Teil 3

Gitarre lackieren – Selbstgemacht: Politur & Aging

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Wir sind in der letzten Phase unseres Projekts angelangt, in der wir die in den vorangegangenen Kapiteln erläuterten Schritte abschließen und letzte Feinarbeiten machen werden.

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Doch zunächst eine kurze Zusammenfassung: In der ersten Phase haben wir das Polyurethan-Finish der Gitarre restlos entfernt, sodass das Holz ohne jegliche Beschichtung vorlag, um später die Poren zu versiegeln und mit den Lackierarbeiten zu beginnen.

Der dritte und letzte Artikel dreht sich um die Politur der bereits lackierten Oberfläche, die im Anschluss mit unserem hauseigenen neuen Nitrolack ohne Weichmacher namens „Golden Age“ überzogen werden soll. Damit wollen wir einen Vintage-Look erreichen, der Fender- und Gibson-Instrumenten aus den 50er- und 60er-Jahren ähnelt.

OHNE WEICHMACHER?

Was unterscheidet überhaupt alte Nitrolacke von aktuell noch hergestellten Nitro-Beschichtungen? In den 1960er-Jahren wurden an das verwendete Nitro-Finish – wie an so ziemlich jede andere Art von Lack oder Produkt aus dieser Zeit – nur geringere Anforderungen in Bezug auf Langlebigkeit und Widerstandsfähigkeit gestellt. Im Jahr 2023 erwarten wir ganz andere Standards. Darum gab es damals auch keine Weichmacher in der Zusammensetzung der Lacke, was sie unter anderem weniger elastisch machte und bei plötzlichen Temperaturschwankungen zu Rissen auf der Oberfläche führte.

Das liegt daran, dass sich Holz bei solchen Schwankungen ausdehnt und zusammenzieht, wobei Nitrolacke der alten Schule unweigerlich brechen. Aus diesem Grund wurden Lacke im Laufe der Jahre weiterentwickelt, um elastischere Finishes zu erhalten, deren Alterungsprozess später einsetzt. Für uns Gitarren-Fans gilt jedoch dasselbe wie für Autoliebhaber: Viele haben eine Vorliebe für Patina. So auch viele unserer Nitorlack-Kunden, mit denen wir auf Messen und Veranstaltungen gesprochen haben. Sie wünschen sich genau diese – technisch gesehen suboptimale – Art von Lack zurück.

Das stellte uns vor eine große Herausforderung, da es nicht ausreicht, schlicht die Weichmacher aus der Rezeptur unserer Chemikalien zu streichen. Das Produkt muss auf einer Gitarre auch richtig funktionieren, wofür einige Monate Forschungs- und Entwicklungsarbeit nötig waren. Nun verkaufen wir es unter dem nostalgischen Namen „Golden Age“.

Der „Golden Age“-Lack erzeugt gleichmäßige Risse für einen authentischen Antik-Look.

„RELIC GLOSS“ ODER „GOLDEN AGE“?

Was ist denn nun der empfohlene Lack für Vintage-Style-Gitarre? Wir wissen, dass die Art von Lackierungen Diskussionen auslösen kann. Wenn man sich für die eine oder andere Variante entscheidet, ist es wichtig, die Unterschiede zu kennen. Im Nitorlack-Programm führen wir die Produkte „Relic Gloss“ und das neue „Golden Age“.

Der „Relic Gloss“-Lack reißt etwas wilder und weniger gleichmäßig.

Zunächst einmal sollte man wissen, dass „Relic Gloss“ zwar auch einen Risseffekt erreicht, aber dennoch Weichmacher enthält und eine völlig andere chemische Zusammensetzung hat als „Golden Age“. Das neue Produkt wurde monatelang von verschiedenen Fachleuten aus der Branche getestet, und wir sind gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass es sich sehr gut für authentische Vintage-Looks eignet.

„Golden Age“

Zum Vergleich: Die Relic-Variante bricht sogar leichter auf und muss in vielen Fällen nicht einmal Kälte ausgesetzt werden, um Crackle-Linien zu erhalten. Beim „Golden Age“-Nitro dagegen empfehlen wir sogar eine Kältebehandlung, um überhaupt eine Rissbildung zu erreichen, denn ohne treten schwerlich erste Brüche auf.

„Relic Gloss“

Wir haben außerdem festgestellt, dass der Glanzgrad ohne Weichmacher ähnlich oder sogar höher ist. Einige der Fachleute, die das Produkt getestet haben, verwendeten es auch als Ersatz für ein Hochglanz-Finish. Und obwohl „Golden Age“ aufgrund seines hohen Glanzes als TopFinish eingestuft wird, kann es auch als Versiegelung (aka Sealer) verwendet werden. Zudem ist die Geschwindigkeit, mit der das Finish altert und eine gelbliche Färbung annimmt, beim neuen Lack besser. Die mit dem weichmacherfreien Nitrolack erzeugten Riss-Linien sind feiner und folgen alle der gleichen Form (horizontal). Bei der Relic-Variante hingegen sind die Linien dicker und verlaufen anders (siehe Fotos).


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EMPFEHLUNG

Möchte man eine aggressiv aufbrechende Oberfläche, sollte man zu Relic greifen, ist man eher auf einen natürlichen Effekt aus, der einer echten Vintage-Gitarre nahekommt, ist man mit „Golden Age“ besser beraten. Dieser Nitrolack ist deshalb nicht besser als unsere übrigen, nur anders. Wie immer geht Probieren über Studieren! Also los: Im folgenden Tutorial verpassen wir der fertig farbig lackierten Oberfläche unserer Gitarre ein weichmacherfreies Finish.

SCHRITT 1: LACKIEREN UND POLIEREN

Wir beginnen mit dem Auftragen von drei bis vier Schichten Lack. Dabei starten wir mit dem Lackieren der Korpuskanten und fahren dann mit der Vorder- und Rückseite fort. Es ist wichtig, den Lack gleichmäßig und in linearen Bewegungen aufzutragen, die einem kontinuierlichen Bewegungsmuster folgen. Der Abstand beim Sprühen sollte etwa 25 cm betragen. Für ein optimales Ergebnis sollte man den Lack bei 15 bis 25 Grad Temperatur verarbeiten.

Zwischen den einzelnen Lackiergängen sollten immer 12-24 Stunden liegen, außerdem muss jede Schicht vor dem Lackieren angeschliffen werden. Man beginnt mit p800-Schleifpapier um Unebenheiten zu entfernen. Am Ende schleift man mit 1500er- und 2000erPapier die letzten Schichten. Für den abschließenden Trocknungsprozess sollte man sich 10-15 Tage Zeit nehmen. Erst dann kann man mit Polituren wie „Rhyno“ oder „Mirka Polarshine 10“ die Oberfläche bearbeiten, um noch etwas Glanz rauszuholen – dieser Schritt ist aber optional.

Mit einem Polieraufatz für die Bohrmaschine kann man hier schon gute Ergebnisse erzielen. Für alle die nicht möchten, dass ihre Lackierung Risse bekommt, ist die Reise hier schon zuende. Aging-Aficionados dagegen können nun mit dem Relicing-Prozess fortfahren …

SCHRITT 2: RELICING

Sobald die 10-15 Tage vergangen sind, legen wir die Gitarre für 12-24 Stunden bei einer Temperatur von -20 Grad in den Gefrierschrank. In diesem Prozess schrumpft das Holz und der unelastische Nitrolack bricht. In dem Moment, wenn die Gitarre gerade frisch aus dem Gefrierschrank kommt, sind die Crackle-Linien besonders offen, und wir können die Gelegenheit nutzen, sie zu markieren und hervorzuheben. Ohne diesen Schritt bleiben die Linien sehr dezent und sind bei bestimmten Lichtverhältnissen kaum sichtbar. Um die Linien zu highlighten, reiben wir eine fast beliebige schwarze Paste in die Risse ein. Man kann hier z. B. auch Abschirmlack nutzen oder Judea Bitumen.

Wichtig ist vor allem, dass keine lösungsmittelhaltigen Stoffe verwendet werden, da diese die Oberfläche angreifen würden. Mit einem Tuch verteilen wir das Produkt auf der Lackoberfläche und entfernen danach den gesamten Überschuss. Man kann den Abkühlungsprozess übrigens mehrere Male wiederholen, wenn man eine stärkere Rissbildung erreichen möchte.

Noch ein Tipp: Dort, wo wir leicht auf die Oberfläche klopfen und den Nitrolack aufbrechen, laufen die Haarrisse zusammen. Auf diese Weise kann man gezielt mehr Risse in einem bestimmten Bereich erzeugen. Das kostet natürlich etwas Überwindung, aber so lässt sich das Ergebnis gut steuern.


(Bild: Martínez & Parreño)

DER AUTOR

JOSE PARDO MARTÍNEZ (l.) arbeitet zusammen mit seinem Partner RUBEN PARREÑO (r.) bei der 2012 gegründeten spanischen Firma Nitorlack, die sich auf Vintage-Lacke in den Originalfarben von Fender und Gibson spezialisiert hat.


BEI PROBLEMEN ODER UNKLARHEITEN IM REFINISHING-PROZESS STEHEN WIR AUF UNSERER WEBSITE WWW.NITORLACK.COM/EN AUCH PERSÖNLICH FÜR HILFE ZUR VERFÜGUNG.

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