Teil 1

Homerecording: Die Abhörsituation

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Die Aufnahmen sind im Kasten, das Solo war abgöttisch und den Gesang kriegt man nie wieder so hin, aber irgendwie klingt der Mix wie ein Schüler-Musical mit selbstgebastelten Klangkörpern bei der Projektwochenpräsentation?

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Auch wenn Musiker ihr Instrument und die dazugehörigen Gerätschaften manchmal gut im Griff haben, scheint die Sache mit dem Aufnehmen oft ein schwieriges Thema zu sein. Sei es aus Angst vor diesem gemeinen Computer-Dingsda, wegen vorheriger ernüchternder Erfahrungen oder wegen der Wahnvorstellung, man bräuchte viele teure Sachen, um überhaupt was vernünftiges aufnehmen zu können. Dabei war es noch nie so einfach wie heute, fast ohne Budget professionelle Aufnahmen zu machen.

Deshalb sollen an dieser Stelle ab sofort Recordingrelevante Fakten und Tipps zu finden sein. Beginnen möchte ich diese Reihe am Ende der Signalkette, bei der Abhörsituation. Hier geht es darum, dass das Aufgenommene und später Abgemischte auch objektiv beurteilt werden kann. In diesen Bereich fällt alles, was hinter den D/A-Wandlern des Audio-Interface oder des Multitrackers mit dem Audiomaterial passiert.

Da wären vor allem die Lautsprecher und deren Position, der Arbeitsplatz sowie der Raum. Das allerwichtigste aber, wahrscheinlich sogar noch wichtiger als Eddie Van Halen, ist unser hoffentlich noch vorhandenes Gehör. Ich möchte an dieser Stelle unbedingt etwas loswerden: Passt auf eure Ohren auf!

Unsere Ohren sind durch die Evolution nicht auf den Proberaum-Alltag oder Telecaster-Bridge-Pickups vorbereitet. Im Gegenteil, alles was die natürlichen Umweltgeräusche übertönt, ist für unsere Ohren auf Dauer zu viel. Man kann von Glück reden, wenn aufgrund dieser Dauerbelastung unser Hörvermögen nicht proportional zum Lebensalter abnimmt.

Wenn man dann aber noch zur Gruppe der Musiker zählt, sollte man sich unbedingt folgender Problematik bewusst sein: Einerseits brauchen wir unsere Ohren dringender als beispielsweise ein Anstreicher, andererseits werden sie überdurchschnittlich belastet. Besonders Gitarristen wissen traditionell bei Zimmerlautstärke wenig mit sich anzufangen. Aber ein Feedback im Hörgerät ist definitiv nicht so schön wie beim Marshall! Also: Gehörschutz ist was Gutes!

So, jetzt geht’s aber schon los. Erstmal kümmern wir uns um die Lautsprecher. Soviel vorweg: Kopfhörer zum Abhören und Mischen sind keine wirkliche Alternative, sondern nur eine Ergänzung, mehr dazu später. Die meisten von euch werden wahrscheinlich schon Monitore besitzen. Egal wofür ihr euch entschieden habt, wir werden versuchen, auch widrige Abhörbedingungen brauchbar zu machen. Trotzdem ist es am besten, von vorne herein so viele Unzulänglichkeiten wie möglich zu vermeiden.

Deshalb hier ein paar Überlegungen, falls jemand noch vor dem Monitorkauf steht: Ein schöner Klang ist bei Monitoren kein Kaufkriterium! Zwar macht es Spaß, mit Boxen zu arbeiten, die bei einem guten Mix auch sagenhaft toll klingen, viel wichtiger ist es aber, dass ein mäßiger Mix auch möglichst unterirdisch tönt. Darum sind HiFi-Boxen meistens keine gute Wahl. Am besten stellt man sich vor dem Boxen-Test eine CD mit u. a. einem guten und einem schlechten (selbst verbockten?) Mix zusammen.

Zudem kennt wahrscheinlich jeder das Phänomen, dass bei mancher Musik Details über Kopfhörer zu hören sind, von denen man auf der Küchenanlage überhaupt nichts mitbekommt. Auch solche Feinheiten sollten auf einer Monitorbox zu hören sein. Was auf Kopfhörern nur sehr schlecht beurteilt werden kann, sind Lautstärkeverhältnisse. Am wichtigsten ist dabei das Verhältnis zwischen Stimme und dem Rest der Musik. Auch wenn man über Kopfhörer eine Stimme wunderbar verstehen kann, kann es je nach Lautsprecher und mehr noch je nach Raum fast unmöglich sein, einzelne Wörter zu verstehen. Auch hier sollte man testen, ob zu leise gemischte Stimmen auch wirklich schlecht (nicht gut!) verständlich sind.

Als nächstes können wir uns Gedanken über die Monitoraufstellung machen. Ideal ist es, wenn die Boxen mindestens einen halben Meter von Seiten- und Rückwand entfernt stehen. Zudem sollte man sie im Raum möglichst symmetrisch aufstellen um mit dem eigenen Kopf ein gleichseitiges Dreieck zu bilden. Je höher eine Frequenz ist, desto gerichteter wird sie abgestrahlt. Deshalb ist es sinnvoll, die Boxen so zu stellen, dass die Hochtöner sowohl horizontal als auch vertikal genau aufs entsprechende Ohr gerichtet sind.

Dabei ist es eine gute Idee, die Boxen schräg von oben oder unten strahlen zu lassen, um Reflexionen vom Arbeitsplatz zu minimieren. Auch sonstige störende Reflexionen lassen sich durch Erkennen einfacher akustischer Zusammenhänge sowie dem Spaß am Möbelrücken und dem Zumauern von Fenstern vermeiden. Wer es ganz genau haben will, kann sich im Internet schlau machen, wie er die Nachhallzeit seines „Regie“-Raumes misst. Diese sollte zwischen 300 und 400 Millisekunden sein, und kann ggf. mit einfachen Maßnahmen verändert werden. So ambitioniert müssen wir aber eigentlich gar nicht sein, da ein durchschnittlicher Raum mit normaler Möblierung meist im grünen Bereich liegt.

Auch sonst ist es nicht dramatisch, wenn einige dieser „Vorgaben“ nicht eingehalten werden können. Schließlich betreiben wir „nur“ Homerecording und man muss hier nicht alle Studio-Standards überbewerten. Außerdem werden wir mit etwas Erfahrung unsere nicht perfekte Studioumgebung bald so gut kennen, dass wir dennoch etwas dem allgemeinen Konsens Zuträgliches produzieren können.

Zuletzt sei unsere akustische Wahrnehmung erwähnt, welche als Psychoakustik ein ganzes wissenschaftliches Teilgebiet einnimmt. An dieser können wir zwar wenig ändern, aber es ist trotzdem nützlich einige Zusammenhänge zu kennen. So wird ein fest definierbarer Schalldruck subjektiv unterschiedlich wahrgenommen je nach Frequenzbereich, Bandbreite und Schalldauer.

In der Praxis kann man sich vereinfacht merken, dass bei niedrigen Abhörlautstärken tiefe und hohe Frequenzen weniger gut wahrgenommen werden als mittlere Frequenzen. Noch praktischer zu wissen ist es, dass das Gehör bei ca. 80 bis 90 dBspl am linearsten funktioniert. Das ist für eine dauerhafte Beschallung allerdings wieder ungesund, weswegen man beim Mischen eines Songs generell bei moderater Lautstärke (max. 65 dBspl) bleiben sollte, und nur zwischendurch bei besagter hoher Lautstärke kurz den Mix auf Bass- und Höhenbalance kontrolliert. Soweit erst mal!


Alle Folgen zum Homerecording: www.gitarrebass.de/thema/homerecording

Tiefergehende Informationen zur gesamten Bandbreite der Recording-Welt gibt es auf: www.soundandrecording.de

Die Workshop- & Community-Plattform für alle Recording-, Mixing- & Mastering-Engineers sowie Produzenten: www.studioszene.de

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