G&B-Classics

Zu Besuch bei Dr. Jim Marshall

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Jim Marshall sorgt seit 1962 für einen himmlischen Gitarren-Sound, Seite an Seite mit etlichen Protagonisten, die seine Vision eines guten Gitarren-Amps um die Welt trugen und unsterblich gemacht haben: Jimi Hendrix, Randy Rhoads, Gary Moore, Duane Allman, John Entwistle – to name a few.

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Autor Udo Pipper hatte die Gelegenheit, Jim Marshall noch zu dessen Lebzeiten in seinem Haus zu besuchen – für ihn ein unvergessliches Erlebnis. Obwohl dieses Interview schon 17 Jahre zurück liegt, zeigt es auf beeindruckende Art und Weise, wie dieser kleine Mann den großen Rock-Sound schuf.    

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Es ist Spätsommer 1998. Jim Marshall hat gerade seinen 75. Geburtstag gefeiert. Aus seinem Unternehmen hatte er sich damals schon fast ganz zurückgezogen und seine Mitarbeit auf größtenteils repräsentative Aufgaben beschränkt. Dennoch ist er noch viel beschäftigt und seine Zeit knapp bemessen. Uns bleiben nur eine Stunde für ein Interview in seinem Lieblingsrestaurant in Milton Keynes Selbst am Londoner Flughafen Heathrow, wo man Vieles gewohnt ist, erregt die überlange Luxuslimousine, die am Terminal 1 auf uns wartet, einiges an Aufsehen. Der Chauffeur verstaut das Gepäck und hält höflich die Türen auf. Für einen kleinen Moment dürfen Uwe Halbe (Marshall- Produkt-Manager bei Musik Meyer) und ich uns wie Popstars auf dem Weg zur Royal Albert Hall fühlen. Der Zielort ist aber ein ganz anderer.

Wir fahren nach Milton Keynes in die Denbigh Road. Hier fertigt Jim Marshall seit 36 Jahren die berühmtesten Rock-’n’-Roll-Amps der Welt. Kaum fallen die schweren Volvo-Türen ins Schloss, entschwebt der imposante Rechtslenker mit dem treffenden Kennzeichen EL34 auf die Autobahn M25 Richtung Norden. Der Chauffeur gibt uns während der Fahrt freundlich Auskunft über unsere Vorgänger auf den ausladenden Rücksitzen: Slash, Eric Clapton, Eddie van Halen und Gary Moore, um nur einige Namen zu nennen. Nach einer guten Stunde erreichen wir die Marshall-Factory im weitläufigen Gewerbegebiet von Milton Keynes.

Hier herrscht Aufregung! Wir sind eine halbe Stunde zu spät. Eine Tatsache, die den extrem engen Zeitplan von Mr. Marshall „unangenehm“ durcheinander bringt. Der mittlerweile betagte Workaholic denkt längst noch nicht daran, sich in den wohl verdienten Ruhestand zurückzuziehen. Das Geschäft mit den schwarzen Stacks ist einfach noch zu spannend. Hinter dem imposanten Foyer öffnen sich riesige Produktionshallen, erfüllt von lauter Rock-Musik aus zahlreich verteilten Lautsprechern.

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Die Atmosphäre ist geprägt von vornehmer englischer Höflichkeit, denn schon kurz nach unserer Ankunft stehen Chef-Ingenieur Steve Grindrod und der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit, Steve Yelding, bereit, um uns durch die heiligen Hallen zu führen. Hier wird alles gefertigt, was den Namen Marshall trägt. Gerade dröhnt aus den Deckenlautsprechern ein Bon-Jovi-Song. Überall türmen sich in systematischer Ordnung Bauteile, unbestückte Amp-Chassis, Trafos, Röhren und Lautsprecher. Mit selbstkritischer Zurückhaltung erklärt man uns die Vorzüge des aktuellen Produktionssystems, welches die bestmögliche Qualitätskontrolle gewährleisten soll. Mit größtem Einsatz wolle man die gefürchteten Retouren von Händlern vermeiden. Sämtliche Bauteile werden mit Kenndaten versehen, um die exakte Herkunft eventueller Fehler nachvollziehen zu können. Die Führung endet schließlich im sorgsam gepflegten Marshall-Museum, in dem die gesamte Produktionsgeschichte dokumentiert wird. Neben seltenen roten und weißen Stacks sind auch einige Sonderanfertigungen zu sehen. 36 Jahre Amp-Geschichte in einem Raum!

Besonders stolz ist man auf den „Number One“, den ersten jemals gefertigten Marshall JTM 45 von 1962. Für sehr viel Geld konnte das Chassis, das nie ein Gehäuse besaß, vor einigen Jahren zurückgekauft werden. Auch einige Exemplare von Sammlern wie Aspen Pittman ruhen mittlerweile wieder in der alten Heimat. Gleich darauf steuern wir in der Stretch-Limo Richtung „Bluesbreaker House“, dem fast bescheiden wirkenden Bungalow des Firmengründers. Hier erwartet uns Jim Marshall und steigt nach freundlicher Begrüssung zu. In seinem Stammlokal „Swan“ erwartet man uns bereits. Auch hier weiß man, dass der berühmte Firmenchef großen Wert auf Pünktlichkeit legt. Am reservierten Stammtisch werden Speisekarten gereicht.

Jim Marshall sitzt direkt neben mir, vergewissert sich offensichtlich zunächst meiner Umgangsformen und flüstert schließlich mit auffallend leiser Stimme: „The duck is delicious!“ Er lächelt und verlangt von mir die Speisekarte in der sicheren Annahme zurück, dass ich seinem Rat folge. Das tue ich auch, denn wer würde dem bescheidenen, aber mit einer umso größeren Ausstrahlung ausgestatteten Gentlemen widersprechen? Natürlich folgen auch alle anderen Anwesenden diesem Rat. Während wir auf das Essen warten, fordert er mich auf, mit dem Interview zu beginnen: „Stellen Sie bitte ihre Fragen. Wir haben nicht viel Zeit.“

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Wie kamen Sie dazu, Verstärker zu bauen?

Jim Marshall: In den 50er-Jahren war ich Entertainer, Sänger und Stepptänzer. Später ersetzte ich einen erkrankten Kollegen an den Drums und bin dabei geblieben. Sie sehen also, Verstärker sind eigentlich gar nicht mein Metier. Wenn Sie technische Fragen zu den Verstärkern haben, fragen Sie lieber Steve Grindrod. Der kennt sich da besser aus. Nachdem ich die Drums einigermaßen beherrschte, wollte ich meinen Lebensunterhalt als Schlagzeuglehrer verdienen. Ich hatte bald viele gute Schüler, darunter auch Mitch Mitchell, den ich später mit Jimi Hendrix zusammenbrachte. Ich besorgte damals meinen Schülern auch die Drum-Kits und das ganze Zubehör, da man das noch nicht wie heute an jeder Straßenecke kaufen konnte. Daraus entwickelte sich schließlich ein kleines Musikgeschäft, in dem ich irgendwann auch Gitarren und Verstärker verkaufte.

Das war etwa im Juli 1960. Ab 1962 kam dann Ken Bran dazu, ein fähiger Service-Techniker, der die Reparaturen für mich erledigte. Wir führten damals Amps von Fender und Selmer, die wir leider sehr teuer einkaufen mussten. Eines Tages kam Ken auf die Idee, eigene Amps zu produzieren, um den Preis niedrig zu halten. Und das war dann die Geburtsstunde der Marshall- Amps. Ja! Ich war zunächst skeptisch und sagte zu Ken: ,OK, probier das mal aus. Ich höre mir das Ergebnis dann erstmal an.‘ Mir schwebte nämlich vor, einen richtigen Lead- Amp mit genügend Lautstärke, Dynamik und Distortion zu kreieren. Die Gehäuse baute ich damals noch selbst, während Ken zusammen mit einem jungen Ingenieur namens Dudley Craven die Schaltung entwickelte.

Ich dachte, Sie hätten zunächst den Fender Bassman kopiert.

Jim Marshall: Im Prinzip stimmt das auch. Meine Kunden waren damals vor allem Fans der Fender- Amps. Die waren aber zu teuer und zu clean. Wir wollten einen heißeren Amp. Der Bassman war der einzige Amp, der richtig viel Gain besaß. Wir wollten den Sound aber noch aggressiver und markanter machen. Also fingen wir an, mit dieser Schaltung zu experimentieren. Und so entstand im September 1962 der erste JTM-45-Prototyp, der auch drüben im Museum steht.

Welche Änderungen an der Bassman- Schaltung wurden vorgenommen?

Jim Marshall: Das waren erst nur Kleinigkeiten. Der Bassman hat in der ersten Verstärkerstufe beispielsweise eine 12AY7-Röhre mit sehr wenig Gain. Wir nahmen eine 12AX7, die sich leichter übersteuern ließ. Dann verwendeten wir britische Kondensatoren mit einem schlankeren Sound, der auch mehr „Grind“ zur Verfügung stellte. Dazu kamen noch die Trafos, die ganz anders klingen als die von Fender. Unser Amp klang schließlich heller, frischer und aggressiver als der Fender Bassman. Wir verbauten auch die robusten KT66-Röhren, später dann die EL34, wodurch sich unser Sound nochmals stärker vom Fender Bassman abhob. Außerdem arbeiteten wir schon immer mit Celestion zusammen. Diese Speaker klingen ganz anders als die amerikanischen Lautsprecher. Sie waren prägend für den markanten Marshall- Sound. Der raue Brit-Sound!

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Wie muss man sich die Produktionsräume von damals vorstellen?

Jim Marshall: Vorne der Laden, hinten die Werkstatt, in der auch gefertigt wurde. Alles sehr klein und bescheiden. Wir bauten damals etwa einen Amp in der Woche. Doch schon bald steigerte sich die Nachfrage. Und 1963 wurde aus der kleinen Werkstatt eine größere Produktionsstätte. Einer unserer ersten Kunden war Pete Townshend, den ich schon vom Säuglingsalter her kannte. Ich spielte mit seinem Vater, der ein sehr guter Klarinettist war, zusammen in einer Band. Obwohl er regelmäßig meine Amps auf der Bühne zerstörte, was ich überhaupt nicht gut fand, war er sicher dafür verantwortlich, dass wir bekannt wurden. Wir bauten auch Amps für die Tremeloes und viele andere erfolgreiche Musiker von damals.

Worin besteht die Einzigartigkeit des Marshall-Sounds?

Jim Marshall: Natürlich im Overdrive-Sound! Übersteuerte Röhren in Verbindung mit speziellen Ausgangsübertragern sind unser Markenzeichen geworden. Diesem Kurs folgen wir bis heute. Und zum Glück ist es bis heute noch niemandem gelungen, unsere Trafos und damit unseren Sound genau nachzubauen. Der Marshall- Sound wurde zum Maßstab für übersteuerte Lead-Gitarre.

Welche Gitarren wurden bei der Entwicklung der ersten Marshall-Verstärker eingesetzt?

Jim Marshall: Damals hatte ich ja überhaupt keine Ahnung von Gitarren-Amps. Im Laden führte ich aber Gitarren von Fender und Gibson. Die Les Paul und Fender Stratocaster waren damals die modernsten und rockigsten Gitarren ihrer Zeit. Somit waren sie auch an der Entwicklung unserer Amps beteiligt. Eine Les Paul über einen Marshall gespielt, zählt bis heute zu meinen absoluten Favoriten. Eric Clapton hat das 1966 wie kein anderer auf dem Bluesbreakers-Album mit John Mayall demonstriert. Er setzte genau das um, was mir vorschwebte. Der fette Lead-Sound wurde so geboren.

Wie entstand die erste 4x12-Box?

Jim Marshall: Unsere ersten Boxen waren ja 2×12-Modelle. Da die frühen Celestion-Alnico-Lautsprecher aber nur je 25 Watt Leistung verkraften konnten, knallten die dauernd durch. Unsere Verstärker hatten aber Peaks von über 45 Watt. Um diesen Missstand zu beseitigen, entwickelte ich die 4×12-Box mit 100 Watt. Das Witzige daran ist, dass ich mir bei dem Design dieser Box überhaupt nichts gedacht habe. Sie sollte einfach nur relativ klein und sehr stabil sein. Ich glaube, ich habe einfach vier 12-Inch-Lautsprecher auf ein großes Stück Papier gelegt und darum einen Rahmen gezeichnet. Die ersten Boxen waren dann die gerade Version. Das sah aber mit dem kleinen JTM45-Topteil irgendwie komisch aus.Die Proportionen stimmten nicht.

Also habe ich sie vorn ab der Hälfte abgeschrägt, damit das Design besser wird. Der Amp passte in seiner Tiefe genau auf die verbleibende Fläche. Als mich dann Micky, der Gitarrist der Tremeloes, fragte, warum die Box abgeschrägt ist, lieferte ich ihm spontan eine pseudo-wissenschaftliche Erklärung: „Tja, die Box ist so gebaut, dass der Klang ungehindert über die Köpfe des Publikums abgestrahlt wird und auch am anderen Ende der Halle noch zu hören ist.“ Ich hatte mir diese Erklärung nur ausgedacht, aber als ich ans andere Ende der Halle ging, hörte ich, dass ich doch keinen Quatsch erzählt hatte! (lacht) Aber noch einmal: Die Boxen wurden nur aus optischen Gründen abgeschrägt gebaut.

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Diese Box wird ja heute von unendlich vielen Herstellern kopiert

Jim Marshall: … Oh ja! Ich hätte damals schlauer sein sollen und mir diese Holzkiste vom ersten Tag an patentieren lassen. Das hätte eine ganze Menge Geld gebracht (lacht)

Wie kam es dann zum ersten Marshall- Stack?

Jim Marshall: Ich glaube, das war 1964, als Pete Townshend uns nach 100-Watt-Verstärkern fragte. Wir bauten ihm die ersten drei 100-Watt- Tops unserer Geschichte. Er wollte 8×12-Cabinets dazu. Dazu machte ich mir ein paar Gedanken und entwickelte schließlich die ersten beiden 8×12“-Boxen. Als Pete die „Schränke“ abholen wollte, konnte er sie kaum aus dem Laden heben. Ich rief ihm nach: „Hey, deine Roadies werden dich umbringen.“ Aber er schüttelte nur den Kopf und sagte: „Na und? Die werden schließlich dafür bezahlt.“ Er war in diesen Dingen damals ziemlich stur. Nur zwei Wochen später kam er wieder und hatte eingesehen, dass die Teile einfach viel zu groß waren. „Kannst du die Boxen nicht einfach in der Mitte durchsägen?“, fragte er. Ich sagte ihm: „Geh’ du nur nach Hause. Ich mach das schon.“ Also baute ich ihm zwei 4×12- Boxen, die untere gerade, die obere schräg, und so entstand das erste Marshall-Stack. Das war ungefähr 1964.

Somit war Pete Townshend der Erfinder des Marshall-Stacks?

Jim Marshall: Wenn man so will, ja! Allerdings waren Ken und ich für das endgültige Design verantwortlich und gaben der Sache den letzten Schliff.

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Gab es noch andere Gitarristen, für die spezielle Sachen entwickelt wurden?

Jim Marshall: Ja, natürlich! Wir haben etwa für Ritchie Blackmore diese 200-Watt-Tops gebaut. Die ersten Modelle neigten zur Überhitzung, daher haben wir dann KT66-Endröhren eingebaut. Es gibt aber nur ganz wenige Verstärker dieser Art. Wir haben auch für Brian Poole von den Tremeloes spezielle Features nach Wunsch umgesetzt. Das waren blonde Half-Stacks.

Wann und wie haben Sie Jimi Hendrix kennengelernt?

Jim Marshall: Eines Tages brachte mein ehemaliger Schlagzeugschüler Mitch Mitchell Jimi Hendrix mit in meinen Laden. Ich empfinde übrigens die Tatsache, dass Mitch in der Band von Jimi Hendrix landete, als ein Highlight meiner Karriere. Damals dachte ich ja zuerst, Jimi wäre schon wieder so ein amerikanischer Lackaffe, der alles umsonst haben wollte. Aber Jimi entpuppte sich als unheimlich freundlicher und schüchterner Mann.Er kaufte ein paar Amps und bezahlte den regulären Kaufpreis. Er fragte nicht einmal nach einer Ermäßigung. Das einzige, was er forderte, war weltweiter Service, egal wo er spielte. Ich schlug ein und machte mit ihm diesen Deal. Da konnte es schon einmal vorkommen, dass ich einen Techniker irgendwohin in die Welt fliegen musste. Aber das machte ich gern. Er war ein wirklich netter Junge. Außerdem hieß er mit vollem Namen James Marshall Hendrix und ich heiße ja James Marshall. Diese Namensverwandtschaft konnte doch kein Zufall sein. (lacht)

Hat Jimi in irgendeiner Weise Sonderwünsche geäußert?

Jim Marshall: Keine Spur! Er spielte JTM 45/100 Standard- Stacks. Er koppelte mehrere Verstärker miteinander, um mehr Lautstärke zu erreichen. Früher gab es ja oft noch keine P.A.-Systeme. Nach anderem Schnick-Schnack fragte er nie.

Hatten Townshend und Hendrix oft Reparaturen an ihren Amps?

Jim Marshall: Nicht, dass ich wüsste. Sie zerstörten aber regelmäßig die Bespannstoffe der Boxen. Bei Townshend wurden die Boxen dann neu bezogen, während Hendrix einfach meist zu weit weg unterwegs war. Der musste dann damit leben. Townshend machte dann das „Verstärker-Zerstören“ zu seinem Image. Das fand ich überhaupt nicht komisch. Das waren schließlich meine Amps und meine Boxen! Warum musste dieser Lümmel die immer zerstören?

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Wie kam die Zusammenarbeit mit Slash zustande?

Jim Marshall: Slash wollte einfach ein paar Kopien seines Lieblings-Modells, dem 2550 Silver Jubilee, den Steve Grindrod für uns entwickelt hatte. Das war gar nicht so einfach, denn die Produktion war bereits ausgelaufen, und wir mussten erst einmal die ganzen Bauteile für diesen Amp wieder auftreiben. Wir hatten dann schließlich Bauteile für circa 3.000 Amps. Also musste dies eine „Limited Edition“ werden. Bis zum Slash-Signature- Modell war es dann nur noch ein kleiner Schritt. Es war das erste Mal, dass wir so etwas machten.

Sie haben immer Celestion-Lautsprecher verwendet. Wie ist die Zusammenarbeit heute?

Jim Marshall: Sehr gut. Früher haben wir einfach das genommen und uns sogar danach gerichtet, was Celestion im Programm hatte. Siehe die Entwicklung der 4×12-Box! Schon längst werden aber spezielle Speaker für uns entwickelt und gebaut, schließlich nehmen wir auch eine ganze Menge davon ab! (lacht) Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut, und die Speaker sind einfach sehr zuverlässig, was mir eigentlich am wichtigsten ist. Marshall und Celestion passen einfach sehr gut zusammen.

Was denken Sie eigentlich über die Mystik, die über die alten Marshall- Amps verbreitet wird?

Jim Marshall: Ich finde das interessant! Aber ich glaube auch, dass Musiker das hören, was sie hören wollen. Als ich Eddie van Halen in Los Angeles mal traf, sagte er mir: „Jim, ich besitze den besten 50-Watt-Amp, den du je gebaut hast!“ Aber das ist ein Satz, den ich schon oft gehört habe. Mir geht es übrigens ähnlich, wenn es um Drums oder Becken geht. Ich besitze eine ganze Menge Becken, und ich kann da eins oder zwei rausnehmen, die genau meinen Geschmack treffen. Das sind die besten – für mich! Sehen wir es doch einmal so: Amps, auch die des gleichen Typs, klingen total unterschiedlich.

Es gibt Toleranzen innerhalb der Bauteile und damit ändert sich auch der Sound. Wenn jetzt eine kleine Abweichung deinem Geschmack eher entspricht als der Standard-Amp, dann ist das halt für dich der beste Amp, den ich je gebaut habe. (lacht) Und: Damals in den alten Tagen konnten wir nur kleine Mengen dieser Bauteile kaufen und wurden mit unterschiedlichen Qualitäten geliefert – deshalb klangen alte Amps einfach unterschiedlich. Ob gut oder schlecht – das hat dann wieder mit dem persönlichen Empfinden zu tun. Insofern kann ich eigentlich nichts damit anfangen, wenn jemand die alten Amps pauschal über den grünen Klee lobt. Heute ist das anders: Die Qualität der Bauteile ist konstant, die Preise sind besser, weil wir eben nicht 200 Widerstände sondern Millionen brauchen.

Die Sammler auf dieser Welt horten mittlerweile die alten Amps wie Schätze. Ist das auch mit ein Grund, dass die Reissue-Serie geboren wurde?

Jim Marshall: Ja, sicherlich. Die Anfrage dazu kam von unserem japanischen Vertrieb. Aber wir waren darüber not amused, denn wir wollten eigentlich lieber neue Amps entwickeln, als uns selbst zu kopieren. Außerdem ist die Entwicklung einer Kleinserie, von der wir erstmal ausgegangen waren, nicht gerade wirtschaftlich sinnvoll. Aber da die Bestellung der Japaner ziemlich groß war, lohnte sich der Aufwand für uns. Das Schwierigste daran war übrigens, die historisch korrekten Ausstattungs- Details wie Kunstleder, Speaker, Griffe, Schalter etc. aufzutreiben, denn diese Teile wurden praktisch nicht mehr hergestellt.

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Wie ist eigentlich Ihre Meinung zu den vielen Marshall-Modifikationen, die in den Achtzigern aufkamen?

Jim Marshall: Dagegen habe ich im Grunde nichts. Aber wir haben unsere Antworten darauf gegeben, und zwar so, wie wir es technisch verantworten können. Nämlich ohne Schäden an Trafos oder Röhren zu riskieren. Viele Bauteile eines Marshalls sind nicht für diese Modifikationen ausgelegt, und so ist es kein Wunder, dass eben viele dieser Amps nicht zuverlässig laufen. Für uns ist das eine dumme Situation, denn auf dem Amp, der da gerade hoch geht, steht in der Regel ja immer noch mein Name vorne drauf.

Außerdem bin ich überhaupt nicht damit einverstanden, was solche modifizierten Amps kosten. Dabei sind die meisten Umbauten simpel. Die Techniker verlangen viel Geld für wenig Arbeit, und das ist nicht in Ordnung. Und bei uns landen dann die Verstärker der Musiker, die wir wieder in den Originalzustand zurückversetzen sollen. Aber Musiker sind leichtgläubig, orientieren sich an dem, was in der Szene so erzählt wird oder was in der Werbung steht. Aber es ist auch richtig, dass viele dieser Hotrodder der Industrie interessante Impulse geben. Unter ihnen gibt es natürlich auch gute Leute, die gute Arbeit leisten. Aber wie gesagt – wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und mittlerweile selbst Amps im Programm, die den modernen Sound-Ansprüchen genügen.

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Wie sieht denn heute Ihr Lieblings- Sound aus?

Jim Marshall: Oh, eine interessante Frage! Meiner Meinung nach bringt das normale Marshall- Standard-Equipment den besten Sound. Für mich klingen die puren Verstärker wie der 1987 oder der 1959, weit aufgedreht natürlich, immer noch am besten. Ohne Booster, ohne Effekte. Auch ohne Mastervolume, denn auch der nimmt etwas vom Ton weg. Der Markt verlangte aber danach, und wir haben sehr viel davon verkauft. Mir gefallen aber auch die Amps der Valvestate-Serie, weil sie einfach gut klingen und weil sie günstig sind und vielen Musikern einen Marshall- Sound ermöglichen, die sich die teureren Amps nicht leisten können. Außerdem kann man doch in der Regel einen puren Röhren-Amp kaum so weit aufdrehen, dass er richtig gut klingt – die Zeiten sind ja lange schon vorbei.

Wie sieht heute Ihr Alltag in der Marshall-Factory aus?

Jim Marshall: Ich habe mich schon etwas zurückgezogen und verfolge meine Charity-Projekte mit Kindern, was viel Zeit in Anspruch nimmt. Mein Zeitplan ist gut ausgefüllt. Jeden Morgen gehe ich aber ins Büro und lese die gesamte Post. Das lasse ich mir nicht nehmen. Ich muss immer genau wissen, was läuft und wo es eventuell Probleme geben könnte. Schließlich steht auf den Amps immer noch mein Name … Ja, ich muss nun auch wieder los. War nett, mit Ihnen zu sprechen!

Ich bedanke mich auch!

Und schon war Jim Marshall nach der vorzüglichen Ente und einem kleinem Nachtisch verschwunden. Mir war tatsächlich kaum eine Stunde geblieben, um den viel beschäftigten Geschäftsmann zu befragen. Dennoch ist dieser persönliche Eindruck durch nichts zu ersetzen. Ein Jahr später treffe ich ihn noch einmal im Flugzeug nach London. Er erkennt mich sogar wieder und fragt, ob die Ente auch wirklich gut war. „Sie war es,“ antworte ich. Er lächelt, nimmt einige Akten aus seinem Koffer und vertieft sich in sein Business.

Mehr zur Thema Marshall Amps findest du in unserer Marshall Sonderausgabe. Einen Überblick über die Firmen-Entwicklung zu Lebzeiten von Jim Marshall, findest du außerdem in unserem Artikel ‘Die Marshall Zeitmaschine‘.


(erschienen im Gitarre & Bass Marshall Sonderheft 2012)

Produkt: Marshall Sonderausgabe
Marshall Sonderausgabe
Das GITARRE & BASS MARSHALL SPECIAL mit Amp-Tests, Vintage-Guide und einem Interview mit dem legendären Father of Loud, Jim Marshall.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Geschrieben von Udo Pipper, 12. August 2015, von Redaktion
    Obwohl dieses Interview schon 14 Jahre zurück liegt, ???????
    Aus Gitarre & Bass Marshall Sonderheft 2012

    Wir schreiben das Jahr 2015!
    Bei allen Menschen ist es angekommen; nur noch nicht bei manchen Redakteuren von G/B.

    Super! Alten Artikel nochmal posten; dann hat G/B einen neuen Newsletter.
    Druckt das Sonderheft von 2012 doch einfach nochmal; und verkauft es wieder gewinnbringend!

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Hallo!
      Stimmt, wir stellen auch ältere Heft-Artikel online, allerdings handelt es sich bei diesen Artikeln in der Regel um Klassiker, die wir unserer Online-Leserschaft (die nicht zwangsläufig identisch mit unserer Heft-Leserschaft ist) nicht vorenthalten möchten.
      Das Sonderheft müssen wir übrigens nicht nochmal drucken – wir haben noch genügend Exemplare 😉
      http://musik-media-shop.de/marshall-sonderausgabe

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  2. Hi Marxx…!

    Sag mal: liest Du eigentlich auch manchmal Artikel, die älter als einen Tag sind?! Wenn ja, dann weiß ich nicht, was dieses blöde Rumgelabere über das posten alter, “historischer” Interviews, Testberichte und anderer Artikel aus den Archiven eigentlich soll. Mach den Newsletter auf und lies die Sachen, die Dich interessieren. Wenn Du gerade keinen Bock auf Jim Marshall hast dann laß den Artikel links liegen und lösch anschließend die Mail. So einfach ist das…!!! ich persönlich habe mich erst seit kurzem für den Newsletter von G/B eingetragen und liebe es solche Artikel zu lesen, denn ich war nie in meinem Leben Anbonnent einer Musik-Zeitschrift weil ich mein Geld immer für andere Sachen verprasst habe. Daher bin ich glücklich darüber wenn ich auch jetzt noch, nach Jahrzehnten als Tontechniker und Hobby-Musiker, mit Artikeln versorgt werde die sonst unwiederbringlich für mich verloren wären.
    Ich bedanke mich hiermit nochmals ausdrücklich bei Gitarre & Bass dafür, daß Ihr auch noch nach Jahren uralte Sachen wie diese Geschichte über ein Lunch mit Jim Marshall oder die alten Test der Fender und Gibson Gitarren online stellt; denn inzwischen habe ich auch die Zeit und Muße dafür sie zu lesen und das Beste daraus für mich herauszufiltern.

    Macht weiter so und laßt Euch von solchen Kommentaren wie den von Marxx nicht davon abbringen uns von Zeit zu Zeit mal in Euren alten Kisten stöbern zu lassen…

    P.S. Ich habe bis vor Kurzem übrigens einen uralten 120 Watt Orange Amp mein eigen genannt, weiß also so ungefähr wovon Jim da mit Euren Redakteuren sprach…

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    1. Stimmt . Es ist immer wieder erfrischend ältere Beiträge zu oben genanntem zu lesen. Habe auch das Marshall Special Heft und bin Fortan heiss nach alten Plexis

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  3. Glückwunsch! Neue Mitglieder kennen die alten Botschaften noch nicht. Jim Marshall
    war offen + ehrlich im Interview. Der beste Clon eines JTM 45 ist für mich der von
    “CREAM” – ein astreiner Amp. mit dem Sound von Marshall und ohne Grundbrummen!

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    1. Naja…. mittlerweile verwirrt es auch manchmal …. kürzlich las ich dass ein 1980 ger mit bestimmter Potieinstellung wie ein alter Plexi klingen soll . l mit ganz bestimmten Ròhren stand glaube ich noch dabei . Hauptsache man hat seinen Lieblingsamp

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      1. Sorry ..
        Mit 1980 war ein JCM 800 der ersten Baureihe gemeint. Das gehört noch ergånzt

        Auf diesen Kommentar antworten
  4. Hab den Artikel mit Freude gelesen, egal wie alt er ist

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