Sattel die Tele

G&B-Basics: Gute Stimmung für die Telecaster

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(Bild: Udo Pipper)

Wir Tele-Spieler befinden uns in einem Dilemma – wir wollen zum einen nicht auf die Messing-Saitenreiter der traditionellen Tele-Brücke verzichten, zum anderen müssen wir uns mit Intonationsproblemen herumschlagen.

Diese alten Messing-Böckchen sind einfach besser als alle anderen Systeme, die Fender und andere Firmen in der Vergangenheit gezeigt haben. Denn diese großen Teile bedeuten mehr Masse, die sich positiv auf Output, Sustain und Ton der Gitarre auswirkt. Und außerdem üben zwei Saiten pro Saitenreiter einfach mehr Druck auf den Korpus aus, so dass die Schwingungen der Saiten konkreter übertragen werden.

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Aber die mangelhafte Intonation ist genauso wie der gute Sound systembedingt. Denn wenn zwei Saiten auf einem Böckchen aufliegen, ist eine genaue Einstellung der Intonation pro Saite einfach nicht möglich. Bis ich dahinter kam, dass dies auch gar nicht unbedingt sein muss, vergingen ein paar Jahre.

Bis vor kurzem dachte ich immer noch, dass eine Gitarre dann richtig gestimmt ist, wenn der Flageolett-Ton am XII. Bund mit dem gegriffenen Ton des XII. Bundes übereinstimmt. Aber meistens stimmen diese Töne eben nicht überein, jedenfalls nicht auf meiner mit normalen Vintage-Saitenreitern bestückten Tele. Ich habe nun eine Methode entwickelt, diesem Problem beizukommen und dabei zufällig nebenbei einige andere Probleme lösen können.

Zuerst muss die Einstellschraube für die Oktavreinheit des mittleren Saitenreiters so eingestellt werden, dass der gegriffene Ton am XII. Bund der D-Saite ein wenig tiefer erklingt als der Flageolett-Ton am XII. Bund. Nun prüfe den gegriffenen Ton der G-Saite am XII. Bund. Er darf nur einen Hauch höher klingen als der entsprechende Flageolett-Ton. Verwende dazu am besten ein Stimmgerät. Alles klar soweit?

Jerry Donhaue
Jerry Donhaue

Jetzt kann die komplette Gitarre gestimmt werden, und zwar so, dass die offene G-Saite zwischen A-440 und A-439 Hz auf dem Stimmgerät einpendelt. Bei dem gegriffenen G auf dem XII. Bund sollte das Stimmgerät jedoch genau A440 Hz anzeigen. Die anderen Saiten können dann ganz normal gestimmt werden. Feinabstimmungen kann man am besten ohne Stimmgerät machen, indem man die E-Moll- und E-Dur-Akkorde in der ersten Lage miteinander vergleicht. Dabei sollte das Gis (G-Saite, 1. Bund) nicht mehr als zu hoch empfunden werden, wie dies meist bei normal gestimmten Gitarren der Fall ist.

Trotzdem sollte sich das offene G noch harmonisch in den E-Moll-Akkord einfügen. Ein anderes Beispiel: Klingt der A-Dur-Barré-Akkord in der fünften Lage sauber und rein, erscheint typischerweise der nächstliegende E-Akkord (5. Saite/VII. Bund, 4. Saite/VI. Bund, 3. Saite/IV. Bund, 2. Saite/V. Bund) leicht „daneben“. Die große Terz (hier: das Gis auf der 4. Saite im VI. Bund) ist der Übeltäter; sie klingt in der Regel zu hoch. Aber nach meiner Einstellung, bei der der gegriffene Ton am XII. Bund der D-Saite leicht unter dem entsprechenden Flageolett-Ton liegt, existiert dieses Problem nicht mehr.

Gelegentlich – dies ist aber von der Saitenstärke und der Härte des Anschlags abhängig – macht es auch Sinn, die tiefe E-Saite eine Idee zu tief zu stimmen. Ich selbst benutze eine .042er E-Saite und schlage manchmal sehr hart an – also stimme ich sie ein wenig zu tief. Aber das entscheide jeder für sich selbst!

Die Idee zu meinem Tuningsystem habe ich von Klavierstimmern übernommen. Würden sie zum Stimmen eines Klaviers ein Stimmgerät verwenden, dann klänge es schrecklich. So benutzt der Klavierstimmer das Stimmgerät, wenn überhaupt, nur als Referenz und stimmt das gesamte Klavier nach seinem Gehör. Dabei werden die tiefen Töne leicht höher und die hohen Töne leicht tiefer gestimmt, um eine insgesamt harmonische Gesamtstimmung zu erreichen.

Dieses Konzept habe ich auf die Telecaster übertragen, und nachdem dies dort so gut funktionierte, auch auf meiner Stratocaster angewendet. Das ganze Leben besteht aus Kompromissen, also: Check it out!


G&B-Basics

Grundwissen, Workshops, Tipps & Tricks – Die G&B-Basics geben Antworten auf die meistgestellten Fragen rund um die Themen Gitarre & Bass. Da sie immer wieder neue Leser:innen erreichen und wichtige Themen erläutern, holen wir sie regelmäßig aus dem Archiv hervor.


(erschienen im Gitarre & Bass Fender Special)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Der Artikel beschreibt kurz und zutreffend, wie eine Tele mit 3 gleich ausgerichteten Saitenreitern „tickt“. Dabei wird anschaulich beschrieben, was man dagegen machen kann. Wichtig sind auch die Hinweise, an welchen Stellen der gegriffenen Töne / Griffe welche Probleme hinsichtlich der Oktavreinheit auftreten, und zwar vor und nach den beschriebenen Maßnahmen.

    Ich möchte als seit rd. 40 Jahren mit dem Pimpen von Strats + Teles befasster Hobby-TECH einiges ergänzen:

    Eine der wichtigsten Voraussetzungen für gute Ergebnisse einer Oktavadjustierung ist eine niedrige Saitenlage. Ja, ich weiß….das wollen einige eingefleischte Telespieler nicht unbedingt haben, zumeist wegen der manchmal besseren Tonentfaltung höherer Saitenlagen. Aber es bleibt Fakt, dass jede Saitendehnung die Oktav-Ergebnisse negativ beeinflusst. Bei hoher Saitenlage werden die Saiten durch die Finger beim Runterdrücken immer stärker gedehnt, als bei niedriger Saitenlage.

    Voraussetzungen für eine gut funktionierende niedrige Saitenlage sind allerdings:
    1. Exakte Abrichtung der Bünde bei völlig gerade gespanntem Hals. Damit gehen schwere bis minimale „Dead-Spots“ raus, was gerade beim Saitenziehen elementar ist. Das mache ich übrigens bei jeder Gitarre, die durch meine Hände geht, egal ob „Neu“ oder „Gebraucht“, ja sogar in einigen Fällen auch bei teuren Custom-Shop-Gitarren, die nämlich nicht immer so toll endbehandelt wurden. Dort bin ich allerdings besonders behutsam, auch wenn Zeit Geld ist…
    2. Die Nutkerben müssen so tief wie irgend möglich gefeilt werden (selten sind sie schon am Limit vom Werk, häufig aber viel zu hoch).
    3. Der Hals muss dann wieder etwas entspannt werden
    4. Erst dann kommt die Böckcheneinstellung in Filigranarbeit – wie hier beschrieben – zum Einsatz, wobei ich es wie Klavierstimmer nur mit Referenzton mache – das Ohr muss entscheiden.
    Bei nicht so teuren Teles empfehle ich durchaus kompensierende Böckchen, mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe, weil sie die im Artikel beschriebenen Probleme nochmals eingrenzen / reduzieren.

    Ich möchte alle ermuntern, hier viel Zeit zu investieren (ich benötige für 1. Bis 3. rund 3 Stunden mit richtigem Werkzeug; für 4. meist fast eine ganze Stunde) bzw. es von einem Fachmann machen zu lassen, denn meine Erfahrung dazu ist auch, dass manchmal Gitarristen schlicht fühlen, dass die Gitarre einfach nicht harmonisch ist, und sie nicht kaufen oder zur Seite legen, ohne zu wissen, woran das liegt. Bei meinen zumeist auf Musikerflohmärkten präsentierten Gitarren ermuntere ich deshalb Interessenten immer dazu, meine Gitarren auf jeden Fall ausgiebig anzutesten, auch wenn sie gar nicht kaufen wollen. Erfahrene Gitarristen spüren dann sofort, dass nach obigen Maßnahmen eine Gitarre einfach klingt und gut ist. Vive la difference !

    Mit musikalischen Grüßen
    MrHKBlues aka gittevarii (googeln / Youtube)

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  2. Und nach welcher Regel sollen die beiden anderen Saitenreiter eingestellt werden auf dem Weg zur „wohltemperierten Tele“?
    Hier sind ja die relevanten Saitenstärken genau umgekehrt gegenüber D- und G-Saite, bei denen die D-Saite ja aufgrund ihres Saitenkerns, also ohne ihre Umspannung, die dünnere von den beiden Saiten ist.
    Viele Grüße, Bertold

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