(Bild: Christian Tolle)
Luke steuert mit Toto auf das 50-jährige Bandjubiläum zu. Im mittlerweile seniorigen Alter ist er auch als Persönlichkeit immens gereift, denn er präsentiert sich im Interview sehr reflektiert, gibt einen tiefen Einblick in seine Seele und scheut sich nicht, über seine Grenzerfahrung zu sprechen. Gut zwei Stunden sitzen wir mittags zusammen, hier die Essenz dieses Treffens, in dem es immer wieder um das Leben selbst geht.
Interview
Wie geht es dir? Ich bin froh dich zu sehen, gerade nach dieser zerstörerischen Feuerkatastrophe in Los Angeles …
Danke, ich hatte einfach Glück. Ich saß schon mit einer Evakuierungswarnung mit ein paar Sachen und meinem Hund im Auto und war bereit, zu meiner Ex-Frau zu fahren, um erst mal dort in Sicherheit zu sein. Es ist schrecklich gewesen. Viele meiner Freunde haben alles verloren. Was für eine Tragödie. Gleichzeitig zeigt es einem, wie unwesentlich Besitz im Grunde ist.
Ich hatte ein paar persönliche Dinge zusammen gepackt, die mir wichtig sind. Fotos zum Beispiel, keine Gold-Auszeichnungen oder Ähnliches, die definieren mich nicht als Mensch. Zudem war ich vor der Tour noch richtig krank und lag einige Wochen übel flach. Glücklicherweise bin ich rechtzeitig wieder fit geworden. Letztes Jahr war auch das letzte, in dem ich noch viele Interviews gegeben habe.
Im Grunde habe ich ja auch schon alles erzählt. Ich mache das jetzt nur noch ausgewählt mit Freunden, oder für den ein oder anderen YouTube-Kanal wie Rick Beato. Da geht es in erster Linie um die Musik. Diese ganzen Clickbaits gehen mir auf die Nerven. Da werden Zitate aus dem Kontext gerissen, um irgendeinen Nonsens daraus zu basteln, womöglich noch mit KI. Von den sozialen Medien habe ich mich auch zurück gezogen.
Ich nutze nur noch einen Instagram-Account für meine Familie. Das bekommt mir auch gut. So halte ich die ganzen Hater fern. Es geht mir nicht in den Kopf, welche Energie manche Menschen aufbringen, um in den sozialen Medien zu hassen oder schlimmer noch, mit Fake-Profilen, Fans über den Tisch zu ziehen. Aber lass mich den Hatern sagen, ich lese es nicht. Dieser ganze Zirkus ist es mir nicht wert.
Was bei euren Shows auffällt: Es kommen auch jüngere Generationen… Ist das der Popularität von Rosanna oder ‚Africa’ zu verdanken?
‚Africa’ ist rückblickend ein Geschenk. Der Song ist ein Anker, so dass unsere Musik und tatsächlich unser gesamter Katalog neue und jüngere Fans gewinnen. Wir sehen das, wie du sagst, am Publikum bei unseren Shows und das macht mich sehr glücklich. Denn genau darum geht es mir: Ich möchte Toto am Leben und unser Vermächtnis aufrecht halten.
Das ist ja auch gar nicht so einfach. Ich habe Joe Bonamassa 2024 live gesehen und hatte den Eindruck, dass dort hauptsächlich nur eine Generation zugegen war…
Oh, Joe! Der großartigste Gitarrist unserer Zeit – und das kannst du genau so schreiben. Du weißt ja, „older people got the Blues …” Wir beide sind gute Freunde. Während der Feuer haben wir uns ständig geschrieben und er wohnt ja nicht weit weg von mir. Er hat sich sein Leben lang den Arsch abgearbeitet und er gibt ganz viel an andere zurück. Ein wunderbarer Kerl. Manche kritisieren ihn dafür, dass er Anleihen bei Eric Johnson nimmt. Kommt schon, wir allen bedienen uns voneinander.
Ich habe diese riesige Ehre, eine Strat von Jeff Beck mit auf Tour zu haben. Sandra, Jeffs Witwe, lässt sie nach und nach einigen Freunden von Jeff zukommen, um sie zu spielen. Billy Gibbons hatte sie, dann John Mayer, Buddy Guy und im Moment darf ich sie spielen. Seit drei Wochen habe ich sie und möchte sie am liebsten gar nicht mehr hergeben. Diese Gitarre hat so eine Energie und einen Vibe, Jeffs Blut und Schweiß ist immer noch zu spüren.
Du hast ja auch eine lange Verbindung zu Jeff Beck gehabt.
Ja, seit 1986. Wir waren zweimal gemeinsam auf Tour und ich habe ja auch ein Album mit ihm produziert.
Das leider nie erschienen ist.
Mal schauen, das hängt mittlerweile an Jeffs Familie. Manches davon wird vielleicht noch veröffentlicht. Ich habe die ganzen Tapes digitalisiert und noch mal gehört und da ist wirklich Großartiges dabei. Gleichzeitig bräuchte es noch etwas Arbeit. Jeff war immer sehr hart zu sich selbst und er hat wahrscheinlich noch Musik für 20 Alben mit unfassbarem Spiel. Aber wenn er aus irgendeinem Grund unsicher war oder Zweifel hatte, wollte er die Aufnahmen am liebsten verbrennen.
Ich sagte nur, „Nein, nein, lass es mal liegen und höre es dir mit Abstand an”. Das gilt für mich auch. Manchmal finde ich mein Spiel auch schrecklich und mit etwas Abstand betrachtet, war es dann doch gut. Das ist das Schöne daran, so alt zu sein. Ich stehe mit den Jungen nicht mehr im Wettbewerb. Mich machen auch die ganzen YouTube-Live-Schnipsel nicht mehr nervös. Ich spiele, was ich spiele.
Bei uns ist kein Track vom Band, jeder Gesang ist echt und wenn eine Note mal daneben geht, ist das eben so. Wir sind nicht hier, um eine synthetische und idealistische Form von Perfektionismus abzuliefern, die es ohnehin nicht gibt. Wir haben ja auch keine riesigen Screens mit Videoanimationen oder so was. Wir sind völlig old school: Guter Sound, gutes Licht.
Zum 50. Bandjubiläum dann vielleicht nochmal neue Musik?
Weißt du, ich komme ja aus der Zeit mit richtigen Studios und den besten Engineers. Die besten Sessions, in denen Magie entstanden ist, waren Aufnahmen als Band in einem großen Raum. So ist ‚Rosanna’ beispielsweise entstanden. Es war der zweite Take. Und man merkt es sofort. Diese magischen Takes sind offensichtlich und jeder versteht es sofort. Und meistens kommen die schnell.
Heute wird zu Hause produziert mit File-Sharing und das ist auch ok, aber diese Magie wie es die Methoden seinerzeit erlaubten, fängt man so kaum ein. Das war auch die beste Zeit meines Lebens. Das habe ich erst später realisiert. Denn wenn du mittendrin steckst, nimmst du das gar nicht wahr, man ist schon wieder auf dem Sprung zum nächsten und erst mit zeitlichem Abstand wird einem klar, wie absolut außergewöhnlich das war.
Zurück zu deiner Frage: Vielleicht machen wir zum 50. einen neuen Song, aber ein ganzes Album wird es definitiv nicht geben. Das macht für uns heutzutage keinen Sinn. Gleichwohl wäre ein neuer Song quasi als Opener vorstellbar. Wir werden auf jeden Fall noch mindestens bis zum 50. jährigen Bandjubiläum weitermachen. Was danach kommt? Mal schauen. Spielen werde ich immer, aber wenn du irgendetwas 50 Jahre lang gemacht hast, könnte es auch genug sein.
Du hast deinen Sound im Lauf deiner Karriere immer wieder verändert. Hast du eigentlich deine Burst noch? Mit der hast du ja einige ikonische Aufnahmen eingespielt.
Mein Sound hat sich immer wieder verändert. Aber ich sag dir, es gibt keine magischen Gitarren, es gibt nur magische Leute. Ab und zu nehme ich sie mal zur Hand, ansonsten nutzt sie auch mein Sohn hier und da mal. Ich liebe meine Music-Man-Gitarren, die klingen fantastisch und lassen sich perfekt bespielen. Und ich bin nicht wie Joe Bonamassa, der für seine Bursts noch extra Security anstellt, wenn er auf Tour geht.
Die Strat von Jeff Beck ist das beste Beispiel. Wie gesagt, Billy Gibbons hatte sie, John Mayer und vor mir Buddy Guy. Sie alle klingen doch wie sie selbst, auch mit dieser ikonischen Gitarre von Jeff Beck. Klar, gerne hätte ich diese Strat von Jeff Beck, aber ich gebe in meinem Alter keine Sammlerpreise für eine Gitarre mehr aus. Ich fühle mich geehrt und erfreue mich, dass Sandra sie mir für eine Zeit gegeben hat und genieße es unendlich, sie zu spielen.
Eine weitere wesentliche Lebenserkenntnis für mich ist: Dieses „Spiel des Lebens” in Verbindung mit der Gier nach Besitz ist für mich nicht mehr wichtig. Es ist hohl und füttert nur das Ego. „Wenn ich doch nur diese eine Sache hätte, dann wäre ich komplett.” Und nach kurzer Zeit kommt das nächstgrößere Etwas und dann muss man das haben. Das ist alles Bullshit. Weniger ist mehr.
Diesem toxischen Spiel aus der Akkumulation von „Haben” nicht zu unterliegen, ist Freiheit. Manche Leute glauben, der Lukather macht das alles nur für Geld. Das ist Quatsch. Ich brauche keine dicken Autos oder eine extravagante Villa oder sonst was. Ich halte mein Geld zusammen und werde es meinen Kindern hinterlassen, damit die ein gutes Fundament haben. Das einzige, das ich mir einmal im Jahr gönne, ist zwischen meinen Aktivitäten einen richtig guten Urlaub.
Hast du noch so etwas wie eine musikalische „Bucketlist”? Etwas, das du gerne noch erreichen möchtest?
Oh, das ist eine gute Frage. Ich wäre wirklich glücklich, wenn wir das 50. jährige Jubiläum angemessen erreichen, das wäre dann 2027/2028. Ich hoffe, wir bleiben alle gesund und fit. Es ist sowieso verrückt, für eine alte „Classic-Rock-Band” oder wie man uns auch immer nennen will, dass es aktuell weiter wächst und steigenden Zuspruch erfährt. Die Ticket-Verkäufe für unsere kommenden US-Dates laufen super.
„Bucketlist”… Ich hätte noch ein paar Venues, die ich gerne spielen würde: Wir haben vor elf Tagen in Arnheim in den Niederlanden vor über 30.000 Zuschauern gespielt, das war unglaublich. Da kann ich einen Haken an die Liste machen. Ich würde gern noch im L.A. Forum und im Madison Square Garden spielen. David (Paich) und ich haben mittlerweile auch die Rechte am Bandnamen gekauft, so dass dies auch geklärt ist.
Noch schöner ist: Ich werde Großvater, meine Tochter bekommt Nachwuchs – absolut ein Punkt auf meiner Bucketliste. Und ich möchte generell meine Kinder weiter gedeihen sehen. Aber du hast nach musikalischer Bucketlist gefragt. Ich wäre froh, wenn wir noch einige Zeit das machen können, was wir gerade tun. Ich habe keine Ambitionen mehr, viel Zeit im Studio zu sitzen oder gar in die Rolle eines Produzenten für andere zu schlüpfen.
Wenn Gott mich heute rufen würde, könnte ich mich nicht beschweren. Das ist alles mehr, als ich verdient habe. Ich hatte ein wirklich außergewöhnliches Leben und die Tiefen, durch die ich gegangen bin, gehören dazu. Von meinen „neun Leben” habe ich vermutlich fast alle aufgebraucht. Tief in meinem Herzen bin ich unendlich dankbar, für das, was mir gegeben wurde.
Luke, danke für das Gespräch und das Teilen dieser sehr persönlichen Einblicke.
Auf der nächsten Seite: Steve Lukathers Equipment
Das ist ein wirklich toller Artikel und LUKE macht einen wunderbar abgeklärten Eindruck und es liest sich authentisch! DANKE! Als großer TOTO Fan hoffe ich auch, dass die Jungs noch lange Musik machen und den ein oder anderen neuen Song rausbringen!
Es ist erstaunlich wie viele Songs mich begleitet haben, aber immer wieder taucht ein TOTO Song irgendwo wieder auf und lässt mich meine CD Sammlung neu erleben. Als B.K. Fraktionär sind für mich die ersten 4 Alben die entscheidenden, aber alles andere gehört halt auch in den Platten/CD Schrank, ebenso wie die Lukather Alben!