Teil 23

Homerecording: Mixing – Kompressoren II

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So, nun kommt der Praxisteil zum Kompressor-Crashkurs der letzten Ausgabe. Der Haupteinsatz des Kompressors ist ja vordergründig die Dynamikkontrolle von Signalen. Fast noch wichtiger ist aber der Einfluss auf Klang und Charakter, der je nach Kompressor und Einstellung sehr ambivalent ist.

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Dazu habe ich ein paar praktische Anwendungen zusammengetragen, welche größtenteils auch mit Hörbeispielen belegt sind. Alle Audiofiles sind normalisiert, sodass man den Lautheitsgewinn einiger Eingriffe vergleichen kann. Bevor es aber weiter unten ans Eingemachte geht, zuerst nochmal eine allgemein gehaltene Kurzanleitung für einen musikalischen Start mit diesem gefährlichen Instrument. Denn: Gelangt ein Kompressor in die falschen Hände bedeutet dies Schreckliches! (siehe Metallica’s ,Death Magnetic‘, ganz schön krass, oder?) Also bitte aufpassen, Dynamik abschlachten ist extrem unsportlich und wird mit Kompressor-Verbot bestraft.

grundrezept (safety first!)

1). Ratio: 2:1 bis 4:1

2). Attack: Nicht zu schnell einstellen, wir erinnern uns, die Transienten gehören zu den Guten! Nur plätten, wenn sie hörbar zu hart sind. Also mittig Anfangen, und dann vorsichtig vortasten. Beschriftungen sind egal! Hörbeispiele 1 – 7

3). Release: Nach Gehör!

4). Threshold: Mittig im Geschehen. Dabei ist prinzipiell eine niedrige Gain Reduction erstrebenswert (Abgleich mit Ratio!).

5) Soft-Knee. Je dynamischer das Signal und je langsamer und „soft-knee’er“ der Kompressor, desto härter dürfen wir am Regler zupacken.

vocals

Beim Gesang ist besonders der Sitz im Mix wichtig, weshalb große Pegelsprünge nicht so gut sind, aber meistens vorkommen. Ebenso wichtig ist der optimale Klang. Ein klarer Fall also für den exzessiven aber wie immer vorsichtigen Kompressor-Einsatz. Gute Startwerte sind mittelschnelle Attack, eher schnelle Release, Soft-Knee, und wegen der meist hohen Dynamik eine Ratio von 4:1. Auch eine etwas höhere Gain Reduction ist beim Gesang üblich (bei Optos auch schon mal viel höher!).

Hörbeispiel 9 ist eine kurze Gesangspassage mit einer Variante des Vocal-Kompressor-Standards Teletronix LA2A: Dem TubeTech CL1B Plugin mit 7:1 und 7 dB Gain Reduction (Audiofile 8 ist zum Vergleich ohne Kompressor). Der TubeTech kann die Dynamik deutlich einfangen, ohne dass es unnatürlich wirkt. Er erzeugt bei dieser Einstellung (fixed, 7:1) schon starke Obertöne, was Solo vielleicht etwas zu viel wirkt, im Mix aber für Aufmerksamkeit sorgt, wie die Hörbeispiele 9 & 17 verdeutlichen.

Ebenfalls beliebt beim Gesang ist der cleanere Teletronix LA3A Opto, welcher bei satten 20 dB Gain Reduction so klingt: Hörbeispiel 10. Bei gleicher Gain Reduction tönt der Allrounder Vertigo VSC-2 (SoftMode!!!, 3 ms Attack, Auto Release) so: Beispiel 11. Beide klingen trotz dieser extremen Gain Reduction immer noch nicht künstlich und dürften beim Einbetten im Mix eine große Hilfe sein.

Zum Vergleich ein anderer Klassiker für Gesang, der Urei 1176. Chris Lord-Alge benutzt für den Gesang immer (!) einen 1176 (in der ersten Version mit noch etwas mehr Gain und Verzerrung), was im Umkehrschluss bedeutet, dass ungefähr alle großen Sänger/innen auf ihren besten Alben durch einen Urei zu hören sind. Grund genug, sich auch dieses Gerät (bzw. die Softube Variante „FET Compressor“) anzuhören: Track 12, mit 4:1 und 3 dB Gain Reduction.

Typisch für den Urei-Klang ist der dezente Präsenzschub ab 5/6 kHz und die minimale FET Verzerrung, was beides für den „shine“ im Mix sorgt. Bei den Beatles wurde dafür meist ein Fairchild 670 benutzt, welcher ebenfalls für Präsenz und Obertöne sorgt. Braucht man mehr Gain Reduction, möchte aber die Transparenz und Natürlichkeit nicht aufs Spiel setzen (was beim Gesang wichtiger ist als alles andere), gibt es die Möglichkeit der double-compression …

double-compression

Wie beim Lackieren sind auch in der Dynamik-Bearbeitung mehrere dünne Schichten besser als eine Dicke. Deshalb ist es bei sehr dynamischen Tracks nicht unüblich, zwei oder manchmal noch mehr dezent (max. 3 db Gain Reduction) arbeitende Kompressoren hintereinander zu schalten. Dabei bietet es sich an, unterschiedliche Typen zu nehmen.

Relativ verbreitet ist die Praxis, zuerst einen schnelleren Comp zum Einfangen von Peaks zu nehmen, und danach einen langsameren fürs Ganze. Track 13 zeigt den Softube FET bei 4:1, schneller Att./Rel. und 1 – 2 dB Gain Reduction (bei Peaks bis 5 dB) vor einem CL1B mit 2:1, langsamer Att./Rel. und ebenfalls 1 – 2 dB Gain Reduction. Schön oder?

Falls nun noch vereinzelte Transienten-Peaks vorhanden sind, könnte man zudem einen gut eingestellten Limiter (z. B. Waves L1) dahinter setzen, um noch etwas mehr Headroom zu gewinnen. Aber nicht missverstehen: Es geht nicht darum glattzubügeln, sondern große Dynamik im Mix kontrollierbarer zu machen, ohne dabei die Lebendigkeit zu verlieren. Deshalb bei mehreren Kompressoren hintereinander nur mit niedrigster Gain Reduction arbeiten!

In modernen Mixen mit Gitarren- und Schlagzeug-Wänden ist es schwierig genug, den Gesang nach vorne zu kriegen, da muss man schon mal höheren Aufwand betreiben. Vor lauter Komprimierung sollte aber nicht vergessen werden, dass man ja auch noch die Fader bewegen kann.

bass

Der Bass gehört neben dem Gesang zum wichtigsten Kompressor-Kunden. Glücklicherweise muss man hier (meistens) nicht viel Bohei machen, sondern: Urei drauf, ein bisschen pro forma an den Knöpfchen drehen und fertig. Tracks 14 und 15 sind ohne und mit FET bei 4:1 und 7 dB Gain Reduction. Wie bei den Vocals kommen auch hier der Präsenzschub und die zusätzlichen Harmonischen dem Sound im Mix zugute.

Bei extremeren Settings kann man das Gerät als eigenständigen Bass-Verzerrer missbrauchen, sodass auch Lemmy Fans zufrieden gestellt sind (Beispiel 16, FET, „All Buttons“ und max. Input). Röhren-Optos haben ebenfalls viele Anhänger bei der Bass-Bearbeitung. Durch ihre Trägheit sind sie immun gegen hektische Reaktionen auf tieffrequente Wellen. Zudem verleiht die Röhrensättigung Wärme und Volumen (Track 17, CL1B, 5:1).

Ab und zu steht man beim Bass auch vor kniffligen Aufgaben, z. B. beim Versuch, wohlklingende aber ausufernde Transienten-Peaks klangneutral zu zähmen. Das gelingt eventuell nur mit einem moderneren Gerät mit „Feed Forward Detection“. Nehmen wir den hart angeschlagenen Bass der Tracks 1 – 7: Der transparente Lautheitsgewinn bei den kürzeren Attack-Zeiten wäre mit den meisten Vintage Kompressoren und ihrer „Feedback Detection“ nicht zu machen.

Mit dem Vertigo (4:1, Auto Release) behält der Bass bis 0,3 ms ziemlich gut seine ursprüngliche Tonbalance bei markantem Lautheitsgewinn, was wohl durch den Soft-Knee-Charakter im unteren Ratio-Bereich zu erklären ist. Erst bei ziemlich schnellen 0,1 ms wird der „Plug“-Anteil obenrum zu heftig.

Ebenfalls potente Aspiranten für solche präzisen Eingriffe wären die Klassiker DBX160 (Feed-Forward Vorreiter von 1976, wählbar zwischen Hard- und Soft-Knee) oder ein API 2500 (wählbar zwischen Feedback und Feed-Forward). Sehr bequem zu handhaben ist das deutsche Elysia Schlachtschiff „Alpha Compressor“. Eigentlich als Mastering Tool gedacht, spricht beim CPU-freundlichen Plugin nichts gegen den ungehemmten Einsatz als klangneutrales Allround-Werkzeug (Audiobeispiel 18, 2,4:1, mit „Auto Fast“ für humanes Transienten-Fangen); Hörbeispiel 18.

drums

Uups, das schaffen wir nicht mehr. In der nächsten und letzten Kompressor Ausgabe dann also Drums, Gitarre, parallele Kompression, Buss-Kompression und Side-Chain-Tricks. Und dann ist aber auch (erst:-)mal gut mit Kompressoren. Bis dahin, viel Bass!


Alle Folgen zum Homerecording: www.gitarrebass.de/thema/homerecording

Tiefergehende Informationen zur gesamten Bandbreite der Recording-Welt gibt es auf: www.soundandrecording.de

Die Workshop- & Community-Plattform für alle Recording-, Mixing- & Mastering-Engineers sowie Produzenten: www.studioszene.de

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