Meilenstein 2011

The Head Cat: Walk the Walk… Talk the Talk

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Head Cat(Bild: NIJI ENTERTAINMENT GROUP, CLEOPATRA)

Motörhead-Frontmann Ian Fraser Kilmister wäre am Heiligabend diesen Jahres 73 Jahre alt geworden. Am 28. Dezember 2015 starb der britische Sänger und Bassist, den alle nur Lemmy nannten, an den Folgen von Prostata-Krebs, Herzrhythmus-Störungen und Herzschwäche. Posthum erschien ,Under Cöver‘ mit Songs anderer Acts, die Lemmy, Phil Campbell (d) und Mikkey Dee (dr) im Laufe der Jahre aufgenommen hatten.

Für Aufmerksamkeit sorgte die getragene Version von David Bowies ,Heroes‘. Der Rest des Albums fiel schnell, hart und laut aus, so wie die Musik der Band seit dem Debüt ,Motörhead‘ (1977) eben war. Mit ihrem Rock galten Motörhead stets als harter Vertreter des Heavy Metal. Eine Kategorie, gegen den sich die Musiker in Interviews immer gewehrt haben. Für Kilmister war die Sache klar. Jede Show begann er mit dem Satz: „We are Motörhead and we play Rock‘n’- Roll!“, was aufgrund des brachialen Sounds immer ein wenig merkwürdig anmutete.

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Was hatten Motörhead mit dem Rock & Roll der 50er-Jahre und Musikern wie Eddie Cochran, Chuck Berry oder Little Richard gemeinsam? Als in den 80ern US-Thrash-Bands wie Metallica oder Slayer die Engländer überholten, was Tempo und Aggressivität betraf, dürfte dieser Zusammenhang deutlicher geworden sein. Denn selbst schnelle Klopper wie ,Bomber‘, ,Iron Fist‘ oder ,Motörhead‘ lebten von klassischen Rock-&-Roll-Wendungen von Gitarre oder Bass.

Lemmy machte seine musikalische Vorliebe dann in den 2000ern mit dem Nebenprojekt Head Cat (auch The Head Cat) öffentlich. Neben ihm gehörten zur Band Slim Jim Phantom (dr) von den damals nicht mehr existierenden Stray Cats und Danny B. Harvey (g, piano), der u. a. mit der britischen Neo-Rockabilly-Band The Rockats gespielt hatte. Kennengelernt hatte man sich bei Aufnahmen zu ,A Special Tribute To Elvis‘ (2000) der Swing Cats, einer Allstar-Band eben mit Harvey und Phantom.

Kilmister war als Gast dabei und sang mit Akustik-Gitarre eine Version von ,Good Rockin‘ Tonight‘ ein. Nachdem der Song im Kasten war, spielte Lemmy noch einige Rockabilly-Songs u. a. von Eddie Cochran an und spontan stiegen Phantom und Harvey ein. Es passte auf Anhieb und das Trio entschied sich, ein eigenes Album aufzunehmen. ,Lemmy, Slim Jim & Danny B‘ (2000) bot ausschließlich Cover-Nummern. Das Debüt wurde 2006 mit anderem Artwork unter dem Titel ,Fool‘s Paradise‘ wiederveröffentlicht, im selben Jahr erschien auch das LP/DVD-Set ,Rockin‘ The Cat Club: Live From The Sunset Strip‘.

Head Cat(Bild: NIJI ENTERTAINMENT GROUP, CLEOPATRA)

Erst 2011 kam das zweite reguläre Studioalbum ,Walk The Walk…Talk The Talk‘ heraus. Und hier gab‘s diesmal auch eigene Songs, wie das eröffnende ,American Beat‘. Ein schneller Rock‘n‘Roller, dessen Groove von Achtel-Piano angetrieben wird, genauso wie in ,Say Mama‘. Und spätestens im swingenden ,I Ain‘t Never‘ wird der ein oder andere überrascht sein, wie sauber und klar der Gesang hier rüberkommt. Einer der Höhepunkte ist die treibende Version von ,Shakin‘ All Over‘, im Original von Johnny Kidd & The Pirates.

Eine Zeile aus dem klassischen ,Stormy Monday Blues‘ inspirierte das Trio zum langsamen ,The Eagle Flies On Friday‘. Robert Johnsons ,Crossroads‘ kam angelehnt an die Cream-Interpretation. Und auch mit dem sehr coolen The-Beatles-Cover ,You Can‘t Do That‘ zeigten Head Cat, dass sie alles andere waren als ein puristischer Rockabilly-Act.

Harvey feuerte immer wieder knackige Riffs und virtuose Licks ab, wobei Letztere auch mal Country-Einfluss verrieten. Der stets tragende Gitarren-Sound blieb meist angezerrt und wechselte seltener in den Clean-Bereich. Danny kam ohne weitere Effekte aus. Der Gitarrist mit den blonden Haaren und den schicken Jacketts als Markenzeichen benutzte live eine auffällige James Trussart Rusty Steelcaster und eine Fender Jazzmaster Reissue. Hinter ihm standen ein 100-Watt-Marshall-Half-Stack oder ein Fender Hot Rod Deville.

2011 bemerkte Danny gegenüber dem US-Magazin Premier Guitar: „Das ist der einzige Gig, bei dem ich während des Soundchecks meinen Marshall fast bis 10 aufreiße, ein paar Akkorde anschlage und der Mixer mir ein OK-Zeichen gibt und sagt: ,Klingt großartig.‘ Bei jedem anderen Gig spiele ich viel kleinere Amps und es heißt, ich wäre auf der Bühne ein bisschen laut und solle ein bisschen leiser machen.“

Kilmister spielte hier mit seinem gewohnten, jedoch etwas gemäßigteren Zerr-Sound, der bekanntermaßen aus der Kombination von einem Rickenbacker-Bass (4001/4003/4004) und einem Marshall JMP Superbass II („Murder One“) plus Marshall 4×12″- und 4×15″-Boxen resultierte.

Head Cat
Rock & Roller unter sich: Danny B. Harvey, Slim Jim Phantom und Lemmy Kilmister (Bild: NIJI ENTERTAINMENT GROUP, CLEOPATRA)

Und eigentlich ist man mit diesem Bass-Sound – andere hätten bei so einem Retro-Projekt vielleicht stilecht einen Kontrabass ausgepackt – bei der anderen musikalischen Seite von Ian Fraser Kilmister angekommen, die von Offenheit und Mut zum Experimentellen geprägt war, was gelegentlich auch bei Motörhead durchkam. So überraschten die Hard-Rock-&-Roller auf ,1916‘ (1991) mit Keyboards und Streichern im Titeltrack. Keyboards gab es auch in ,Nightmare/The Dreamtime‘, zudem wirkte Lemmys Stimme durch diverse Klangexperimente besonders tief und evil. Und in ,Angel City‘ tauchten Saxofon-Sätze auf. Die schnelle Nummer hätte übrigens hervorragend in die Setlist eines Head-Cat-Konzerts gepasst.

Bis 2015 trat die Band immer mal wieder in Clubs und bei Festivals auf – solange, bis Lemmys sich zunehmend verschlechternde Gesundheit dies nicht mehr zuließ. So sollte die Band zu seiner Geburtstagsparty am 13. Dezember 2015 spielen, doch dazu kam es schon nicht mehr.

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2019)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. R.I.P. Lemmy. Motorhead waren “genial” aber auch Head Cat waren klasse. You where always on my Mind….

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