Workshop

Hot Rod Mod: Boss DS-2 Turbo Distortion

Anzeige
(Bild: M. O. Richter)

Angesichts der unglaublichen Vielzahl an Verzerrern, die sich mittlerweile auf dem Markt befinden, ist es durchaus nachvollziehbar, dass einem der ein oder andere verborgen bleibt, auch wenn man sich mit der Thematik intensiv beschäftigt. Die Tatsache, dass mir der Boss DS-2 Turbo Distortion bisher nicht bekannt war, gibt mir aber doch zu denken. Das Pedal ist immerhin seit 1987 auf dem Markt und bis heute im Boss-Programm zu finden.

Warum also stand und steht der DS-2 so sehr im Schatten des ausgesprochen populären DS-1? Bietet er doch mit seinen zwei verschiedenen Grundsounds schon ein Modding ab Werk und ist deutlich flexibler als sein älterer Bruder. Vielleicht hat mich der Name „Turbo Distortion“ irritiert. Das klingt nämlich irgendwie nach zu viel des Guten. Aber in Wirklichkeit ist dem gar nicht so. Als mir vor kurzem ein DS-2 zur Reparatur eines abgebrochenen Potis in die Hände kam, war ich überrascht, wie gut das Pedal klingt und wie viel Potential in ihm steckt.

Anzeige

Eigentlich sind Boss-Pedale extrem robust. Aber hier ist der Level-Poti doch mal abgebrochen. (Bild: M. O. Richter)

DER ZWEIKANALER

Mit dem DS-1 hat der Turbo Distortion technisch gesehen wenig zu tun. Während der ältere Distortion-Pionier nämlich auf einen IC als klangliches Herzstück setzt, ist der DS-2 diskret aufgebaut und arbeitet ausschließlich mit Transistoren. Aber davon verbraucht er eine ganze Menge: Die Schaltung ist komplex und füllt die große Boss-Platine voll aus.

Aus dem Bauteilemeer holt das Pedal zwei grundsätzlich unterschiedliche Distortion-Sounds heraus. Während die mit „I“ bezeichnete Verzerrung klanglich noch dem aggressiven und höhenbetonten DS-1-Sound ähnelt, hebt sich der mit „II“ bezeichnete kräftige, mittenbetonte, ja fast nasale Klang deutlich davon ab. In beiden Schaltstufen wird übrigens das Gain-Potential des DS-1 nicht erreicht – von wegen „turbo“!

Die beiden Kanäle teilen sich die drei Regler Level, Tone und Distortion. Mit dem vierten Regler wird zwischen den beiden Sounds geschaltet. Dafür kann über die Remote-Buchse auch ein Fußschalter angeschlossen werden, sodass man z. B. auch live Kanal I für den Rhythmus-Sound und den etwas lauteren Kanal II für den Solo-Sound nutzen kann. Da kommt einem doch sofort die Idee, einen zweiten Fußschalter in das Gehäuse zu bauen, um diese Funktion ohne einen separaten Fußschalter – und damit platzsparend – nutzen zu können.

Doch halt: Erst mal will ja der abgebrochene Level-Poti repariert werden!

Der Schaltplan des DS-2

SCHWIERIGE REGLERSUCHE

Einfacher gesagt als getan! Denn die von Boss verwendeten Potis sind ganz schön klein, damit sie auch zu viert in Reih und Glied auf das Bedienfeld passen. Ein normaler 16-mm-Poti ist zu groß, um den abgebrochenen Originalpoti zu ersetzen, und einen 9-mm-Poti mit eng stehenden Printanschlüssen in der 18-Zahn-Split-Kopf-Ausführung habe ich bei keinem meiner üblichen Lieferanten (Musikding, Uk-electronic, Banzai) gefunden.

In meiner Bauteile-Sammlung war allerdings noch ein kleiner CTR-Poti, der auch über die geforderten 50k verfügt – allerdings nicht mit einer logarithmischen Regelcharakteristik sondern mit einer linearen. Der Unterschied zwischen den Regelcharakteristiken von Potis besteht in der Art, wie groß der Regelweg im Verhältnis zum erzielten Ohmschen Widerstand ist. Lineare Potis regeln hier 1:1, d. h. nach der Hälfte des Regelweges ist auch der Widerstand halbiert.

Ein passendes Poti für den DS-2 ist gar nicht so leicht zu finden: das verbaute CTR-Poti passt von den Maßen, ist aber linear statt logarithmisch; der Alpha-Poti rechts ist zu dick. (Bild: M. O. Richter)

Logarithmische Potis regeln zu Beginn des Regelweges stärker und nachher weniger stark. Das entspricht eher dem, wie unser Ohr Lautstärkeänderungen wahrnimmt. Daher werden für Volume-Potis gerne logarithmische Regler verwendet.

Da der Level-Poti eines Verzerrers aber üblicherweise nicht wie z. B. ein Gitarren-Poti zum gleichmäßigen Lautstärkereduzieren in Echtzeit genutzt, sondern meist nur zum Abgleich des Verhältnisses von Bypass und Effekt fest eingestellt wird, kann man bei diesem Thema entspannt bleiben.

Die Unterschiede zwischen linearen und logarithmischen Potis sind an dieser Stelle gering. Ich finde sogar, dass der Regelweg mit dem linearen Poti nun besser ist als vorher. Die Lötarbeit war nach dem Lösen und Ausbauen der kleinen Hilfsplatine mit den Potis trivial: alten Poti ablöten, neuen Poti dranlöten, einbauen, noch vier gleiche Potiknöpfe aus der Bastelschublade – fertig!

Der Ausbau der Poti-Platine ist problemlos: einfach die Überwurfmuttern der Potis lösen. (Bild: M. O. Richter)

EIN PAAR MODS

Erstmal alles schaltbar machen und probieren, welche Mod für einen passt. (Bild: M. O. Richter)

Aber wenn der DS-2 schon mal offen ist, kann man ja seine Flexibilität gleich noch mit ein paar Mods erhöhen. Wer mitmachen will, sollte sicherstellen, dass er ein älteres Pedal hat oder auf dem Gebrauchtmarkt bekommt. Denn neuerdings baut Boss auch die alten Klassiker seines Programms in SMD-Technik – und die sind dann nahezu „unmodbar“.

Wer modden möchte, braucht ein älteres Modell mit großer Platine. (Bild: M. O. Richter)

Für ältere DS-2-Pedale (mit der großen Platine!) findet man im Internet zwar deutlich weniger Anregungen als zu seinem älteren Bruder, dem DS-1, aber ein bisschen was geht ja immer. Wie wäre es z. B. mit dem beliebten Dioden-Mod. Hier kann man beim DS-2 gleich an mehreren Stellen eingreifen: z. B. an dem Diodenpärchen D8 und D9 oder D11 und D12. Dabei wirken Änderungen an D8/D9 nur auf den Kanal I, während Eingriffe in D11/D12 beide Kanäle betreffen. Auch am Diodenpärchen D14/D15 soll man klangrelevante Änderungen vornehmen können.

Bei meinen Tests ergaben sich hier aber so geringe Klangunterschiede, dass ich keine Empfehlung ausspreche. Ab Werk werden jeweils Kleinsignaldioden verwendet (1N4148). Ein Austausch zu Power-Dioden (1N4001) oder LEDs ändert das Clipping des Pedals. Ich mag besonders das LED-Clipping, wie es z. B. auch die Guv’nor-Schaltung verwendet, um dem Marshall-Trademark-Sound möglichst nahezukommen.

Eine Empfehlung aus dem Netz besagt, D8 und D9 mit drei 1N4001-Dioden (bei D9 zwei Powerdioden in Serie) sowie D11 und D15 mit roten LEDs zu ersetzen. Damit wird gleich an drei Stellen der Schaltung ein asymmetrisches Clipping statt eines symmetrischen Clippings verwendet, um den Ton voller und kräftiger werden zu lassen.

Weitere Empfehlungen sind R57 von 4K7 auf 3K3 zu reduzieren, um mehr Bass und Kompression zu erzielen, R62 für mehr Gain von 5K6 auf 1K zu reduzieren und den Kondensator C28 von 4n7 auf 10nF zu erhöhen, um Kanal I voller klingen zu lassen.

Ich entscheide mich nach ausgiebigem Ausprobieren, einen Dioden-Mod an D8 und D9 vorzunehmen. Dazu schalte ich über eine Mini-Hilfsplatine zwei rote LEDs wahlweise zu den originalen Kleinsignaldioden. Mit den LEDs wird der Sound offener, rauer und etwas lauter.

Eine dritte Soundoption bekommt man mit einem On-Off-On-Schalter, wenn in der Off-Position gar keine Dioden mehr im Signalweg sind. Da das Diodenpärchen nur auf den Rhythmus-Modus des DS-2 wirkt, reduziert sich der klangliche Unterschied zum Mode II etwas, was mir entgegenkommt.

Außerdem verbaue ich noch den Dioden-Mod an D11/D12 mit einer gelben LED wahlweise zu der originalen 1N4148-Kleinsignaldiode für eine kräftige und transparentere Sound-Option mit einem asymmetrischen Clipping. Auch hier erhöht sich die Lautstärke deutlich, wenn die LED ins Spiel kommt.

Die LED und die Originaldiode verlöte ich direkt am Schalter und führe Litzen zur Platine. Obacht! Hier gilt es, die Einbaurichtung der Dioden zu beachten, damit die Pärchen weiterhin gegenläufig platziert sind. Die Änderung im Bassbereich über den Widerstand R57 übernehme ich auch, aber ohne sie schaltbar zu machen. Die leichte Bassanhebung gefällt mir gut, ist aber keine so lohnenswerte Änderung, um einen Schalter zu rechtfertigen. Auf die Gain-Erhöhung über R62 verzichte ich.

Last but not least rücke ich dem DS-2 nun noch brachial zu Leibe und spendiere ihm einen Fußschalter für die Umschaltung von Mode I zu Mode II. Das ist sicher nicht schön – aber praktisch! Die beiden Kabel zur Schalterbelegung entnehme ich der nun unnötigen Remotebuchse, die ich dann auch gleich entferne. Ein einfacher On-Off-Fußschalter würde genügen, mein DPDT-Schalter ist in der Tat überdimensioniert.

Nicht schön aber praktisch: Ein zweiter Fußschalter, um die beiden Modi des DS-2 zu schalten. Die Funktion des Original-Fußschalters wird dadurch übrigens nicht eingeschränkt. (Bild: M. O. Richter)

Um den Schaltvorgang durchzuführen genügt es, ein Signalkabel auf Masse zu setzen oder offenzulassen. Die Kabel begleiten die Batteriekabel vom Gehäuseinneren zum Batteriefach, in dem sich nun der neue Schalter breitmacht. Mit dem Schalter wird es für eine Batterie nun aber zu eng, so dass man auf die kabellose Stromversorgung verzichten muss.

Der Korpus des zweiten Fußschalters sitzt im Batteriefach. (Bild: M. O. Richter)

Der Schalter interagiert übrigens mit dem Drehschalter und funktioniert nur, wenn der Drehschalter in Position II steht. Den Platz der entfernten Remote-Buchse nutze ich für einen weiteren Schalter, der einen der Dioden-Mods aktiviert.

Wahrscheinlich könnte man nun immer noch das eine oder andere optimieren. Der jetzt unnötige originale Drehschalter z. B. könnte mit einem anderen Mod belegt werden, oder soll ich doch lieber den Fußschalter für einen Solo-Boost mit dem D11/D12-Dioden-Mod belegen? … Aber halt! Für heute reicht es erst mal.

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2020)

Produkt: Treble Booster Special
Treble Booster Special
Jeder Gitarrist hat wohl seinen Lieblings-Song mit einer Treble-Booster-Gitarre. Hier erfährst du auf mehr als 30 Seiten alles über den kleinen Sound Zauberer!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren