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Blues Bootcamp: More of that Wes stuff

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(Bild: MichalV33/Shutterstock)

Na, wie haben euch die Tracks zur letzten Folge gefallen? Wie fühlt es sich an, darüber zu spielen? Mit Overdrive? Ohne Overdrive? Auf die Changes eingehen? Oder immer, wenn etwas Unbespielbares kommt, einfach mal eine Pause machen? In dieser Episode von BBC gibt es wie angekündigt wieder etwas Sologitarren-Material, diesmal über eine Akkordfolge der letzten Folge im Stile von Wes Montgomery. Aber dazu gleich mehr.

Ein stilprägendes Merkmal für den Jazz und BeBop sind halbtaktige II-V-Akkordverbindungen in Dur, die sich – wie schon in der letzten Ausgabe besprochen – nicht auf eine I auflösen, sondern chromatisch gerückt werden, und die als kleine Zellen in die Blues-Form eingesetzt werden, um für noch mehr harmonische Bewegung zu sorgen. Du findest das bei jeder der modifizierten Blues-Formen der letzten Folge. Das ist sowohl typisch für diese Ära und auch für Wes Montgomery.

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In Ausgabe 05/2023 haben wir uns ja schon angeschaut, was man über ganztaktige II-V-I-Verbindungen spielen kann. Bei den halbtaktigen II-V-Zellen ist natürlich nun die Verweildauer bei jedem Akkord nur noch halb so lang, was erfordert, dass man unter Umständen einen etwas anderen Ansatz nehmen muss, um darüber zu solieren. Grundsätzlich gelten aber natürlich alle Möglichkeiten wie bei ganztaktigen II-V(-I):

• Stammtonart/Keycenter Tonleiter spielen

• Akkordtöne spielen

• Skalen wechseln und die V alterieren

• Klischees spielen

Während man bei ganztaktigen II-V etwas mehr Zeit und dadurch mitunter die bessere Möglichkeit hat, etwas freier zu spielen, ist man meiner Meinung nach gut beraten, bei den schnellen Akkordwechseln das Denken etwas zu vereinfachen und/oder sich was zurecht zu legen.

In Beispiel 1 findest du einige Phrasen für diese Situation. Sie sind alle für eine halbtaktige II-V in C-Dur gedacht, also über Dm7 und G7. Der Vollständigkeit halber habe ich die Phrasen mit dem dazugehörenden Zielton von C-Dur notiert. Dieser fällt in der Regel aber bei unseren aktuellen Anwendungen weg. Was passiert bei den einzelnen Licks genau?

• 1a und 1b: Hier wird einfach nur die Stammtonleiter (englisch Keycenter, in diesem Fall C-Dur) gespielt, auf einem Akkordton von Dm7 und G7 angefangen und auf einem Akkordton von C geendet. Letzteres ist bei allen Licks der Fall.

• 1c und 1d: Akkordtöne von Dm7 und G7

• 1e und 1f arbeiten mit chromatischen Durchgangstönen, um beim Akkordwechsel auf einem Akkordton zu landen

• 1g zeigt ein kurzes Klischee aus der BeBop-Skala

• 1h: Über G7 spiele ich ein Bm7b5-Arpeggio, was einen G9-Sound ergibt

• 1i: Über G7 spiele ich ein Db7-Arpeggio (Tritonus-Substitution), was einen G7b5#9-Sound ergibt

• 1j und 1k: Nach einem Dm7-Arpeggio, spiele ich den guten alten Terz-b9-Klischee-Lick in zwei Richtungen.

SO U WANNA DIG DEEPER?

Du willst die Lines wirklich verinnerlichen? Dann habe ich diese Tipps für dich: In Beispiel 2 findest du das gleiche Lick wie in 1e, allerdings mit Startpunkten auf unterschiedlichen Saiten. Dies ist eine absolut empfehlenswerte Übungsstrategie – nicht nur für diese Lines, sondern für eigentlich jede Idee, egal in welchem Stil. Sie bringt dir nicht nur Kontrolle über das Lick und das Griffbrett, sondern auch über die Klangfarbe deiner Idee. Dies gilt auch besonders für traditionelles Bluesspiel.

Ich sage gerne, dass das Vokabular der Bluesgitarre eigentlich recht überschaubar ist, aber die Möglichkeiten der Artikulation und Phrasierung fast unendlich. Vielleicht ist das nicht immer mit jedem Lick oder jeder Line eins zu eins möglich. Dann nimmt man einfach den Teil, der nicht passt und modifiziert ihn leicht.

In Beispiel 3 siehst du was ich damit meine. Diesmal geht es um die Linie, die wir schon in Beispiel 1h gesehen haben. Mit dem Startpunkt auf der D-Saite, ist sie nur mit einem unbequemen Lagenwechsel zu spielen. Daher habe ich das Lick einfach am Ende leicht verändert, um dies zu umgehen. Ein weiteres effektives Konzept ist, ein Lick – so weit möglich und motorisch bequem umzusetzen – mit einem anderen Finger zu starten.

Beispiel 4 zeigt wieder die Licks von eben (1e und 1h), diesmal jedoch mit anderen Startfingern. Dies kann man übrigens mit allen Licks machen.

MOVE IT LIKE WES

Es ist auch absolut ok und klingt eigentlich sogar sehr gut, wenn man diese Phrasen, in so einer Situation wie einer Wes-artigen Bluesform, einfach nur chromatisch rückt. Man muss nicht in jeder Tonart ein neues Lick spielen. Das hat Wes damals auch nicht getan. Nicht vergessen: die Tonart wechselt ja schon sehr zügig, und daher klingt es dann gut, wenn sich die Melodie nicht ändert/wechselt. Durch die Wiederholung wirken die Licks wie musikalische Motive. Man muss nicht immer was Neues spielen. Die Wiederholung kommt beim Zuhörer gut an. Das ist einer der Gründe dafür, warum das Spiel von Wes in der Regel als sehr melodisch und eingängig empfunden wird.

In Beispiel 6 findest du ein Solo über eine Akkordfolge, die an die Changes vom West Coast Blues angelehnt ist (Beispiel 5). Das Solo enthält viele der oben angesprochenen Elemente. Eine Grundidee von Jazzimprovisation ist ja, jeden Akkord individuell zu behandeln und nur eher selten ein pauschales System über mehrere Akkorde zu spielen.

• Takt 1: C7-Arpeggio

• Takt 2: Dm7b5-Arpeggio über Bb7 – Bb9-Sound

• Takt 3: Blues Lick

• Takt 4: II-V-Lick

• Takt 5: das gleiche Lick einen Halbton nach unten gerückt

• Takt 6: II-V-Lick

• Takt 7: das gleiche Lick einen Halbton nach unten gerückt

• Takt 8: Ebm7 über die ganze II-V-Zelle, der Ab7 wird ignoriert

• Takt 9: Fmaj7-Arpeggio über Dm7 – Dm9-Sound

• Takt 10: das rhythmische Motiv aus Takt 9 wird übernommen und der G7 wird ignoriert und es wird nur Dm7 „gedacht“

• Takt 11: Cmaj7- und Eb7-Arpeggio

• Takt 12: Abmaj7-Arpeggio und G7-b9-Lick

In der Beschreibung zu den einzelnen Takten findest du, dass an manchen Stellen der V-Akkord ignoriert wird und nur der Akkord der II. Stufe „gedacht“ und ausgespielt wird. Das ist ein populäres Konzept, das auf Miles Davis‘ enormen Einfluss in dieser Zeit zurückzuführen und nicht nur bei Wes Montgomery zu finden ist. Darüber und was Pat Martino damit zu tun hat – davon handelt die nächste Episode. Vielleicht. Mal gucken. Es sei denn, ihr wollt was anderes wissen. Bis dahin, bleibt echt, das pe.

 

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2023)

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