Interview:

Scott Reeder: Godfather Of Dogs, Cows & Horses

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Scott Reeder ist für viele Bassisten der Godfather of Stoner-Metal. Der 1965 geborene Musiker nahm 1992 den Platz von Nick Oliveri in der Stoner-Rock-Kapelle Kyuss ein, bis er, vier Alben später, nach der Auflösung der Band 1995/1996 unter anderem als Live-Bassist bei Tool fungierte. 2003 war er sogar einer von Robert Trujillos Konkurrenten bei der Bassisten-Neubesetzung von Metallica.

(Bild: Marie Haacks, Warwick)

Mit Metallica wurde es bekanntlich nichts. Scott Reeder brachte 2006 sein erstes und bis jetzt einziges Solo-Album ,TunnelVision Brilliance‘ raus, an dem erstaunlich ist, dass er alle Songs selbst geschrieben und auch alle Instrumente plus den Gesang selbst eingespielt hat. Außerdem wirkte er u. a. auf zwei Alben seiner derzeitigen Band Sun And Sail Club mit.

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Scott, das ist vielleicht eine komische erste Frage, aber wieso hast du fast nie Schuhe an? Und wenn, dann Flip- Flops?

Scott Reeder: (grinst) Ich habe große Füße, so ist es schwer bequeme Schuhe zu finden. Außerdem ist es toll so auf der Bühne zu stehen. Ich fühle mich ohne Schuhe viel wohler und um ehrlich zu sein: Ich hasse Schuhe!

Meinst du damit, dass du so auf der Bühne die Musik besser in deinem ganzen Körper spüren kannst?

Scott Reeder: Ja, genau! Denn du kannst die Vibrationen durch den Boden spüren. Und ich habe immer meine Haare im Gesicht, deshalb ist es sehr nützlich zu fühlen, wo ich hintrete – ohne Schuhe fühle ich mich mehr mit meiner Musik verbunden.

Du lebst auf einer Farm. Brauchst du inzwischen die Natur für deinen kreativen Prozess?

Scott Reeder: Seit sechzehn Jahren bin ich dort. Es bringt mir Frieden mit unseren Hunden, Pferden und anderen Tieren dort zu leben. Es ist still, ich kann mitten in der Nacht rausgehen und höre nur mal ein paar Grillen zirpen, Frösche quaken und Kühe muhen. Es ist einfach sehr friedlich und wirkt immer sehr beruhigend auf mich … Ich habe versucht in der Stadt zu wohnen, und das hat für mich gar nicht funktioniert. Die Menschen waren komisch und unfreundlich zueinander. Nicht mein Ding.

Ist es für dich denn manchmal so, als hättest du zwei Leben? Eins als Musiker und eines als Farmer?

Scott Reeder: Ich habe mindestens zwei! (lacht) Wenn ich im Studio als Produzent arbeite kommen fremde Bands vorbei, dann kommen meine Bands, in denen ich eine komplett andere Rolle spiele. Dann habe ich noch die Farm, da sammelst du Pferdemist ein, baust Zäune und machst Arbeiten, die sich sehr von der Musik unterscheiden. Ich habe immer genug Zeit für jeden dieser Parts und fühle mich dadurch sehr ausgeglichen.

War es anfangs schwer, dich auf das Landleben einzulassen?

Scott Reeder: Nein, meine Frau und ich, wir wollten einen Ort, an dem ich laut sein kann ohne das sich jemand beschwert, und sie wünschte sich die Möglichkeit Pferde zu halten. Es ist wunderschön, mitten in der Nacht rausgehen zu können, um ein Glas Wein zu trinken. Es ist, als würde alles was wir uns jemals erträumt haben sich an diesem Ort bündeln. So oder so habe ich es gehasst, in kleinen Wohnungen dem Getrampel der Mieter über mir zu lauschen oder immer gesagt zu bekommen, dass die Musik oder mein Bass zu laut ist. Ich liebe es einfach tun zu können was ich will. Ich kann sogar meinen Amp vor die Haustüre stellen, so laut aufdrehen wie ich will, und keinen interessiert es.

Vermisst du nicht manchmal die Möglichkeiten der Stadt, zum Beispiel in eine Bar um die Ecke zu gehen?

Scott Reeder: Wir haben auch Bars, so ist das nicht, aber ich gehe nicht so oft dort hin. Und zwanzig Minuten von uns entfernt ist eine Stadt – es ist ja nicht so als würden wir am Ende der Welt wohnen. Und trotzdem fühlt es sich so gut und weit weg an …

Kommen wir mal zu einem anderen Thema – der Musik: Auf deinem Solo-Album ,TunnelVision Brilliance‘ hast du alle Instrumente selbst eingespielt. Lehrreich, oder?

Scott Reeder: Es war auf jeden Fall eine gute Erfahrung, ich habe sehr viel über das eigene Bass- Spiel, das miteinander Harmonieren und über andere Instrumente gelernt. Manchmal hatte ich Tage, an denen ich nur Musik gemacht habe und mir immer bewusster wurde, wie wichtig der Bass als Fundament ist. Ich habe mich in meinem eigenen Bass-Spiel gesteigert und Respekt oder eher Hochachtung vor den anderen Instrumenten bekommen. Das zeigte sich dann hinterher auch in meinen neuen Bands oder generell in der Zusammenarbeit mit anderen Musikern.


Equipment

Linkshänder Scott Reeder spielte in seinen ersten Jahren diverse Rickenbacker-4001-Bässe, später bei Kyuss dann meist einen Ibanez ATK 300; in der Zeit war er auch Ibanez-Endorser. Interessant ist, dass bei seinen Linkshänder-Modellen die Besaitung umgekehrt ist, also G D A E, mit der tiefen E-Saite unten.

(Bild: Marie Haacks, Warwick)

Eben genau so, als würde man einen Rechtshänder- E-Bass linkshändig spielen. Scotts Amp-Setup ist seit der Kyuss-Zeit klassisch: ein Ampeg-SVT-Röhren-Top über zwei Ampeg-8×10″-Cabinets. speaker cabinets. Seit 2013 spielt Scott auch noch einen Warwick Katana Bass, ebenfalls in umgekehrter Besaitung. Zuletzt ließ sich Reeder im Warwick Custom Shop einen Achtsaiter-Bass bauen, mit vier normalen und vier Oktavsaiten. Eine integrierte Metallplatte am Ende des Griffbretts soll das edle Stück vor Scotts sehr heftiger Spielweise schützen. Bei einer unverbindlichen Preisempfehlung von 14.790 Euro sicherlich sinnvoll.


Arbeitest du denn lieber in einer Band, also mit anderen Musikern zusammen, oder spielst und schreibst du lieber deine eigenen Songs?

Scott Reeder: Das ist zwiespältig. Es ist sehr befriedigend zurückzuschauen und zu sehen, was ich alleine alles geschafft habe: Es sind meine Worte und meine Gefühle, die ich zum Ausdruck gebracht habe, darauf bin ich stolz! Es hat einen ganz anderen Charakter, wenn man in einen Raum geht und mit drei anderen Musikern spielt. Ideen zu vereinen ist, wenn es gut läuft, das Beste. Ich würde, sofern wir gut harmonieren, immer eine Band bevorzugen!

Beim Warwick Bass Camp 2014 habe ich dich im Aufzug getroffen und du hast ganz stolz berichtet, wem du schon begegnet bist. Ich kannte dich damals nicht, und dachte du wärst ein Schüler, der seine Vorbilder trifft. Bis ich dann gemerkt habe, dass du auch ein Vorbild für andere bist. Hast du dich hier in den ersten Jahren wie ein Fan-Boy gefühlt?

Scott Reeder: Das erste Mal ist mir aufgefallen, dass hier viele Musiker waren, die sehr hart für ihre Musik arbeiten und ich habe mich im Vergleich zu diesen sehr faul gefühlt. Je mehr Tage verstrichen, desto mehr merkte ich, dass jeder unterschiedlich ist und anders mit seiner Musik umgeht. Ich habe nun für mich erkannt, dass es Menschen gibt die gut finden, was ich mache und dass es eben auch die Menschen gibt, die zum Beispiel gut finden, was Alphonso Johnson macht. Ich kann vielleicht Dinge auf meinem Bass, die andere nicht können und andere können vielleicht Techniken, die ich nicht kann. Wir sind einfach alle unterschiedlich und es deprimiert mich nicht mehr. Es scheint eher so als würde man lernen, den anderen und sein Spiel zu mögen. Hier herrscht einfach so viel Liebe. Ich denke das hängt mit der Persönlichkeit eines Bassisten zusammen, immerhin sind wir es, die musikalisch die Band unterstützen und ihr Sicherheit geben. (grinst) Du kannst keine besseren Freunde haben, als eine Gruppe von Bassisten!

Du wirst oft Godfather Of Stoner-Metal genannt. Kannst du dich immer noch mit diesem Titel identifizieren?

Scott Reeder: Sagen wir so: Ich habe nichts dagegen. Ich realisiere mittlerweile, dass das Kyuss- Album ,Welcome To Sky Valley‘ (1994) vielleicht das Album sein wird, für das ich in Erinnerung bleiben werde. Viele der Projekte an denen ich gearbeitet habe, haben genau den Sound den ich haben wollte: zerstörend, schnell und laut. Die Musik, die ich mit Kyuss gemacht habe, hat mehr mit Groove als mit ausgetüftelten Basslines zu tun. Da kann es dann schon mal schnell vorkommen, dass ein und das selbe Lick immer und immer wieder gespielt wird. Aber wenn es das Publikum zum Tanzen bringt, ist alles gut.

Welchen deiner Songs würdest du als dein Spiegelbild beschreiben?

Scott Reeder: Puh, gute Frage. Da gibt es mehrere: Da ist zum Beispiel der Song ,Gardenia‘ vom Kyuss-Album ,Welcome To Sky Valley‘. Der würde mein Bass-Spiel ganz gut beschreiben. Von meinen Emotionen ausgehend kämen alle Songs in Frage, die auf meinem Soloalbum sind. ,Diamond‘ handelt von einem Traum, den ich hatte, als ich vier oder fünf war. Ich hatte geträumt, dass ich einen Diamanten verschluckt habe und Menschen ihn aus mir rausschneiden wollten. Sie haben alle Hautschichten nacheinander von mir runtergeschnitten bis sie in meinem Fleisch den Diamanten gefunden haben. Dazu muss man sagen, dass ich damals nicht wusste, wie der menschliche Körper aufgebaut ist. Komischer Traum für einen Vier- oder Fünfjährigen … ich weiß auch nicht wie das zustande kam. Und dann gibt es da noch ein Lied für meine Frau, das ich zu unserem zwanzigsten Hochzeitstag geschrieben habe. Ich hab die CD auf ihr Kopfkissen gelegt, der Song heißt ,As We Become‘ und ist auch nicht auf dem Solo-Album. Das ist definitiv mein liebster Song, es ist ein Liebeslied an meine Frau und handelt von gemeinsamen Wachsen, Vergebung und immer stärker werdender Liebe. Die meisten meiner Aufnahmen sind sehr vollgestopft mit negativen Gefühlen –dieser ist einfach nur positiv!


Aus Gitarre & Bass 04/2017

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Lieb den Typen.
    Der sollte ein signature rausbringen Im Retro Design.

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