Edelsteine aus der Provinz

Zu Besuch bei Deimel Guitarworks

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Deimel Guitarworks(Bild: Stefan Woldach)

1998 gründete Frank Deimel sein Unternehmen „Deimel Guitarworks“. Heute, 20 Jahre später, gehört er zu den gefragtesten deutschen Boutique-Buildern, weil er handwerkliche Kompetenz, interessante Konzepte, hochwertige Hardware und attraktive Finishes in unverwechselbaren Unikaten vereint. Beim Werkstattbesuch drehen wir kurz mal die Zeit zurück.

Vor den Toren Berlins, im beschaulichen Brandenburger Umland, wo malerische Streuobstalleen die Felder säumen, liegen zwischen Forellenteich und Fledermausmuseum, Reitschule und Rübenacker die Werk- und Heimstatt von Frank Deimel und Kora Jünger.

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In einer ehemaligen Dorftischlerei, auf zwei großzügigen, lichtdurchfluteten Etagen, entstehen hier an klar definierten Arbeitsstationen vom Holzzuschnitt bis zur Schlusslackierung hochwertige Gitarren und Bässe. Und zwar nach der Firmenphilosophie „best of both worlds“: Formensprache und Materialien sind an die Instrumentenklassiker der Fünfziger- und Sechzigerjahre angelehnt. Dennoch überzeugen die Deimel-Modelle Singlestar, Doublestar und Firestar mit detailreicher Eigenständigkeit. Hochwertige Hardware, selbst gewickelte Pickups und die großartigen Finishes der „Artist Edition“ geben den Instrumenten ein unverwechselbares Design. Doch der Reihe nach. Blicken wir zunächst mit Kora und Frank zurück.

interview

Frank, wie begann dein Interesse an Gitarren?

Frank: Als ich 14 war, brachte mein Bruder eine kaputte E-Gitarre nach Hause, eine japanische SG-Kopie. Da wir einen Bastelkeller hatten, habe ich mich hingesetzt und sie repariert. Für mich war das eine Offenbarung – worauf bald die Küchenarbeitsplatte meiner Mutter dran glauben musste! (lacht)

Du hast Industrial Design an der Hochschule der Künste Berlin studiert. Wie bist du zum Gitarrenbau gekommen?

Frank: Ich bin von Hamm nach Berlin gezogen, hatte eine Band und habe Gitarrenreparaturen für befreundete Musiker gemacht. Neubundierungen auf dem Schreibtisch und so. (lacht) Dann habe ich ein zweijähriges Praktikum als Kunsttischler absolviert, und anschließend studiert. Eigentlich wollte ich Gitarrenbauer werden. Ich hatte jedoch keine Lust nach Markneukirchen in die klassische Ausbildung zu gehen, um dort eine Konzertgitarre zu bauen. Ich wollte schon immer E-Gitarren bauen. Deshalb passte das viel besser mit meinem Industrie-Design-Studium, weil E-Gitarren genau genommen zum großen Teil Industrieprodukte sind. Danach folgte in Berlin ein Praktikum bei PAG Guitars, wo ich dann später zwei Jahre Werkstattleiter war.

1998 hast du dann deinen eigenen Betrieb gegründet.

Frank: Genau. Ich meldete ein Gewerbe an und mietete einen Laden. Ich hatte die Maschinen eines Tischlers übernommen und begann Reparaturen an Gitarren und Bässen auszuführen. Das lief auch gleich gut an, da ich mir über PAG einen Namen gemacht hatte. Als die Firma nicht mehr existierte, konnte ich auch einen Teil des Kundenstammes übernehmen. Nebenbei habe ich eigene Prototypen entwickelt, bis wir dann eine eigene kleine Serienfertigung gestartet haben.

Deine Modelle Singlestar, Doublestar und Firestar sind an klassische Designs angelehnt. Du hast ein Faible für Instrumente der Fifties und Sixties.

Frank: Ich mag die Qualität der Instrumente jener Jahrzehnte, dazu kommt mein persönlicher Geschmack, der in der Zeit in der ich aufgewachsen bin, wurzelt. Ich bin absolut inspiriert von Vintage-Instrumenten. Ich hatte anfangs mit Michael Gechter einen Musiker und Kunden, der mir seine alten Instrumente vertrauensvoll zur Pflege brachte. Ich hatte also die Originale in meiner Werkstatt und konnte genau betrachten und vermessen, wie die gebaut waren, dazu Lack, Gewicht, Ton, eben alles was dazu gehört. Die Qualitäten des Gitarrenbaus der 50er- und 60er-Jahre sind meine Inspirationsquelle.

Welche Philosophie vertrittst du heute beim Bauen?

Frank: „Best of both worlds“ würde ich das nennen. Wir versuchen die Kunden dort abzuholen, wo sie sich auskennen und wo sie zu Hause sind, also bei den klassischen Designs. Der Kunde soll sich ergonomisch wohlfühlen. Es soll alles passen, deshalb die klassischen Designs. Dennoch möchte ich keine Kopien bauen! So haben wir zum Beispiel die Doublestar entwickelt, die an Gibsons Double-Cutaway-Form angelehnt ist, aber wenn man genau hinschaut, ist unser Instrument komplett redesigned. Es besitzt eine eigenständige Form. Wir benutzen zum Beispiel auch eine lange Mensur, verwenden also Features, die uns gefallen und versuchen sie geschmackvoll zu kombinieren.

Du hast auch Custom-Instrumente gebaut, für Dirk von Lotzow, Andreas Willers, Michael Rodach und für den leider zu früh verstorbenen Nikki Sudden.

Frank: Zwischen 1998 und 2006 hab ich diese Instrumente auf Kundenwunsch maßgeschneidert. Inzwischen machen wir das nicht mehr. Unsere eigenen Serien haben sich so erfolgreich etabliert, dass wir komplett mit der Produktion unserer Modelle ausgelastet sind.

Ihr baut auf Basis deiner Modelle dennoch außergewöhnliche Custom-Instrumente, etwa die FireSchneider TM für Dirk Dresselhaus, aka Schneider FM.

Kora: Wir verbringen viel Zeit mit unseren Kunden, um zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Unser Idealkunde ist jemand, der auf der Bühne steht, der auch gerne mal experimentelle Musik oder Filmmusik macht und mit dem wir dann auf Basis unserer Modelle arbeiten um zu gucken, was man technisch umsetzen kann. Dafür ist die FireSchneider TM ein perfektes Beispiel.

Frank: Das ist ein außergewöhnliches Instrument, obwohl es in der Formensprache der Firestar stattfindet. Wir haben nichts am Design geändert, es jedoch „intern“ customized. Dirk hat uns in mehrstündigen Gesprächen erklärt, was er sich vorstellt. Wir sind offen für solche Dinge und einiges bieten wir ja ohnehin schon an. Wir bauen Piezos in unsere Gitarren ein, also Kontakttonabnehmer die den Körperschall des Instruments aufnehmen. Dann unser „Pickup LesLee“, das die Tonabnehmer elektrisch rotieren lässt oder auch einen Tonabnehmer hinter der Brücke. Auch einen Kill-Switch. Für Dirk haben wir spezielle Hohlkammern in den Body eingefräst, die man mit Schrauben oder Reis füllen kann, um perkussive Effekte damit zu erzielen, die mit einem Kontakttonabnehmer abgenommen werden.

Deimel Guitarworks Außenansicht
Holzlager
Hals fräsen
Bohrstation

Eine faszinierende Erfindung ist euer „Pickup LesLee” den du gerade erwähnt hast, ein in die Gitarre eingebauter Rotoreffekt.

Frank: Wir nennen diese Onboard-Unit Pickup LesLee weil es an jenen Leslie-Rotor-Sound erinnert. Unser Effekt entsteht durch die beiden Quellen, also Halstonabnehmer und Stegtonabnehmer, die sich permanent elektronisch abwechseln. Ein anschauliches Beispiel wäre Jimi Hendrix‘ ‚Purple Haze‘: da stellt er einen Pickup seiner Strat dumpf und wechselt dann mit seinen Dreiweg-Schalter schnell hin und her um damit den Leslie-Effekt zu imitieren. Das war unsere Inspiration.

Die unterschiedlichen Klänge beider Pickups sind das spannende, sonst könnte man ja einen externen Rotor-Effekt benutzen. Aber hier ist der Sound ein bisschen anders, weil wir eine leichte Phasenverschiebung haben, vom Hals- zum Stegtonabnehmer. Da sich „hell“ und „dunkel“ als Klangfarbe abwechseln und ineinander oszillieren, ist das ein sehr netter Effekt. Dazu kann man beim Spielen die Geschwindigkeit an der Gitarre regeln. Und das sogar in stereo! Wir überlegen übrigens, den Pickup LesLee als Replacement-Part anzubieten, das man in die Rhythmus-Sektion von Jaguar oder Jazzmaster einbauen kann, die von den meisten eher selten benutzt wird. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

Neu sind auch eure „Conversion Necks“.

Frank: Die Idee dazu entstand durch den Kundenwunsch, ob wir nicht auch Shortscale-Hälse für unsere Modelle anbieten könnten. Das bedeutet Schablonen ändern, die Stegposition verändert sich, die Pickups sitzen woanders, das Pickguard wird kleiner. Man muss eine Menge Parameter ändern. Als dann noch jemand eine Baritongitarre anfragte, dachten wir uns: dann können wir das auch gleich seriell anbieten.

Kora: Das war Entwicklungsarbeit, bis wir diese drei weiteren Hälse – Shortscale, Middlescale und Bariton – entwickelt hatten. Jetzt kann der Kunde eine Firestar als Shortscale-Version bestellen und dazu einen Bariton Neck. Er muss dann nur vier Schrauben lösen und den Hals austauschen. Das entspricht ganz unserer Idee, dass eine Gitarre ein Werkzeug ist.

Was verwendet ihr für Hardware und Pickups?

Bei der Firestar ist es schwerpunktmäßig Mastery Hardware für Bridge und Vibrato. Wir kamen etwa zeitgleich mit der Entwicklung unserer Firestar in Kontakt und haben dann die Form des Vibratos zusammen gestaltet. An Pickups verbauen wir alles Mögliche: TV Jones, Lollar, Kloppman, Curtis Novak, Amber oder Häussel. Inzwischen wickle ich Pickups immer mehr selbst. Ich wollte einfach wissen wie das geht und hab mir Draht und eine Wickelmaschine gekauft. Ich kann so sehr individuell auf das Instrument eingehen, kann Höhen oder Bässe betonen, damit ein Instrument noch besser funktioniert. Und ich muss nicht auf ein fertiges Produkt zurückgreifen. Das macht am Ende auch Sinn.

Du bist ja auch einer der Mitbegründer der Holy Grail Guitar Show. Wie entstand das Konzept?

Frank: Das kam durch die Entwicklung der Frankfurter Musikmesse. Wie viele Kollegen empfanden wir die Messe als teuer und aufgrund des Lärmpegels unerträglich und unkommunikativ. Am Ende hatte man 5.000 Euro versenkt, nichts verkauft und taube Ohren. Die Initialzündung kam von Kora. Auf ihre Initiative bin ich zur Montreal Guitar Show nach Kanada geflogen und war total positiv überrascht.

Im Rahmen des Montreal Jazz Festivals waren lauter Musiker in der Stadt, die Atmosphäre war toll und das Format unglaublich angenehm. Dort entstanden viele Kontakte und bei einem Frühstück am letzten Tag auch die Idee, etwas Ähnliches in Europa aufzuziehen. Kollegen wie Ulrich Teufel, Andreas Neubauer, Michael Spalt, Jens Ritter, Nik Huber und andere dachten, das könne ja nicht so schwer sein. Das war 2012. Dann haben wir die Rahmbedingungen besprochen, den Standort Berlin ausgewählt und einen Verein gegründet, um das in Form zu gießen. 2013 haben wir die erste Pressekonferenz abgehalten und 2014 folgte die erste HGGS.

Wart ihr überrascht, wie schnell sich der Event etabliert hat?

Frank: Absolut! Bei der ersten Show waren wir total gespannt, was wohl passieren wird. Morgens um sechs Uhr bauten wir auf und hatten keine Ahnung, was bei Türöffnung um zehn Uhr passieren würde. Und plötzlich wurde alles schlagartig Realität:

Da kamen die Gitarrenbauer aus aller Welt, draußen warteten bereits die Besucher vor der Tür. Es war großartig! Bei den Shows in den Folgejahren haben wir gemerkt, dass das gezielte Zuschneiden so einer Show auf Gitarristen, Aficionados und Sammler einen deutlich besseren Effekt hat, als das Konzept der Frankfurter Musik Messe oder der amerikanischen NAMM Show.

Sondermodelle in Vorbereitung
Hälse in der Lackierkabine
Werkstatt im Obergeschoss
Einstellungssache

Hochinteressant sind auch die Vorträge, etwa über heimische Tonhölzer und Nachhaltigkeit angesichts des Artenschutzes bezüglich tropischer Hölzer. Wie stehst du zu dieser Diskussion?

Frank: Dadurch, dass wir bei der HGGS die „Local Wood Challenge“ ins Leben gerufen haben, begleiten wir viele Aktivitäten in dieser Richtung. Zum Beispiel die Schule für Gitarrenbau in Belgien, die das „Leonardo“-Projekt ins Leben gerufen hat. Wir haben auch Kontakte zur Schule für Nachhaltigkeit in Eberswalde geknüpft und eine Zusammenarbeit für Thermo-Treatment, also der Thermobehandlung von lokalen Hölzern. Aktuell sind wir in der Phase, das auf den Gitarrenbau zu übertragen. Wir benutzen inzwischen heimische Hölzer wie Weide, Pappel und Linde. Das ist total spannend.

Viele Akustik-Gitarrenbauer sind sogar schon ein Stück weiter und verwenden Zwetschge, Apfel, Birne oder Nuss. Ich finde das spannend. Oftmals ist der Kunde konservativer als der Gitarrenbauer, doch man kann den Markt aktiv gestalten. Und mal ganz ehrlich: Dass man beim Blindtest einen klanglichen Unterschied zwischen thermobehandelter Robinie und Rio-Palisander hört, möchte ich bezweifeln. Das hat das Leonardo-Projekt ja auch schon bewiesen. Rio-Palisander bestärkt eher den Luxusfaktor beim Kunden, als die Tonerzeugung.

Es gibt viele Philosophien bezüglich des Finishs von Instrumenten. Wie lautet eure?

Frank: Lack muss dünn sein. Das ist das Wichtigste. Wenn ich einen Panzer um ein schwingendes Instrument lackiere, ist da klanglich nicht mehr viel los. Das wird halt gern von der Industrie gemacht, wo alles schnell glänzen muss. Wir dagegen haben die Philosophie, möglichst dünne Lackschichten aufzutragen, die jedes Mal zwischengeschliffen werden. Das ergibt am Ende eine extrem dünne Lackhaut. Wenn ein Lack dünn ist, vibriert der Klang eben gut nach außen. Wenn eine E-Gitarre schön schwingt, strahlt das in die Saitenschwingung hinein, wird mit den Tonabnehmern verarbeitet und ergibt ein gutes Ergebnis. Bei Akustik-Gitarren ist das noch deutlicher.

Ihr bietet eure Instrumente auch als „Artist Edition“ mit Pop-Art-Designs von Kora an, die Visuelle Kommunikation an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg studiert und einen Master of Fine Arts des San Francisco Art Institutes hat. Wie entstand diese Idee?

Kora: Wir haben immer wieder kreative Prozesse für die Designs der Instrumente, auch im Austausch mit unseren Kunden. So haben wir über die Jahre einen Weg gefunden, wie meine Kunst ins Spiel kommen kann. Wir haben viel probiert, bis wir eine Technik gefunden haben, meine Grafiken aufs Instrument zu bringen und machen seit dem ein bis zwei Artist Editions pro Jahr. Die Gitarre muss funktionieren, die Motive aber eben auch. Es ist sehr aufwendig, bis die Grafik letztlich auf dem Instrument ist. Der Unterschied ist, das eine Leinwand rechteckig ist und kein Cutaway hat! (lacht)

Showroom
Pickup-Testgitarre – klappbar!

In deinen Themenkomplexen findet man meist aktuelle, gesellschaftsrelevante Themen.

Kora: Genau. So eine Gitarre ist auch ein Statement. Die vorletzte Edition basiert auf Zeichnungen, die ich von Fotografien übertragen habe von den Demonstrationen rund um Donald Trump und dem G8-Gipfel. Das ist unsere Meinung dazu. Und es ist schön, in den sozialen Netzwerken Feedback zu bekommen. Ich bin halt ein Kind der Kunstwelt der Sechziger, Comic- und Pop-Art sind meine Themen. Und der zweite Gedanke ist, was uns selbst ausmacht. Deimel Guitarworks steht halt nicht für Goldknopfgitarren, sondern für klassische, als auch experimentelle Geschichten wie die Artist Editions, wo wir uns kreativ austoben können.

Wird es zum 20-Jährigen ein Jubiläumsmodell geben?

Kora: Es wird sogar mehrere geben! Wir haben vor einigen Wochen einen kleinen Videoclip gedreht, in dem wir zum Jubiläum fünf Artist-Edition-Gitarren zum Preis von je 2000 Euro anbieten. Die Instrumente waren in wenigen Stunden verkauft. Inklusive einer Anfrage für ein Linkshändermodell, das es noch obendrauf geben wird. Die Gitarren sind derzeit in Arbeit, haben eine etwas feierlichere Bildsprache und sind in Kürze fertig.

Vielen Dank fürs Gespräch!

www.deimelguitarworks.com

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2018)

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