Teil 15

Homerecording: Songproduktion Teil 4 – Bass Recording

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In dieser Folge geht es um die Bassaufnahmen für unsere Rocksong-Produktion. Dafür konnte ich Oliver Poschmann an Land ziehen, dessen Bass auf dem Hit ,Bilder von Dir‘ von Laith Al-Deen oder seine Arbeit auf ,Kennzeichen D‘ von Thomas D. nur ein kleiner Ausschnitt seiner Bio sind. Für unseren Song hat er sich nicht nur die Mühe gemacht, verschiedene zur Auswahl stehende Bass-Tracks in seiner Zweitwohnung in London aufzunehmen, sondern er hat zur Erklärung der Aufnahmen und seiner Vorgehensweise gleich noch einiges Interessantes zu Papier gebracht.

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Aus diesem Grund gebe ich für diese Ausgabe an Oliver ab, und melde mich nur zwischendurch kurz zu Wort … Oliver Poschmann: „Für Bass-Recording verwende ich meistens zwei Signale, so wie auch in diesem Fall. An erster Stelle steht ein cleanes, unbearbeitetes Signal, für das ich Röhren-D.I.-Boxen bevorzuge. Hier in England habe ich die A-Design „REDDI“ dabei, die einen sehr warmen, vollen Ton bietet.

In meinem Studio in Frankfurt verwende ich aber auch Alternativen, wie eine D-19 Tube-D.I. von Valvotronics, einen „Gascooker“ von Ridge Farm Industries oder aber auch eine hervorragende Glockenklang Bugatti Transistorvorstufe – das ist aber Luxus und Sammlerleidenschaft. Eine einzige gute D.I. Box reicht.

Als zweites Signal biete ich dann ein aufgepepptes, mitunter recht stark verfremdetes Signal an. Das ist allerdings abhängig von der vorgegebenen Musik. Da es sich bei dem hiesigen Track um die Gattung „Rock“ handelt, habe ich einen SansAmp Bass Driver D.I.-Box gewählt und diese stark in den Overdrive-Bereich gefahren, sodass das damit parallel aufgenommene Basssignal verzerrt. Zusätzlich habe ich die Präsenzen und Bässe etwas „unnatürlich“ angehoben, denn ich nutze das Parallelsignal als „komplementäres“ Signal, als Ergänzung zum Original-Signal und nicht etwa als vollwertiges „alternatives“ Signal.

Das ist ein entscheidender Unterschied im Umgang mit dem Aufnahmematerial. Schon ein minimales Untermischen des SansAmp Signals unter das REDDI Signal bewirkt so eine dezente Bereicherung des Bass-Sounds mit Obertönen und Tiefbass. Ich gehe davon aus, dass das trockene Signal aus der REDDI das Hauptsignal ist, das auch von Tom später noch beliebig weiterverarbeitet und verändert werden kann.

Unter Umständen möchte Tom das Basssignal noch einmal durch einen Amp und einen Speaker schicken (Anm. Tom: YES!), daher sorge ich in erster Linie für ein „neutrales“ Signal. Das trockene Signal ist aber meistens auch schon ausreichend, um ohne weitere Verarbeitung – außer vielleicht etwas Kompression – auf dem Track zu verbleiben. Als Audio-Interface verwende ich unterwegs das Apogee Duet und nehme in Logic auf einem MacBook Pro auf.

Als Kopfhörer verwende ich unterwegs einen Monster Beats Pro. Diese klingen alles andere als neutral, sind aber stabil, gut transportabel, sitzen fest, haben eine gute Kabelführung und ich kann damit ganz gut beurteilen, wie der Bass annähernd mit Subwoofern klingen würde. Wenn es Umgebung und Zeit gestatten, verwende ich auch gerne Lautsprecher-Mikrofonierung. Allerdings muss man hier aufpassen, keine Phasenverschiebungen zu erhalten, wenn man das Mikrofonsignal mit seinem D.I.-Signal mischen möchte.

Das heißt, man sollte schon beim Soundchecken kontrollieren, ob sich die zwei parallelen Signale ergänzen oder teilweise auslöschen. (Anm. Tom: Wobei beim Sequenzer-basierten Recording das ganze nicht so kritisch ist, da man hier die Aufnahme hinterher Sample-genau synchron zur D.I.-Spur verschieben kann … wir werden das machen.) Wenn ich ein Speaker-Signal abnehme, richte ich mich natürlich nach den Möglichkeiten und Präferenzen des Studios, bzw. Engineers. Ich habe wirklich gute Erfahrungen mit jeder Größe von Speaker zwischen 15″ und 10″ gemacht, abgenommen mit einem simplen Sure SM57.

Interessant ist auch die Abnahme des Boxensignals in ca. 1,5 m Entfernung mit einem Großmembranmikro. Da ist viel Platz für Experimente … doch Experimente kosten Zeit und somit auch oft Geld, und von daher wird dieser Form des Bass-Recordings nicht so viel Platz eingeräumt. Es ist nicht selten, dass ein Bass-Soundcheck im Studio nicht länger als zwei Minuten dauert und diese Zeit ausschließlich dem justieren der Eingangspegel gewidmet ist ….

Die viel entscheidendere Frage ist jedoch: Welchen Bass verwende ich und wie und was spiele ich überhaupt auf der Aufnahme? Um diese Frage zu beantworten, muss man sich zunächst mit der Musik vertraut machen, für die man den Bass beisteuern soll. Ich höre mir also zuerst den Song oder das Rohmaterial in Ruhe an. Im Idealfall kann man mit dem Komponisten, Künstler, Interpreten, Produzenten (Anm. Tom: alles ich jetzt hier!) darüber reden, was der Titel aussagen, bewirken soll. Wo soll es emotional hingehen? Alle Zusatzinfos können hilfreich sein.

Manchmal ist es so, dass ich schon beim ersten Hören des Titels eine direkte Idee für eine Basslinie finde, manchmal habe ich keine direkt zündende Idee und es bedarf eines allmählich fortschreitenden Findungsprozesses. Es ist wichtig, möglichst schnell mit dem Songablauf bzw. der Form vertraut zu werden, damit man seine Konzentration auf das musikalische und nicht ausschließlich formelle Element lenken kann. Schnelles ein Leadsheet anfertigen (oder schon bereitgestellt) ist oft unerlässlich.

Noch besser ist es, wenn man den Track komplett auswendig spielen kann, was dem natürlichen Musizieren am nächsten kommt. Dann ist es extrem wichtig, was mit den Drums auf der Aufnahme passiert. Ideal ist es natürlich, mit dem Drummer gemeinsam einzuspielen. So können sich beide gegenseitig inspirieren und ergänzen. Spielt man als Bassist auf einen fertigen Drum-Take wie hier, hat man nur noch die Chance zum einseitigen Adaptieren des vorgegebenen Timing- und Groove-Placements.

Auf dem vorliegenden Track spielt Boris Ehlers die Drums. Er ist einer der musikalischsten Drummer, mit denen ich je zusammenarbeiten durfte. Besonders mag ich seine gelassene Platzierung des Backbeats, die man in Deutschland nicht so häufig findet. Interessant ist für mich, dass ich – obwohl ich Boris’ Spielweise gut kenne – ein wenig Anlaufzeit brauchte, mich wieder in seine Beatplatzierung „fallen zu lassen“, da ich die letzten Jahre fast ausschließlich mit Drummern arbeitete, die den Beat eher direkt auf den Klick oder sogar leicht davor platzieren.

Es ist immer einfacher mit einer eingespielten Rhythm-Sektion zu spielen, wo es zum Symbiose-Effekt kommt, weil man automatisch das gleiche denkt und tut, wenn man zusammen spielt. Die Grundentscheidung, welchen Bass ich verwende, war schnell klar. Ein Rock-Track verlangt erst einmal nach einem P-Type-Bass. Ich hätte einen Fender Precision genommen, habe aber hier in London einen NYC Sadowsky 5-String P/J Bass dabei, der mir ebenso ideal erschien. Ich verwende dabei ausschließlich den Precision Tonabnehmer, Elektronik passiv, passive Tonblende voll aufgedreht.

Bei Rocksongs biete ich häufig zwei unterschiedliche Spielweisen an: Finger und Plektrum. So auch in diesem Fall. Ich habe also nahezu die gleiche Basslinie einmal mit den Fingern gezupft, allerdings mit einem sehr harten Anschlag, und dann als Alternative mit einem harten Plektrum in spitzer Tropfenform, um einen möglichst Attack- und Oberton-reichen Ton zu erzielen. Dafür habe ich den Drive Regler des SansAmp noch etwas stärker in die Verzerrung gedreht.

Da ich jedoch vom Rohmaterial nicht beurteilen kann, ob diese aggressive Form des Bass-Spiels (und -Ton) für das Endresultat wirklich passend sein wird, habe ich mich entschieden, einen weiteren Take mit einem anderen Bass aufzunehmen, dessen Sound sich grundlegend von dem Preci-Sound unterscheidet. Der MusicMan 25th Anniversary Bass klingt auf dem Bridge-Humbucker sehr mittig und durchsetzungsfreudig, ohne dass man aggressiv spielen muss. So wirkt er generell im Playback milder.

Zusätzlich habe ich ihn im Beat-Placement etwas weiter laid-back gespielt, was dem Track zusätzlich eine andere Stimmung verleiht. Die Qual der Wahl überlasse ich dann Tom. Ich bevorzuge meistens eine relativ hohe Saitenlage und höhere Saitenspannung. Es gibt jedoch Stilistiken, die eine flache Saitenlage und dünnere Saiten erfordern. Manchmal muss man im Studio daher sein Instrument dementsprechend neu einstellen, um die anvisierte Soundvorstellung zu erreichen.

Man muss an jedes Projekt quasi mit „zero based thinking“ herantreten und eine möglichst unvoreingenommene Betrachtungsweise einnehmen. Nur so hat man die Chance, dem neuen Titel ein möglichst volles Ideenpotential zugutekommen zu lassen. Ich gebe zu, es gelingt nicht immer, aber es ist immer erneut das Ziel.

Technisches: Meistens verwende ich D’Addario XLNickel Wound .045, .056, .080, .100, .125, Kabel von Monster.“

Nochmal vielen Dank an Oliver!!! Im zweiten Bass-Teil wird dann ein Track ausgewählt, reamped, bearbeitet und im Song eingebettet. Ja dann, viel Bass!


Alle Folgen zum Homerecording: www.gitarrebass.de/thema/homerecording

Tiefergehende Informationen zur gesamten Bandbreite der Recording-Welt gibt es auf: www.soundandrecording.de

Die Workshop- & Community-Plattform für alle Recording-, Mixing- & Mastering-Engineers sowie Produzenten: www.studioszene.de

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