Meilenstein 1992: Johnny Copeland – Flyin’ High

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(Bild: Polydor Polygram Gitanes Jazz Carol Friedman)

Johnny „Clyde“ Copeland, geboren am 27. März 1937 in Haynesville, Louisiana, zählte zu den international spät entdeckten Protagonisten des Texas Blues. Dessen Ursprünge lernte er – nach einem Umzug mit der Familie – in Houston, Texas kennen. So avancierte etwa T-Bone Walker zu einem seiner Vorbilder. Bereits in jungen Jahren entdeckte Johnny nicht nur die Gitarre für sich, sondern auch seine Fähigkeiten als Sänger und Entertainer, schließlich folgten erste Auftritte.

In den 50ern ging Copeland mit Albert Collins auf Tour, live spielte er auch mit Sonny Boy Williamson II, Freddie King und Big Mama Thornton. Schließlich nahm Copeland 1958 mit ,Rock’n’Roll Lily‘ eine erste Single auf. Yepp, eine schnelle Nummer im Stile des Rock’n’Rolls der 50er. Der Song wird von Bläsern vorangetrieben und bietet ein scharfes Gitarrensolo mit Double Stops in Chuck-Berry-Manier. In den 60ern verband Copeland in Songs wie ,Please Let Me Know‘ und ,Down On Bending Knees‘ seine Blues-Wurzeln mit Soul. In den 70ern zog Copeland nach New York, spielte viel live und veröffentlichte ab 1981 diverse Alben. Mitte des Jahrzehnts erzeugte ,Showdown!‘ viel Aufmerksamkeit. Hier spielte Copeland mit seinen alten Weggefährten Albert Collins und Robert Cray zusammen, einem der Shootingstars der 80er. Für den im Vergleich bis dato etwa in Germany eher immer noch unbekannten Copeland bedeutete das Album sicher einen großen Karriereschub.

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Schließlich fand er bei dem französischen Label Gitanes Jazz eine neue Heimat, und 1992 erschien mit ,Flyin’ High‘ eines seiner vielleicht spannendsten Alben. Los geht’s mit dem von Bläsern befeuerten Titelstück, das mit tighten Drums und Bass so richtig fett nach vorne shuffelt. Rollendes Piano umspielt Johnnys kraftvolle Stimme. Es gab einige weitere klasse Nummern in diesem Stil. Daneben präsentierte der „Texas Twister“ auch Funkiges in ,San Antone‘ und im rein instrumentalen ,Thigpen (Cornball)‘.

Und es gab zwei Überraschungen. Dem Cajun-Klassiker ,Jambalaya (On The Bayou)‘ verpasste Dr. John am Klavier und als Co-Sänger eine fette Portion New-Orleans-Jazz. Der Herr Doktor ist auch im ruhigen ,Circumstances‘ dabei. In beiden Nummern konzentrierte sich Copeland auf den Gesang, die Lead-Gitarren überließ er dem virtuosen Joe Hughes, der mit Copeland bereits in den 50ern zusammengespielt hatte. Plus den Rhythmikern Bobby Kyle, Joel Kerry und Jan De Bruyn waren auf dem Album also gleich fünf Gitarristen am Start. Der lebendige ,Love Song‘ verbindet Blues und Zydeco, das stiltypische Akkordeon spielt hier Buckwheat Zydeco. Zu den weiteren Gästen des Albums zählen The Calvin Owens Rhythm Orchestra (trpt, kb, g, b, dr) und The Uptown Horns, die gerade von einer Europa-Tournee mit den Rolling Stones zurückgekehrt waren.

Blues from Texas (Bild: John Hahn)

Zu den Höhepunkten von ,Flyin‘ High‘ gehört die soulige Ballade ,Promised Myself‘ und das wirklich fantastische ,Greater Man‘. Wie in vielen anderen Songs des Albums auch, startet letzteres mit einem beseelten Solo. Noten werden lange ausgehalten und mit Fingervibrato verziert, was sich mit schnellen Licks und weichen Bends abwechselt. Johnny hat hier einen knackigen Ton. Er schlug die Saiten mit Plektrum an, allerdings kann bei diesem Musiker der alten Schule nicht ausgeschlossen werden, dass er zwischendurch auch mal nur mit den Fingern gespielt hat. Die sehr eigene Phrasierung fiel immer dynamisch aus. Teilweise springen die Licks den Hörer regelrecht an.

An solchen Stellen klingt es, als hätte Johnny so richtig in die Saiten reingehauen. Dabei bleibt der Gitarren-Sound unverzerrt und vergleichsweise höhenbetont. Copeland war bekannt dafür, eine weiße Peavey T-60 und einen Peavey-Heritage-VTX-Verstärker zu spielen. Das Albumcover und auch Live-Videos der Zeit legen nahe, dass Johnny auf diesem Album auch eine Gibson Les Paul gespielt hat.

1989: Boom Boom zeigt Mr. Copeland mit seiner Peavey T-60 (Bild: Rounder Deborah Feingold SB)

Johnny Copeland widmete ,Flyin’ High‘ u. a. Blues-Ikone Willie Dixon und dem Texaner Stevie Ray Vaughan. Gerade mit letzterem verband Copeland, der für den jungen Stevie ein Idol war, eine Musiker-Freundschaft. So wirkte Vaughan in den 80ern bei den Copeland-Nummern ,Don’t Stop By The Creek, Son‘ und ,When The Rain Starts Fallin’‘ mit. Umgekehrt bat Vaughan 1985 – beim Jazzfestival Montreux – Johnny Copeland auf die Bühne, um mit ihm ,Cold Shot‘, ,Tin Pan Alley (aka Roughest Place in Town)‘ und ,Look At Little Sister‘ zu spielen.

Stevie Ray Vaughan kam bekanntermaßen bei einem Helikopterabsturz am 27. August 1990 ums Leben. Johnny Copeland, der an einem angeborenen Herzfehler litt, starb am 3. Juli 1997 an den Folgen einer Herzoperation. Sein viertletztes Album zu Lebzeiten spiegelt letztlich sein Schaffen, vom erdigen Blues der 50er über die Soul-Phase der 60er bis hin zum modernen Blues der 80er. ,Flyin’ High‘, das eher getragener und introvertierter ausfiel, etwa im Vergleich zum Vorgänger ,Boom Boom‘, zeigt Johnny Copeland eben auch als cleveren Songwriter. Dieses einfach starke und berührende Album ist wirklich ein Tipp für Blues-Fans!

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2023)

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