Pedal-Steel, Barock-Laute, Country, Schlager und die Beatles

The German Pedal-Steel: Christian Schimanski im Interview

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(Bild: Sabine Kress)

Der Mann stand mit Costa Cordalis und Freddy Quinn auf der Bühne, hat auf hunderten von Studioaufnahmen unverwechselbar Gitarre gespielt und war in den Siebzigern einer der ersten Pedal-Steeler Deutschlands. Bis heute ist er einer der besten. Im Dezember wird das Multitalent 70 Jahre alt – 50 davon hat er auf Bühnen und in unzähligen Studios verbracht – und damit, immer Neues zu entdecken und zu lernen. Da kann man schon mal einen Blick zurückwerfen.

Wie aber gehen Pedal-Steel, Barock-Laute, Country, Schlager und die Beatles zusammen? Geht alles. Im Interview erzählt er uns von seinen komplexen Lieblingsinstrumenten, Einflüssen und einem Leben zwischen Produktionen, Studio-Jobs und großen Tourneen …

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INTERVIEW

Du giltst als einer der besten Pedal-Steel-Spieler in Deutschland. Darüber hinaus hast du in den 80er- und 90er-Jahren auf hunderten von Aufnahmen in Dutzenden von Studios die Gitarren eingespielt. Als Tour-Gitarrist von Tom Astor und Costa Cordalis hast du die Schlagerszene hautnah erlebt. Welches Projekt oder welche Band ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

Da muss ich weit zurückgehen. Im Jahr 1979 spielte ich in Mannheim in der Band Wintergarden akustische Gitarre und Pedal-Steel. Gesangsorientierter Westcoast-Sound. Armin Rühl und Norbert Hamm, die später mit Herbert Grönemeyer spielten, waren ebenfalls in der Band. Wir haben zwei LPs für die EMI aufgenommen. Die eine produzierten wir in den Rüssel-Studios von Otto Waalkes in Hamburg, die andere in Hannover, parallel zu den Scorpions. Es war eine aufregende Zeit. Das war ein Projekt, an das ich mich heute noch sehr gerne erinnere und das ich zu meinen Highlights zählen würde. Hier haben wir Musik gemacht, die mich damals begeistert und fasziniert hat.

1968: Christian in seiner ersten Band mit Framus-E-Gitarre (Bild: Sabine Kress)

Wieso Pedal-Steel? Wie kamst du dazu?

Um 1975 waren es zwei Songs, die mich dazu inspiriert haben: ‚Teach Your Children‘ von Crosby, Stills, Nash & Young und ‚Heart of Gold‘ von Neil Young. In beiden Songs ist die Pedal-Steel sehr dominant. Der Sound elektrisierte mich. Ich begann mit einer sechsseitigen Lap-Steel-Gitarre, habe dann aber bald einen Kredit aufgenommen, um mir meine erste Framus-Pedal-Steel zu kaufen. Das Erlernen war gar nicht so einfach, das Instrument ist anspruchsvoll. Man arbeitet und moduliert nicht nur mit den Händen, sondern auch mit den Füßen und Knien. Das Internet, in dem man Tutorials anschauen konnte, gab es noch nicht. Einen Lehrer natürlich auch nicht. Also habe ich mir alles herausgehört und so lange herumexperimentiert, bis es geklappt hat. In dieser Zeit habe ich auch sehr viel in amerikanischen Clubs gespielt. Sechs Tage die Woche, fünf bis sechs Stunden am Abend. Sehr gute Bands mit amerikanischen Musikern, die Country spielten. Das war dann „training on the job“. Ich habe nicht lockergelassen, bis ich es konnte. Zu dieser Zeit gab es in Deutschland drei Pedal-Steeler. Ich war einer davon.

Dein Gitarrenspiel ist außergewöhnlich feinfühlig und doch sehr intensiv. Insbesondere auf der Steel-Guitar fühlt man sich an Jerry Douglas erinnert. Was ist dein Geheimnis? Wie bekommst du diese Intensität in die Töne?

Für mich ist der Gesang immer das Wichtigste gewesen. Kein Instrument kann so differenziert und vielschichtig klingen, wie eine Stimme. Ich habe also immer versucht so zu spielen, wie ein guter Sänger singen würde.

(Bild: Sabine Kress)

Deine Karriere hat sich zu großen Teilen in den deutschen Country- und Schlagerszenen abgespielt, die musikalisch zum Teil immer noch unterschätzt werden. Ordne das bitte mal für uns ein. Sind deutscher Country und deutscher Schlager wirklich so trivial, wie er oft gesehen wird?

Ja und nein. Als ich anfing, für die Schlagerszene Musik aufzunehmen, stand im Studio noch eine gesamte Band und hat die Songs erst einmal live eingespielt. Dadurch entstand eine Atmosphäre, die sich dann weit in die Songs hineingetragen hat. Später nahm die Technik Einzug und das Geschäft wurde schnelllebiger. Schlager wurde noch viel mehr zum Massenprodukt mit entsprechenden Produktionsmethoden. Darüber ist viel Musikalität verloren gegangen. Die amerikanische Country-Musik hat sich das bis heute bewahrt und agiert daher auf einem viel höheren musikalischen Niveau als die deutsche Country-Musik oder der deutsche Schlager.

Was sind deine musikalischen Wurzeln? Woher kommen deine Einflüsse? Wie hast du versucht, diese in dein Spiel einzubauen?

Das waren ganz klar die Beatles! Als ich im Alter von zwölf Jahren, in dem kleinen Dorf im Schwarzwald, in dem ich aufgewachsen bin, zum ersten Mal im Radio die Beatles gehört hatte, war es um mich geschehen. Es war wie ein positiver Schlag. Es klang nach großer Welt, nach Freiheit. Die Beatles setzen für mich auch heute noch die Maßstäbe. In den 70er-Jahren hat mich James Taylor mit seinem feinen akustischen Gitarrenspiel beeinflusst. Sein filigranes Picking war herausragend. Auch die Eagles hatten einen großen Einfluss auf mich. Großartige Musiker mit einem fantastischen mehrstimmigen Gesang. Und Leo Kottke. Das habe ich alles geübt und nachgespielt.

Um 1990 hast du das Blue-Sky-Tonstudio gegründet. In welche Richtung ging das?

Ich habe viele Aufnahmen für die deutsche Country-Szene gemacht. Keine großen Namen. Ich erinnere mich an eine Band aus den Neunzigern, aus dem Bereich Progressive Rock. Eine Mannheimer Band mit dem Namen Alias Eye. Hier habe ich viel musikalischen Einfluss genommen, und die Band spielte einige größere Festivals.

Wer ist/war für dich der beste Gitarrist aller Zeiten?

Paco de Lucía! Für ihn spielte Technik keine Rolle mehr. Er hat einfach nur noch aus tiefster Seele Musik gemacht. Filigran, elegant, emotional.

Erzähl uns etwas über dein Equipment. Welche Gitarren haben dich begleitet und geprägt?

Seit 1973 begleiten mich zwei akustische Gitarren der Firma Ibanez, eine sechsseitige Jumbo und eine zwölfseitige Dreadnought. Zu meiner Pedal-Steel gibt es eine schöne Geschichte: Bei einem Festival mit Tom Astor kam ein Mann auf mich zu, stellte sich als Paul Wiesner vor und wollte unbedingt eine Pedal-Steel-Gitarre für mich bauen. Er meinte, es wäre ihm eine Ehre, wenn er dies dürfte. Nach einigen Monaten nahm ich sie in Empfang. Alles handgemacht. Die Pedal-Steel ist so gebaut, wie die Schweizer ihre Uhren bauen: Perfekt! Auf dieses Instrument bin ich sehr stolz, es wurde für mich gefertigt! Weiterhin spiele ich eine Dobro, eine Weissenborn von Anderwood, eine Strat und eine Rickenbacker.

Die Barockgitarre stammt von Dieter Schossig (Bild: Sabine Kress)

In den vergangenen Jahren hast du dich auch intensiv mit historischen Instrumenten auseinandergesetzt. Erzähle uns davon.

Ich habe an der Hochschule Mannheim Konzertgitarre studiert. Schon bald stellte ich aber fest, dass die Konzertgitarre nicht unbedingt etwas für mich ist. Bei einem Kommilitonen entdeckte ich eine Laute. Die hat mich direkt angesprochen. Ich habe dann einen Kredit aufgenommen, um mir meine erste Laute zu kaufen. Das war damals meine einzige Chance, mir diese Instrumente zuzulegen. Das Instrument ist dann aber, in meinem musikalischen Schaffen, in den Hintergrund getreten. Erst im Jahr 2000, bei einem Spaziergang, besann ich mich wieder darauf, dass mir das Spiel der Laute einmal sehr viel Freude gemacht hat. Daraufhin habe ich noch einmal Barock-Laute am Konservatorium in Frankfurt studiert. Noch einmal vier Jahre lang üben. Neben Produktionen, Studio-Jobs und Tourneen. Es war mir eine Herzensangelegenheit und bis heute liebe ich diese Musik und dieses Instrument.


(erschienen in Gitarre & Bass 04/2022)

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