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Hot Rod Mod: Zusammenstellung eines Pedalboards

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Ein kleiner Vorgriff: So wird das Board mal aussehen. Bis dahin wird es aber noch einiges zu berichten geben.

Die nächsten Folgen werden sich um ein Kernthema für alle Pedal-Nerds drehen: den Bau eines Pedalboards! In einigen früheren Beiträgen, wo es hauptsächlich um die Spannungsversorgung von Pedalen ging, haben wir das Thema ja bereits angeschnitten. Nun wird es konkret. Beginnen wir mit einem einfachen Projekt: Der Konstruktion eines Pedalboards für einen cleanen Verstärker.

zielbestimmung

Die ersten Überlegungen gelten natürlich der Frage, was man mit dem Pedalboard erreichen möchte und der Klärung der Voraussetzungen – also der Frage, was dafür zur Verfügung steht. Ich habe mir mit diesem Projekt auch vorgenommen, einen Teil meiner Jugend in Erinnerung zu rufen. Zu meinen Schülerbandzeiten, Mitte der 80er, hatte ich nämlich ein Equipment, nach dem ich mir heute wieder alle Finger lecken würde.

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Und die alten Proberaumaufnahmen belegen, dass ich damals einen phantastischen Gitarrensound hatte. Mit einer Squier JV-Strat spielte ich über einen TS-808 und eine ProCo Rat sowie eine Reihe von Ibanez-Effekten der 9er-Serie (Kompressor, Chorus, Delay) in einen Fender Vibrolux Reverb aus der Silverface-Serie. Der Verstärker leistete ziemlich laute 40 Watt und klang mit seinen zwei 10er-Speakern sowohl clean als auch mit Tubescreamer oder der Rat hervorragend.

Leider hatte ich damals ein Transportproblem, dass dadurch vergrößert wurde, dass der Vibrolux ein amerikanisches Modell war und nach einem ziemlich großen und schweren Spannungswandler verlangte. Daher tauschte ich den Fender gegen einen Peavey Classic aus der VTX-Serie und die Pedale verkaufte ich, um mir mit dem Yamaha FX-500 eines der damals angesagten digitalen Multieffekte zu holen. Wer das heute liest, wird sich angesichts der Verschlimmbesserung des Equipments sicher an den Kopf fassen und ich gebe auch gerne zu, dass diese Jugendsünde wohl ihren Teil zu meiner Sammelleidenschaft beigetragen hat.

Ein Fender 65 Deluxe Reverb für phantastische Cleansounds. 22 Watt aus 2 x 6V6, 12-Zoll Jensen-Lautsprecher und 2 Kanäle. Wer Verzerrung will,
braucht aber Pedale.

eine gute basis

Als späte Versöhnung mit dieser Fehlentscheidung habe ich mir daher vorgenommen, ein vergleichbares oder zumindest pedalmäßig optimiertes Projekt zu realisieren. Da ich mir einen alten Fender Vibrolux angesichts der aktuellen Gebrauchtmarktpreise definitiv nicht mehr leisten möchte, kommt als Basis ein Fender 65 Deluxe Reverb Reissue in Frage. Der ist mit seinen 20 kg auch deutlich rückenfreundlicher.

In Sachen Funktionalität ist der Deluxe Reverb dem Vibrolux recht ähnlich. Beide Verstärker sind als reine Clean-Amps konzipiert und wollen eigentlich gar keinen verzerrten Sound anbieten. Die Verzerrung muss daher über Pedale erfolgen. Und wie der Vibrolux, hat auch der Deluxe Reverb zwei getrennte Kanäle, die im Prinzip gleichzeitig betrieben werden können – also nicht von Verstärkerseite aus umschaltbar sind.

Beide Kanäle sind in Lautstärke, Höhen und Tiefen recht spartanisch regelbar. Der rechte Kanal hat zudem noch einen wunderbar klingenden Federhall und eine „Vibrato“-Funktion (die eigentlich ein Tremolo ist, da hier die Lautstärke und nicht die Tonhöhe verändert wird). Der linke Kanal, der mit „Normal“ gekennzeichnet ist, ist dunkler abgestimmt und verträgt sich ganz prima mit vorgeschalteten Verzerrern, der Vibrato-Kanal dagegen hat eine dauerhafte Bright-Schaltung, die zwar für einen wunderbaren Clean-Sound sorgt, Zerrsounds aber ziemlich brizzeln lässt – das klingt dann nicht so schön. Daher ist schon mal klar, dass eine Umschaltoption auf das Pedalboard muss.

das salz in der suppe

Das Projekt ist durch die Verstärkerwahl schon mal musikalisch auf Vintage-Sounds festgelegt und soll für Blues und Rock eingesetzt werden. Das sollte man bei der Auswahl der Pedale natürlich berücksichtigen. Die Verwendung digitaler Multieffektgeräte oder Hi-Gain-Monster-Verzerrer kommt daher erst gar nicht in Frage, der Fokus wird auf alten analogen Effekten liegen. Natürlich sind erst mal mehrere Verzerrer gefragt.

Ein Tubescreamer ist schon mal gesetzt. Erstens, weil sein Eigensound gut zum Fender passt und zweitens, weil ich mit dem TS gerne andere Verzerrer für mehr Gain bei Solo-Passagen befeuere. Daneben sollen auf jeden Fall noch ein Distortion und ein etwas moderner klingender Verzerrer für Abwechslung sorgen. Neben den Verzerrern hätte ich gerne noch ein Delay und ein oder zwei Modulationseffekte zur Verfügung. Auch ein WahWah und ein Octaver könnte ich für den einen oder anderen Song gut gebrauchen und auf ein Stimmgerät möchte ich natürlich nicht verzichten.

Als Board kommt ein altes Case aus den späten 80ern zum Einsatz, das auch in Größe und Format wunderbar zu dem Vintage-Projekt passt. Es bietet Platz für bis zu zehn Effekte samt WahWah, die in zwei Reihen hintereinander angeordnet werden können. Beim Transport ist die Soundzentrale bestens geschützt und für den Auftritt nach Abnehmen des Deckels und der Verkabelung von Strom, Ein- und Ausgangskabeln direkt einsatzbereit.

wer die wahl hat …

Die „kleine“ Tubescreamer-Auswahl macht die Entscheidung nicht leicht.

Meine Entscheidung, einen Tubescreamer auf das Board zu setzen, war sicherlich leichter gesagt als getan. Denn in meinem Fuhrpark tummeln sich mittlerweile eine ganze Menge Tubescreamer. Nach intensiven Tests durfte dann der TS9 auf das Board, der sich gegen meinen Eigenbau (zu weich und glatt!) und gegen Kollegen, wie z. B. den Excalibur Tonescreamer, den TS10 und den TS 7 (jeweils zu rau) klar durchsetzen konnte.

Nur der alte TS5 gefiel mir noch einen Tick besser. Der viel aber raus, weil ich ihn nicht vernünftig anschließen konnte: Der Stromanschluss an der Kopfseite ist einfach zu eng an der Eingangsbuchse. Das Umtopfen der TS-5- Platine in ein vernünftiges Gehäuse wäre mal ein „Rehousing“-Projekt wert.

Für den zweiten Verzerrerplatz auf dem Board bewarben sich die ProCo Rat und der Marshall Guv’nor aus der ersten Serie. Hier machte der Guv’nor knapp das Rennen. Vor dem Deluxe klang der Guv’nor noch etwas rotziger und aggressiver als die Rat und bekam daher den Job als Distortion. Allerdings gefiel mir mein Nachbau in dem James-Bond-Design (Was ist noch britischer als ein Marshall?) einen Tick besser – zumal in dem Gehäuse noch ein Orange-Squeezer Kompressor Unterschlupf fand, den ich zur Betonung von Cleansounds gerne einsetze.

Darüber hinaus kann der Kompressor hinter dem Verzerrer auch als Soloboost missbraucht werden. Gegen so viele Argumente konnte der originale Guv’nor nichts mehr einwenden.

Guv’nor oder Rat lautet die Distortion-Frage. Das Rennen macht „James Bond“: ein Guv’nor-Klon mit OSQ-Kompressor.

Besonders schwierig war die Suche nach dem dritten Verzerrer, der etwas moderner klingen sollte – also einen kräftigeren und glatteren Klang als der Guv’nor bieten soll. Letztlich blieben hier der Tonefreak Severe, der Bleeding Cowboys PE und der Boss Blues Driver übrig. Ich gebe gerne zu, dass der Blues Driver den Platz auch aus optischen Gründen bekam. Was wäre das für ein Board – ohne ein einziges Boss-Pedal?

Den Rest der Pedale suchte ich mit deutlich weniger Akribie aus. Mein Lieblings-Delay, ein PT-80-Bausatz von uk-electronic mit Tap-Tempo-Funktion, war gesetzt. Die beiden Modulationseffekte wurden in Erinnerung an mein Jugendboard mit einem Chorus und einem Flanger aus der Ibanez 9er-Serie belegt. Das Wah-Wah, ein Eigenbau auf Basis des Ibanez WH-10, bekam wegen seines weicheren Sounds den Vorzug vor einem Cry Baby.

Das Stimmgerät aus der Gut-und-Günstig-Ecke durfte wegen seiner True-Bypass-Funktion auf das Board und der Octaver bekam seinen Platz, weil ich irgendwie an dem fetten und weichen Analog-Sound des polnischen 90er-Jahre-Pedals hänge.

Der dritte Platz war heiß umkämpft. Im Finale landeten der vielfältige Tonefreak Severe, der runde und kräftige Plexi-Sound-Spezialist Bleeding Cowboys PE und der Sieger: ein Boss-Blues Driver mit Keeley-Mod.

die stromfrage

Besondere Anforderungen an ein Netzteil stellt das Board eigentlich nicht. Alle Effekte liegen in einer Reihe und es sind auch keine stromhungrigen Digitalos dabei. Der Gesamtbedarf des Boards liegt bei gerade mal 130 mA bei ausgeschalteten Effekten und bei 160 mA, wenn alle Effekte eingeschaltet sind. Der Löwenanteil entfällt dabei auf das Delay, das wegen seines PT2399-ICs immerhin 40 mA haben möchte. Im Prinzip könnte hier ein Steckernetzteil mit Daisy Chain schon ausreichen.

Um aber ein bisschen Ordnung zu schaffen, darf ein Netzteil der Billigmarke Belcat ans Werk, das mir erst kürzlich über eine Kleinanzeige günstig zugelaufen ist. Um es gleich vorweg zu nehmen: Das Belcat macht seinen Job ganz prima. Das Netzteil besteht aus einem Steckernetzteil, das 15 Volt mit ausreichend fetten 1 Ampere an einen Verteiler liefert. Der Verteiler bietet 10 Ausgänge, von den acht absolut exakt saubere 9 Volt liefern und zwei Ausgänge von 6 bis 12 Volt regelbar sind. Die Ausgänge sind allerdings nicht isoliert, sondern hängen alle an einer Masse – was aber für die Ansprüche meines simplen Pedalboards auch völlig ausreicht.

So! Nachdem nun klar ist, was alles auf das Board soll, können wir uns über die Reihenfolge und die Verkabelung des Pedalboards in der nächsten Ausgabe Gedanken machen.

Es muss nicht immer Kaviar sein: Die einfache Stromversorgung von Belcat genügt hier voll und ganz. Der Strombedarf des gesamten Boards liegt bei gerade mal 130 – 160 mA. Isolierte Ausgänge sind angesichts der Standard-Effekte, die alle in Reihe geschaltet sind, nicht notwendig.

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2019)

Produkt: Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Im Test: J. Rockett Uni-Verb +++ G&L Fullerton Deluxe LB-100 +++ Dowina Albalonga GACE HiVibe +++ Nik Huber Bernie Marsden Signature +++ Fender Acoustasonic Player Telecaster +++ Gibson Dave Mustaine Signature Flying V +++ Börjes JB-Custom 5 DLX-Multiscale +++ EarthQuaker Devices Ghost Echo by Brain Dead +++ Blackstar St. James 50/EL34 112 Combo +++ Harley Benton Double Pedal Series

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