. Es handelt sich hierbei um ein Messgerät, das in vier Positionen oder für maximal vier Endröhren den Ruhestrom anzeigen kann. Zum Lieferumfang gehören vier Röhrensockel, in denen sich wiederum je eine Röhrenfassung befindet, in die die neue Röhre eingesteckt werden kann. Via Cinchkabel werden die Sockel mit dem Messgerät verbunden, das nach dem Einschalten des Standby-Schalters dann den Ruhestrom anzeigt. Ein Vierfach-Schalter ermöglicht das Umschalten zwischen den unterschiedlichen Messprobanden.

Bias-Master vom Tube Amp Doctor

Bei paarweise oder im Quartett verschalteten Röhren ist zunächst darauf zu achten, dass die Röhren „gematcht“ sind, das heißt, bei gleicher negativer Gittervorspannung auch den gleichen Ruhestrom aufweisen. Das ist bei einer Vermischung von alten und neuen Röhren bei nahe unmöglich. Daher unterstreiche ich hier meinen Rat, die Endröhren nur komplett und nicht einzeln zu tauschen. Da mit dem Alter die Verstärkungsleistung vieler Röhren nachlässt, lassen diese sich mit neuen und frischen Röhren kaum noch in Balance bringen. Zahlreiche Röhrenvertriebe bieten dazu komplett gematchte Röhrensets an.

Der Ruhestrom selbst wird entweder über ein Bias-Poti, das zum Beispiel bei den meisten älteren Fender-Verstärkern servicefreundlich von außen bedient werden kann, oder über einen Festwiderstand eingestellt. Viele neuere Boutique-Amps oder einige ältere Marshalls haben ein Bias-Poti auf dem Komponenten-Board eingebaut. Um das zu bedienen, muss aber der Verstärker wieder komplett geöffnet oder meist sogar aus dem Gehäuse ausgebaut werden. Auch hierbei kann nur der Gang zum Techniker empfohlen werden. Die lebensgefährlich hohen Spannungen im Verstärker-Chassis sind nichts für ungeübte Hände.

Bias-Poti in einem alten Fender-Amp

Der Ruhestrom wird in Milliampere (Tausendstel Ampere) gemessen und justiert. Er ist also sehr gering. Bei einem „kalten“ Verstärker und vor allem bei frischen Röhren sollte man etwas Geduld bei der Einstellung haben. Zeigt das Messgerät zunächst nach dem Einschalten einen bestimmten Wert, so erhöht sich dieser nach der vollständigen Erwärmung teils noch erheblich. Der eingestellte Wert ist abhängig von der Anodenspannung an den Endröhren und dem Endröhren-Typ selbst. So benötigen KT66 in einem Marshall JTM45 bei etwa 440 Volt Anodenspannung einen ganz anderen Ruhestrom als etwa ein Fender Deluxe Reverb mit zwei 6V6-Endröhren bei 400 Volt. Die empfohlenen Werte sind Von-Bis-Ströme, das heißt, es gibt einen gewissen Freiraum bei der Einstellung. Dieser Freiraum orientiert sich meist an den Klangvorstellungen des Nutzers. Heiß eigenstellte Röhren (etwa 30 bis 50 Milliampere) erzeugen einen wärmeren Klang mit mehr tiefen Mitten und etwas mehr Overdrive als kühl eingestellte Röhren (etwa 20 bis 30 Milliampere), die dadurch schlankere Klänge mit mehr Klarheit erzeugen.

Bei zu kühl eingestelltem Bias klingt der Amp jedoch harsch und dünn, wohingegen bei zu heißen Einstellungen die Röhren „rote Bäckchen“ bekommen können und regelrecht durchbrennen. Daher lohnt sich auch die Beobachtung während der Einlaufphase der neuen Röhren. Nicht selten sind auch nagelneue Röhren schon defekt (etwa durch den Transport oder Erschütterungen) und versagen bereits bei geringem Ruhestrom. Hier hilft dann nur der erneute Austausch.

Ich empfehle, die Bias-Messung nach dem Austausch der Röhren etwa 15 Minuten zu beobachten. Nach dieser Zeit wird sich der Wert kaum noch verändern. Ein Röhren-Matching innerhalb einer Toleranz von 3-5 Milliampere ist absolut in Ordnung. Man sollte auch bei gematchten Röhren keine exakte Balance erwarten. Zum Abschluss beschäftigen wir uns nun mit der Frage aller Fragen: Welche sind die besten Röhren? Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich das nicht von einem Leser oder Kunden am Telefon gefragt werde. Vor allem interessiert es Musiker, ob der Kauf alter NOS-Röhren wirklich lohnt, denn diese Röhren sind manchmal unfassbar teuer.

Dazu etwas Grundsätzliches: Wer empfindliche Ohren hat und die letzte klangliche Ausbeute aus seinem Amp holen möchte, für den kann sich der Kauf alter Röhren durchaus lohnen. Die „Legenden“ von RCA, General Electric, Siemens, Sylvania, Mullard, Brimar oder RFT bescheren meist diesen sprichwörtlichen Hauch mehr an Obertönen, Wärme oder Schmelz. Oft sind diese Unterschiede aber subtil und erst im dauerhaften Vergleich mit Neuware auszumachen. Das ist Geschmackssache und stets recht individuell.

Vintage Mullard ECC83 Vorstufenröhre
RCA „Blackplate“ Vorstufenröhre Made in USA

Wer oft und laut spielt, dem genügen meist zuverlässige Röhren aus neuerer Produktion. Doch welche sind das? Dazu muss man wissen, dass neue Röhren heute nur noch in China, Russland und Tschechien hergestellt werden. Und hier kommt es durchaus darauf an, wer der Auftraggeber für die Produktion ist. Die Firma Tube Amp Doctor lässt zum Beispiel zahlreiche Röhren ihres Angebots in China fertigen, bestimmen dabei das Design und die endgültige Kontrolle über deren Qualität aber selbst. Ähnlich verhält es sich mit der New Sensor Corporation/USA, die in Russland die Marken Electro Harmonix, Sovtek, Genalex, Mullard und Tung-Sol fertigen lässt. Die berühmten und teils sehr gefragten JJ-Röhren stammen aus Tschechien und gelten ebenfalls als zuverlässig und stabil.

Zusammen mit TAD decken die genannten Namen schon beinahe den gesamten Röhren-Markt ab. Teilweise – wie etwa bei Mullard oder Tung-Sol, haben die neuen Inhaber die Marken-Namen für die berühmten Vorbilder erworben und bemühen sich, auch die Qualität der alten Röhren wieder zu erreichen. Ob das gelingt, darüber lässt sich streiten.

JJ Vorstufenröhre 12AX7 ECC83 (Bild: W-Music Distribution)

Ich selbst verwende aufgrund meines großen Bedarfs an Austausch-Röhren ausschließlich Neuware. Natürlich beklage auch ich den ein oder anderen Ausfall sogar ab Werk. Doch das muss man heutzutage leider in Kauf nehmen. Bei der Auswahl komme ich aufgrund der unterschiedlichen Amp-Designs und Kundenwünsche stets zu anderen Ergebnissen. In einem Amp arbeiten die TAD-Röhren wirklich außerordentlich gut, ein anderer Verstärker gelingt besser mit JJs, Tung-Sols oder Electro Harmonix. Hier hilft nur probieren und zuhören.

WAS BLEIBT

Die Klangeigenschaften bestimmter Röhren-Typen außerhalb des Verstärker-Kontextes zu erklären, bleibt immer vage. Aufgrund meiner Erfahrung, kann ich zumindest etwas über die alten legendären Vorbilder sagen. So sind zum Beispiel alte Telefunken- oder Siemens-Röhren in der Regel ausgesprochen linear und stabil, alte Mullards, Valvos oder Brimars (oft baugleich) haben etwas weniger Verstärkung als neuere Vorstufenröhren und bleiben daher oft schlank und liefern sehr kompakte Klangeigenschaften. Die alten RCA-, Sylvania- oder GE-Röhren tönen in der Regel – wie alle amerikanischen Typen – tendenziell mittiger, wärmer und etwas „dicker“. Diese Beobachtungen variieren natürlich von Röhre zu Röhre mehr oder weniger stark. Auch hier gab es im Laufe der Produktionsläufe teils größere Unterschiede. Daher bitte ich das nur als Faustregel zu verstehen.

Der heilige Gral: Die RCA 6L6 aus alter Produktion.

Der heilige Gral unter den Endstufenröhren sind zweifellos die alten RCA „Blackplate“ 6L6-Röhren, die in den meisten Fender Blackface-Amps der 60er-Jahre verbaut wurden. Weiterhin die große, schlanke RFT EL34, die zu DDR-Zeiten in Mühlhausen gefertigt wurde. Auf den britischen Inseln gelten die GEC KT66 und KT88 als unschlagbare Klangkolben, die Maßstäbe setzten. Soviel für den Aficionado, der nach dem Besten vom Besten sucht. Wie gesagt, muss man hier immer in Kauf nehmen, dass die teuren Vintage-Röhren vielleicht doch gar nicht wie vom Anbieter beschrieben „NOS“ sind und schon nach kurzer Zeit wieder Probleme bereiten. Ein wahrlich kostspieliges Hobby.

Vielleicht hat diese kleine Serie dem ein oder anderen Röhrentauscher etwas weitergeholfen. Es ist gar nicht so kompliziert − man sollte nur wissen, was man da tut.

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2020)

Produkt: Jazz Amp
Jazz Amp
Realität oder Illusion?

Kommentare zu diesem Artikel

  1. “JJ-Röhren stammen aus Tschechien” aus Slowakei.
    https://www.jj-electronic.com/en/

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  2. Hallo !

    Die heutige Qualität der russischen EL34 Röhren reicht meiner Meinung nach nicht an die Qualität von alten RFT, Mullard oder anderen ran. In meinem Laney Supergroups, wo Anoden- und Gitterspannung ca. 610 Volt betragen, brennen die russischen Röhren nach spätestens 5 Sekunden durch. Chinesische TAD EL34 Röhren laufen dagegen einwandfrei. EL34 von JJ habe ich bis heute noch nicht ausprobiert. Laut Datenblatt darf bei einer EL34 die Gitterspannung im Schnitt nicht höher als 450 Volt sein, die alten Röhren von z.B. RFT, Mullard, Valvo aber vertragen da etwas mehr 🙂

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    1. Es gibt (gab) sogar einen vorgesehenen Betrieb der EL34 mit 800V Anodenspannung! Den findet man (nur) auf alten Datenblättern als Schaltungsbeispiel, dabei wird alles ans absolute Limit gefahren und man holt so angeblich 50 Watt aus einer EL34! Ich besitze einen Verstärker, der genau das tut (von Roy). Ich habe da, ohne mich weiter zu kümmern, JJs eingbaut, um dann nachher zu lesen, dass die schon die hohen Spannungen in Marshalls (angeblich) nicht vertragen.
      Bisher laufen die JJs aber einwandfrei. Wobei ich es mit der Einstellung des Netzteils auf 240 V (ode waren es 250?) geschafft habe, die faktische Spannung in den Bereich von “nur noch” 730 V zu drücken.

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      1. Ich hatte eine Dynacord A1000, die lieferte auf 4 EL 34 bis zu 160 W!

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