Teil 32

Homerecording: Mixing – Tiefenstaffelung 2

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Weiter geht’s bei der Tiefenstaffelung! In dieser Folge kommen die restlichen für die Tiefenstaffelung in Frage kommenden Maßnahmen und Parameter dran, mit deren Hilfe man Signale im Mix gezielt zwischen vorne und hinten platzieren kann, yeah!

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Spektrale Balance

Eine weiter entfernte Schallquelle hat sowohl weniger Höhen (durch Absorption) als auch weniger Bässe (durch Beugung) im Vergleich zu einer identischen nahen Schallquelle. So brauchen Backing-Vocals z. B. einen eindeutigen Höhen- und Bass-Roll-Off, um hinter dem Hauptgesang wahrgenommen zu werden.

Der Hall selber wird wie das Direktsignal umso mittiger, je weiter entfernt die SQ ist. Auch wenn man in Hallgeräten entsprechende Parameter für den Frequenzgang findet, ist es bequemer, das Effektgerät mit einem eigenen EQ zu bearbeiten, um beim Mix schneller eingreifen zu können. Dabei ist es gut, den EQ vor dem Effekt einzuschleifen, da der Hall so in einem realistischeren Spektrum angeregt wird.

Gängige Bandpass-Einstellungen für Hall sind 200 Hz bis 10 kHz. In den Abbey Road Studios gibt es die berühmte Standard-EQ-Kurve für Hall von 600 Hz – 10 kHz. Für Drums wird oft ein früherer Hi-Cut von 6, 4, oder 2 kHz benutzt. Für den Bassanteil gilt: Je langsamer der Part, desto mehr Bässe im Hall verträgt der Track.

Kompression

Durch Kompression rückt das Signal etwas nach vorne, da Feinheiten und obertonreiche Anteile wie z. B. Ghostnotes, Atem-, „S“- oder Griffgeräusche verstärkt werden.

Re-Amping

Eine weitere Methode ist das simple „Re-Amping“. Dabei spielt man wie vor der Zeit der Hallprozessoren einen Track über einen Verstärker samt Lautsprecher ab und nimmt dies erneut mit Mikrofon(en) auf. Auf diese Weise kann man bei einem gut oder interessant klingenden Raum (Badezimmer, Treppenhaus, Wintergarten, Sauna … ) sehr einfach für authentisches Raumgefühl sorgen.

Engineers wie Bruce Swedien oder Tchad Blake investieren gerne diesen Mehraufwand, um z. B. trockene Keyboards mit echten ERs (Early Reflections) zu versehen, da künstliche ERs prinzipbedingt nur eine grobe Annäherung sein können.

Der Grund dafür liegt nicht in der Qualität der Algorithmen, sondern in der Tatsache, dass ein Hallprozessor keinen realistischen Input bekommt. Während eine Schallquelle im echten Raum rundum abstrahlt und somit unendlich komplexe, nach Raumgeometrie und Abstrahlfrequenzen gestaffelte Reflexionen erzeugt, bekommt ein Hallgerät normalerweise nur das Mikrofonsignal aus einer Richtung (samt „Filterung“ des Mikros) als Startimpuls für Reflexionen. Bei der Wiedergabe über einen Lautsprecher beim Re-Amping fehlt zwar auch das komplexe Abstrahlverhalten eines akustischen Instruments, die vom Lautsprecher kugelförmig angeregten Reflexionen ergeben dennoch einen echten Raumeindruck.

Als praktische aber „eingefrorene“ Version des Re-Amping ist nochmal der Faltungshall zu erwähnen (siehe letzte Folge), bei welchem der später kaum noch zu verändernde Raum- und Entfernungseindruck schon während der (hoffentlich nicht zu weit entfernten Mikrofonierung bei der) Erstellung der Impulsantwort festgelegt wurde. Wenn das IR aber gut zum gewünschten Distanzeindruck passt, dann ist man mit gutem Faltungshall ER-technisch ganz weit vorne.

Verhältnis Direkt-/Diffusschall

Genauso wie das Pre-Delay (PD, siehe letzte Folge) hat auch das Verhältnis zwischen Direktschall und Diffusschall einen wichtigen Einfluss auf die Einschätzung der Entfernung. Dabei muss man bezüglich des Diffusschalls unterscheiden zwischen dem Pegel der Early Reflections und dem des Nachhalls.

Bei einer nahen Quelle ist der Nachhall leiser als der Direktschall. Entfernt sich das Schallereignis, so nähern sich die Lautstärken an, bis sie im Extremfall gleich laut sind. Dieses Verhältnis geht jedoch besonders in kleineren Räumen Hand in Hand mit der Einstellung des Pre-Delays: Ist der Nachhall z. B. kurz aber genauso laut wie das Direktsignal, ergibt dies je nach PD entweder den Eindruck einer entfernten Schallquelle (SQ) in einem kleinen Raum (sehr kurzes PD), oder einer nahen SQ in einem kleinen Raum, nur mit stärkerem Raumanteil durch einen weniger absorbierenden Raum (längeres PD). Sikahirsche hingegen leben außerhalb der Brunftzeit in geschlechtlich getrennten Rudeln. Richtig, das passt grade nicht, wollte nur kurz die Konzentration checken, weiter geht’s:

Beim Verhältnis Direktsignal/ERs kann man sich schön einfach merken: Die ERs in kleinen Räumen haben immer einen recht hohen Pegel im Verhältnis zum Direktsignal während sie in großen Räumen/Sälen deutlich leiser sind.

Hallcharakter

Der eigentliche Hallcharakter wird durch viele Parameter für die ERs, Hallfahne, Diffusion usw. bestimmt. ERs klingen in kleinen Räumen (s.o.), aus nächster Nähe und in schallharten Räumen lauter und deutlicher als bei fernen SQ in gedämpften, großen Räumen.

Die Diffusion eines Halls ist aus der Ferne und in komplexen Räumen höher. Die Länge der Hallfahne steht in direktem Verhältnis zur Raumgröße und darf bei langsamen Songtempi und schmalen Arrangements länger sein ohne zu „matschen“. Diesen Parameter kann man gut nach Zählzeiten einstellen (z. B. Snare-Hall = 1/2 Note). In schnellen Songs mit dichtem Arrangement kann auch ganz auf die Hallfahne verzichtet werden und nur durch ERs oder Ambience-Programme (oder Delay, s.u.) ein Raumeindruck erschaffen werden. Oft werden auch getrennte Geräte für ERs (z. B. Yamaha SPX) und Hallfahne (Lexicon, Plate) benutzt.

Delay/Echo

Außer bei Drums und Percussion ist Delay eine brauchbare Alternative für Hall. Dem Songtempo angepasst (auch Triolen oder punktierte Noten) verbraucht es weniger Platz als Hall mit Fahne, bietet aber auch bei minimalem Anteil eine tragende Wirkung. Kurze Delays (<150ms) haben einen ähnlichen Effekt wie gedoppelte Spuren und machen dick. Mittlere Delays bis zu einer halben Sekunde geben den Hall-ersetzenden räumlichen Effekt (max. 3 Wiederholungen), wobei die Tiefenposition eher vorne ist. Um bewusst den Klang zu verfärben, werden auch extrem kurze Delays benutzt, welche am ehesten auch den Eindruck von etwas Entfernung liefern können (analog zum PD). Mit Delays lassen sich zudem diverse Spielereien veranstalten wobei der Übergang von Raum- und Klang-Effekt fließend ist:

  • 80s Standard Rock-Guitar: L 25ms, R 50ms, evtl. L & R ein paar Cent rauf und runter stimmen
  • Big Guitar: Git nur L, Delay (><80ms) nur R
  • Fat Vocals: 1/4 oder 1/8 Delay mit Bandpass filtern und nur ins Hallgerät (nicht auf die Summe) schicken

Modulationseffekte

Eine weniger vorhersehbare Möglichkeit der Tiefenstaffelung setzt auf Bewegung. Effekte wie Chorus und Flanger basieren auf kurzen Delays und können dadurch einen gewissen Räumlichkeitseindruck erzeugen. Hier hilft nur Ausprobieren.

Lautstärke Balance

Was weiter entfernt ist, ertönt leiser. Klingt banal, ist aber leider zu plump, denn dieser offensichtliche Aspekt hat für uns im Mix am wenigsten Relevanz. Beim Einstellen der Lautstärkeverhältnisse ist man ja in erster Linie an der musikalischen Balance interessiert und würde z. B. die Gitarre niemals zu leise machen, nur um sie nach hinten zu schieben, oder? Ja dann, viel Bass!


Alle Folgen zum Homerecording: www.gitarrebass.de/thema/homerecording

Tiefergehende Informationen zur gesamten Bandbreite der Recording-Welt gibt es auf: www.soundandrecording.de

Die Workshop- & Community-Plattform für alle Recording-, Mixing- & Mastering-Engineers sowie Produzenten: www.studioszene.de

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