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Hot Rod Mod: Kopfhörerverstärker

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(Bild: Marc-Oliver Richter)

Ich habe schon ein wenig länger überlegt, ob ich diesen Kolumnenbeitrag überhaupt schreiben soll, denn mittlerweile gibt es massig kleine Helferlein für stilles Üben auf dem Markt. Vom einfachen Headphone-Amp bis zum Mini-Effektgerät, das noch die passenden Zerrsounds mit Chorus und Delay parat hält, sollte es mittlerweile für jeden Geschmack und für jeden Geldbeutel etwas zu kaufen geben.

Und digitale Multieffektbords bieten in der Regel auch einen Kopfhörerausgang. Also warum sollte man sich noch die Mühe machen, einen Kopfhörerverstärker selbst zu basteln? Nun, weil der Reiz des DIY eben gerade darin liegt, nicht einfach zu kaufen, sondern selbst zu bauen. Das klingt dann auch meist – zumindest in den eigenen Ohren – viel besser 😉

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FETTER SOUND AUS KLEINER KISTE

Von der heutigen Marktfülle an Kopfhörerverstärkern und generell den Möglichkeiten leise zu üben, konnte man früher nur träumen. Erst zu Beginn der 80er-Jahre begann die Ära der Headphone-Amps – aber dann gleich mit einem Paukenschlag: 1982 brachte Tom Scholz, der Songwriter und Gitarrist der US-amerikanischen Mainstream-Rockband Boston, den Rockman auf den Markt. Tom Scholz war nicht nur Musiker sondern auch begeisterter Techniker und damals bereits bekannt dafür, ewig an seinen Sounds zu feilen. Wie gut ihm das gelungen ist, kann man an der Gitarrenarbeit auf „More Than A Feeling“ gut nachvollziehen. Der fette und mächtige Gitarrensound wurde ein „Industriestandard“ der 80er und Zielvorgabe nicht weniger nachfolgender Gitarristen.

Der Tom Scholz Rockman war als Übungsverstärker gedacht, klang aber so gut, dass er auch die Bühnen der 80er-Jahre eroberte.

Der Rockman, den Tom Scholz entwickelte, war deutlich vom tragbaren Sony-Walkman-Kassetten-Player inspiriert und bot mit seinem Westentaschenformat und Batteriebetrieb den perfekten Partner zum Walkman. Der Sound, der aus der kleinen Kiste herauskam war damals eine Sensation! Vor allem der stark komprimierte und fette Distortion-Sound traf den Nerv der Zeit und erfüllte die Soundwünsche einer ganzen Generation. Einige nahmen das Teil sogar mit auf die Bühne und hatten den Chorus- geschwängerten mächtigen Zerrsound ohne viel Aufwand und auch bei kleinen Lautstärken parat. Viel regeln konnte man an dem Rockman nicht.

Er stellte vier Sound-Presets zur Verfügung: zwei Clean-Sounds, einen leicht verzerrten und einen stark verzerrten Distortion-Sound. Bei allen Presets konnte man entweder den integrierten Chorus- oder Echo-Effekt wahlweise abschalten. Heute würde man dem Rockman vielleicht die mangelnde klangliche Flexibilität und Transparenz vorwerfen, damals war das eher kein Thema.

MACH MAL LAUTER – ABER LEISE!

Nein, ein Rockman-Klon soll das heutige Projekt nicht werden. Das wäre etwas zu komplex. Aber ein kleiner batteriebetriebener Kopfhörerverstärker wäre schon praktisch. Einsatzmöglichkeiten dafür gibt es genug: Neben dem leisen Üben für Gitarristen und Bassisten, könnte man das Gerät auch als In-Ear-Monitor-Verstärker nutzen oder seinem zu schwachen Kopfhörerausgang am Handy etwas auf die Sprünge helfen.

Die Effekte, die Tom Scholz in seinen Rockman reingepackt hat, will ich auch gar nicht integrieren. Mein Kopfhörerverstärker soll einfach nur möglichst klangneutral aber wohlklingend lauter machen. Wenn ich mit Verzerrung, Chorus oder Delay üben will, schalte ich einfach ein paar meiner Lieblingspedale und eine Lautsprechersimulation vor den Headphone-Amp.

Die kompakte C-Moy-Schaltung würde auch in kleineren Gehäusen genug Platz finden. (Bild: Marc-Oliver Richter)

Aus den vielen Bauanleitungen, die für derartige Projekte in den Tiefen des Netzes schlummern, sticht ein Projekt besonders heraus. Der ‚C-Moy Headphone Amp‘ hat es sogar bis in Wikipedia geschafft. Die Klangqualität der unkomplizierten Schaltung ist aber auch wirklich gut und mit den wenigen Bauteilen hat man den Kopfhörerverstärker auch schnell zusammen. Entwickelt wurde der C-Moy von Pow Chu Moy, der sein Projekt auf der Internetseite www.headwize.com vorstellte und im dortigen Forum diskutieren ließ.

EINFACH ABER GUT!

Der C-Moy kommt mit ganz wenigen Bauteilen aus. (Bild: Marc-Oliver Richter)

Kern der C-Moy-Schaltung sind hochwertige Operationsverstärker, wie z. B. die Burr Browns OP-Amps. Es funktionieren aber auch viele andere ICs in der Schaltung. Unsere für Verzerrerschaltungen gerne genommenen TL072 und Kollegen sind allerdings weniger zu empfehlen. Da der Operationsverstärker direkt einen Kopfhörer, antreiben soll, muss er schon etwas mehr auf dem Kasten haben, als unsere Wald-und-Wiesen-ICs. Die OP-Amps der Burr-Brown-Serie OPA132 bzw. OPA134 (oder die Dual-OP-Varianten OPA2132 oder OPA2134) können bis zu 36 Volt Betriebsspannung ab (+18/-18) und liefern dabei noch bis zu 40mA Ausgangsstrom. Genug, um für Kopfhörer mit höheren Impedanzen (z. B. 600 Ohm) ausreichende Wirkung zu erzielen. Bei Kopfhörern mit niedrigen Impedanzen, wie z. B. Beyer DT-Modellen oder den AKG Hörern K301/401/501, erreicht man schnell trommelfell-gefährdende Lautstärken, wenn man den C-Moy mit hohen Betriebsspannungen anfährt.

Schaltplan für einen einkanaligen C-Moy. Statt eines Potis ist hier noch eine zweistufige Lautstärkeschaltung vorgesehen. Wer lieber stufenlos regeln möchte, sollte statt R1 ein Poti (10K – 50K) einbauen.

Die Originalschaltung ist einkanalig, was für meine Zwecke auch ausreicht. Für Stereo-Anwendungen wird die C-Moy-Schaltung gedoppelt. Hier empfiehlt es sich dann, einen Dual OP-Amp zu verwenden (z. B. OPA 2134). Jede Menge Layouts für verschiedene CMoy-Schaltungen findet man im Internet unter dem Suchbegriff „C-Moy Layout“. Eine ausführliche und reich bebilderte Bauanleitung gibt es z.B. hier: www.gitarrebass.de/c-moy. Und auch über die Bildersuche kommt man schnell zu Streifenraster- oder Lochraster-Layouts.

SPANNUNG!

Schaltplan der C-Moy-Spannungsversorgung:

Dann wäre ja nur noch die Stromfrage zu klären. Als mobiler Kopfhörerverstärker soll sich mein C-Moy mit einem gewöhnlichen 9-Volt-Block begnügen. Die Schaltung zur Spannungsversorgung ist nicht besonders aufwendig. Interessant ist, dass die Schaltung mit einer virtuellen Masse arbeitet. Die 9V der Batterie werden mit Hilfe der Widerstände R1 und R2 in -4,5V und +4,5V aufgeteilt, um den OP-Amp an den Pins 4 und 7 zu versorgen. Die 220 uF Elkos dürfen auch gerne größer ausfallen (z. B. 330 uF).

Der Stromschalter und die LED sind bereits verkabelt. Die Masseverbindung der LED fehlt noch. (Bild: Marc-Oliver Richter)

Je größer der Wert, desto besser − irgendwann setzt dann halt die zunehmende Baugröße der Elkos Grenzen. Als Ein/Aus-Schalter genügt ein einfacher SPST-Switch. Besonders kompakt sind Mini-Schiebeschalter, aber Kippschalter haben auch ihren Reiz. Auf eine Kontroll-LED würde ich keinesfalls verzichten, auch wenn sie etwas Strom benötigt. Hier kann man dann aber mit einer Low-Current-LED und einem hohen Vorwiderstand (R1) den Verbrauch gut in Grenzen halten. Da der C-Moy eh sparsam mit der Batterie umgeht, bietet die LED deutlich mehr Vor- als Nachteile.

Ein C-Moy im leichten und kompakten Plastikgehäuse – vielleicht nicht so schön, aber praktisch für unterwegs!

Besonders kreativ kann man bei der Gehäusewahl sein. Im Internet tummeln sich Beispiele wie C-Moys in die verschiedensten Kästchen verbaut werden. Da sind meine beiden Beispiele richtig langweilig und bieder. Hier kann man seiner Kreativität freien Lauf lassen.

Ein Layout für eine Mono-Version des C-Moy mit einem OPA134. Die Werte der Kondensatoren sind C1: 220 nF; C2 und C3: 470 uF. Die Werte der Widerstände sind R1 27; R2: 10 k; R3 und R4: 4K7; R5 100 K und R6: 1K. Das blaue Kabel markiert den Eingang, das grüne Kabel den Ausgang. Die beiden Kabel des Batterieclips kommen an die Lötpunkte zwischen C3 und R4: der Pluspol (rotes Kabel) kommt an den oberen Lötpunkt. Die drei freien Lötpunkte im Layout ganz oben sind für ein Poti. Geeignete Potiwerte liegen zwischen 10 und 50 K linear.

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2020)

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