Im Interview

Roger Waters & Dave Kilmister: Brothers In Time

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(Bild: Matthias Mineur)

Anfang Oktober 2020 veröffentlichte der britische Bassist/Sänger Roger Waters mit ‚Us + Them‘ eine grandiose Live-DVD mit Aufnahmen seiner Tournee der Jahre 2017 und 2018. Es ist, wie könnte es anders sein, eine Art Pink-Floyd-Werkschau, Waters früherer Band, mit dem Hauptaugenmerk auf die Albumklassiker ‚Dark Side Of The Moon‘ (1973), ‚Wish You Were Here‘ (1975), ‚Animals‘ (1977) und – seiner wichtigsten Scheibe – ‚The Wall‘ (1979).

Seit fast 15 Jahren fester Bühnenpartner des 76-Jährigen ist der Engländer Dave Kilmister, der bei fast allen wichtigen Songs die Gitarren-Parts von Pink-Floyd-Frontmann David Gilmour übernommen hat. Von alldem und von Waters ungewöhnlicher Karriere erzählt ‚Us + Them‘.

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Im Unterschied zu seinen thematisch oft verstörenden Soloscheiben sind die Pink-Floyd-Alben ‚Dark Side Of The Moon‘, ‚Wish You Were Here‘, ‚Animals‘ und ‚The Wall‘ absolute Rock-Klassiker, die bis in die Gegenwart hinein ihre Attraktivität behalten haben. Als Zuschauermagneten sorgen sie regelmäßig dafür, dass die Hallen auch dann voll sind, wenn der 76-Jährige mit seiner Solo-Band auf Tour geht und in bester Pink-Floyd-Tradition Mauern einreißen, Flugzeuge explodieren und überdimensionale Plastikschweine fliegen lässt.

Wie das alles im Detail aussieht, dokumentiert Waters nun in seinem neuen Konzertfilm ‚Us + Them‘. Er zeigt den streitlustigen Musiker so, wie man ihn kennt: authentisch, ambitioniert und als leidenschaftlicher Mahner vor menschenverachtender Politik, wie er sie speziell bei Donald Trump sieht.

Natürlich findet man auf ‚Us + Them‘ auch den größten Hit, den Waters jemals geschrieben hat und der wie wohl kein zweiter seine permanente Wut und Enttäuschung, aber auch die notorische Kämpfernatur des Engländers zeigt: ‚Another Brick In The Wall‘, ein Gleichnis auf die Erniedrigung verängstigter Schüler durch rücksichtslose Pauker – zusammengefasst: Die Schule macht krank! „Das Album war zweifelsohne das anspruchsvollste und ungewöhnlichste, das wir in unserer Laufbahn gemacht haben“, erklärte später Pink-Floyd-Schlagzeuger Nick Mason und ergänzte: „Nie zuvor hatten wir musikalisch so hart gearbeitet und uns so strikt an die Vorgaben gehalten.“

Besagte Vorgaben stammten fast ausschließlich von Waters, der quasi im Alleingang seine Lieder durchzuboxen versuchte und dabei auf entschlossenen Widerstand der übrigen Floyd-Mitglieder stieß. Speziell Gitarrist David Gilmour waren die melancholischen, selbstzweiflerischen Stücke in ihrer Gesamtheit zu spröde. Gilmour versuchte mit deutlich melodischeren Nummern wie das mit einem Jahrhundert-Riff ausstaffierte ‚Run Like Hell‘ und dem vor hymnischer Melodieführung nur so triefenden ‚Comfortably Numb‘ die Scheibe vor einer allzu lähmenden Depressivität zu bewahren.

Nur widerwillig ließ Waters diese Einflussnahme auf sein Meisterkonzept zu, rangelte mit seinen Kollegen um Autorität und Kompetenzen, um schließlich Rick Wright noch während der laufenden Produktion wegen dessen angeblich allzu offensichtlichen Desinteresses zu feuern. Bemerkenswert: ‚The Wall‘ thematisierte nicht nur die Entfremdung zwischen Künstlern und ihren Fans, sondern verursachte genau diese auch unter den vier Pink-Floyd-Mitgliedern.

Waters Fender Precision
Waters Bass-Anlage mit Ampeg SVT-7 Pro, Ampeg Pro Neo und TC Electronic M350

Auf der Tournee 2017/2018 waren es allerdings mehr Songs von ‚Dark Side Of The Moon‘ als von ‚The Wall‘, die Waters mit weiteren wichtigen Stücken seiner kommerziell erfolgreichsten Pink-Floyd-Jahre garnierte. Beeindruckend die Akribie und klangliche Nähe zu den Originalaufnahmen, mit denen der Mann dieses Material bei jeder Show intoniert. Grundlage dafür bilden die auf all seinen Tourneen durchweg exzellenten Instrumentalisten, die Waters mit sicherem Gespür um sich schart und zu denen jahrelang auch der großartige Snowy White gehörte. Aktuell sind seine beiden wichtigsten Partner der ebenfalls Pink-Floyd/David-Gilmour-erfahrene Jon Carin (Keyboards) und – bereits seit 2006 – der Engländer Dave Kilmister, der Seite an Saite mit Waters die wichtigsten Gilmour-Leads und -Hooks übernommen hat.

4 FRAGEN AN DAVE KILMISTER

(Bild: Matthias Mineur)

Dave, wie bereitest du dich auf ein neues Programm der Roger-Waters-Band vor?

Schon vor vielen Jahren habe ich mir die betreffenden Pink-Floyd-Scheiben gekauft und versucht herauszufinden, welche Sounds verwendet und welche Gitarren eingesetzt wurden. Ich war überrascht, wie viele klassische Gitarren beispielsweise auf ‚The Wall‘ zu finden sind. Welche Parts ich letztendlich übernehmen soll, weiß ich allerdings immer erst dann, wenn Roger sich final entschieden hat. Bei ihm muss man immer auf alles gefasst sein.

Auf der Tour zu ‚The Wall‘ beispielsweise haben wir im letzten Song ‚Outside The Wall‘ ausschließlich akustische Instrumente gespielt. Wir probten die Nummer beim Soundcheck und ich fragte Roger: „Soll ich da überhaupt mitspielen?“ Er entgegnete: „Natürlich! Spiel doch einfach mal … ähm … lass mich kurz überlegen … ein Banjo.“ Er ging einfach davon aus, dass ich Banjo spielen kann, obwohl ich es noch nie in meinem Leben getan hatte. Am nächsten Tag war ein Banjo da, ich schaute wie es gestimmt ist, suchte mir die Akkorde heraus und spielte es.

Die Perfektion eurer Show ist wirklich beeindruckend und sieht nach akribischer Detailarbeit aus.

Das ist es auch. Auf den Tourneen gibt es fast täglich einen umfassenden Soundcheck. Jeden Tag! Mitunter sogar noch nach weit über 100 Konzerten! Roger schaut sich oft am Abend die Aufnahmen der vorherigen Show an, macht sich Notizen, und erklärt uns am nächsten Tag, woran gearbeitet werden soll. Manchmal geht es ums Licht, manchmal um Keyboard-Sounds, um Dynamiken, irgendetwas im Detail.

Fruchtet diese Akribie auch in deinem Fall?

Oh ja, absolut. Es gibt tatsächlich immer ein paar Passagen, die ich noch besser spielen könnte. Das hält mein Interesse an den Songs wach. Ich denke, genau dies ist Rogers Anspruch, auch er möchte, dass die Show jeden Abend noch ein klein wenig besser als am Abend zuvor ist.

Wie sieht es mit deinem Equipment aus?

Auch das variiert von Tour zu Tour. Im Unterschied zur ‚Dark Side‘-Tour musste ich zum Beispiel bei ‚The Wall‘ hinsichtlich der Effektgeräte etwas vielseitiger aufgestellt sein. Also besorgte ich mir ein paar bessere Delays, sowie neue Chorus- und Reverb-Pedale. Das, was die Leute an meinem Spiel am meisten mögen, ist das, was ich mit meinem cleanen Sound mache.

Doch mit meinem früheren Setup ließen sich keine wirklich schönen Clean-Sounds erzeugen. Also stieg ich auf Brunetti um. Der Brunetti Mercury ist unglaublich gut, und die Leute der Firma sind extrem freundlich und hilfsbereit. Seitdem ich den Brunetti entdeckt habe, könnte ich mit meinem Sound nicht glücklicher sein. Darüber hinaus benutze ich das Chorus Ensemble von Boss und vier Suhr-Custom-Gitarren.

Daves Suhr-Signature
John Suhr Custom
Die beiden Brunetti Mercury
Das ‚The Wall‘-Pedalboard für die elektrischen Sounds
Das Pedalboard für die akustischen Signale

EQUIPMENT DAVE KILMISTER

● 4× Suhr Custom
● Martin OM28 Acoustic (für ‚Wish You Were Here’)
● Martin D12-28 Acoustic (für ‚Welcome To The Machine’)
● 3× Brunetti Mercury Heads (davon zwei als Ersatz)
● 2× Brunetti 4×12-Cabinets
● GigRig G2
● Strymon Big Sky
● Strymon Timeline
● Strymon Lex
● Strymon Flint
● Fulltone Dejavibe
● Dunlop Phase 90 (EVH 35th Anniversary)
● Hermida Zendrive
● Suhr Riot
● Boss Chorus Ensemble
● Dunlop Jimi Hendrix Fuzz Face Mini
● Eventide TimeFactor
● Dunlop MXR Voicebox (für ‚Pigs’)
● Xotic EP Booster
● Dunlop Jerry Cantrell Signature Wah
● Dunlop Volume Pedal
● Boss Tuner TU-3S


DIE VIER WICHTIGSTEN PINK FLOYD-SCHEIBEN

DARK SIDE OF THE MOON (1973)

Mit ‚Dark Side Of The Moon‘ gelang Pink Floyd nicht nur das wichtigste Album ihrer Karriere, sondern auch eine der bedeutendsten Veröffentlichungen der gesamten Musikgeschichte. 825 (!) Wochen war das Album ununterbrochen in den Billboard-Charts und ist mit knapp 50 Millionen verkaufter Einheiten auf Platz 3 der Bestselling Records aller Zeiten (Platz 1: Michael Jacksons ‚Thriller‘, Platz 2: ‚Back In Black‘ von AC/DC).

WISH YOU WERE HERE (1975)

Fragt man die Pink-Floyd-Musiker selbst, so ist nicht ‚Dark Side Of The Moon‘, sondern das 75er-Opus ‚Wish You Were Here‘ die gelungenste Veröffentlichung ihrer Karriere. Im Mittelpunkt: Der neunteilige Track ‚Shine On You Crazy Diamond‘, ein Klassiker mit Soundtrack-Qualität und einer poetischen Hommage an Gründungsmitglied Syd Barrett. Das Zusammenwirken dieses Monumentalstückes mit dem als Kontrapunkt gedachten Titelsong, dem Business-kritischen ‚Have A Cigar‘ und dem kühlen, aber dennoch erhabenen ‚Welcome To The Machine‘, macht die Scheibe zu einem Inbegriff des perfekten Rockalbums.

ANIMALS (1977)

Pink-Floyd-Fans reagierten irritiert, als 1977 das Konzeptalbum ‚Animals‘ als direkter Nachfolger von ‚Dark Side Of The Moon‘ und ‚Wish You Were Here‘ veröffentlicht wurde. Das überwiegend von Roger Waters komponierte Album klang sperriger und weniger homogen als die beiden Vorgänger. Vor allem der deutlich weniger auf Keyboards basierende Gesamtsound der Scheibe irritierte viele Käufer. Glanzpunkte gab es in der Tat wenige, allerdings zeigen spätere Live-Versionen von ‚Sheep‘, wie viel Substanz der Song hat.

THE WALL (1979)

‚The Wall‘ ist zusammen mit ‚Tommy‘ von The Who das wohl berühmteste und eindringlichste Konzeptalbum der Rockgeschichte. Mehr oder minder im Alleingang arbeitete sich Roger Waters (Ausnahme: Gilmours Beiträge ‚Run Like Hell‘ und Teile von ‚Comfortably Numb‘) am eigenen Leben und an historisch aufbereiteten Parabeln zu Macht und Unterdrückung ab. Ironie der Geschichte: Ebenjene Tyrannei von Machtbesessenen, die Waters auf ‚The Wall‘ anprangert, warfen ihm später seine drei Mitstreiter bei der Entstehung des Albums vor.

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2020)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Der Bias des Autors liegt klar für Gilmour; gut, wieso auch nicht. Aber bitte: Waters war halt der intellektuelle Kopf und Schreiber der meisten Songs. Und Pink Floyd war halt kein Gitarristen-orientierte Band (weshalb es mir zu Anfang schwer fiel, den richtigen Zugang zu bekommen).

    Als einer, der Pink Floyd schon vor den großen Erfolgen kannte, kann ich nicht unwidersprochen lassen, was der Autor als die “wichtigsten” Alben deklariert. Für mich fehlen da unbedingt:
    – Ummagumma
    – Atom Heart Mother
    – Meddle.

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  2. Carlo hat recht – aber mann darf auch nicht The Final Cut vergessen, was ein absoluter meistwerk ist. Und das bester “Pink Floyd” album allezeit, obwohl es nur Roger war, ist “Amused to Death”. Nur schade, das es nicht von PF raus kamm.

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