Im Interview

Maasl Maier: Unternehmen Krautrock-Bass

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(Bild: Enid Valu)

Der Bassist und Multi-Instrumentalist Marcel Maasl Maier gehört zu einer inzwischen seltenen Gattung professioneller Musiker:innen. Der 33-Jährige macht nur Musik, die er „verkörpern“ kann. Und obwohl diese weit abseits des Mainstream liegt, kann er davon leben – „gut“, wie er sagt. Das funktioniert im Prinzip über die Masse. Derzeit spielt er in sechs Bands oder Projekten, die stilistisch alle im Bereich Kraut- und/oder Jazzrock operieren. Nebenbei arbeitet er noch als Tontechniker fürs Theater, hauptsächlich für das HochX.

Als wir uns in seinem Studio im Münchener Westend treffen, freut er sich, nach mehreren Monaten, die voll mit Reisen und Konzerten waren, über drei Wochen Pause zu Hause. Bekannt ist Maasl hauptsächlich als Bassist der legendären Krautrock- und Weltmusikformation embryo, die 1969 in München von Christian Burchard gegründet wurde und seit dessen Tod Ende 2018 von seiner Tochter Marja geleitet wird. Bei embryo gehört Maasl seit einigen Jahren zur Kernformation. Angefangen hat er dort als Percussionist. Weil Burchard das so wollte. Aber mal von vorne.

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LEARNING BY DOING

Wie bist du zur Musik gekommen?

Ich habe schon als Kind wahnsinnig gerne Musik gehört, Cream, Queens of the Stone Age, Jimi Hendrix. Als ich 17 oder 18 war, hat mir meine Tante auf meinen großen Wunsch hin eine Akustikgitarre geschenkt. Ich hatte ein bisschen Unterricht und habe mir dann ziemlich schnell meine erste E-Gitarre gekauft. Das war damals eine Epiphone Les Paul.

Wie sah der Unterricht aus?

Mein Gitarrenlehrer hat mir die Songs, die ich lernen wollte, rausgehört und beigebracht. Unter anderem Sachen von Cream und den Beatles. Ab und zu hat er mir einen Akkord oder etwas Theorie erklärt. Aber in erster Linie ging es ums Hören. Irgendwann zog er weg.

Dann hast du als Autodidakt weitergemacht?

Ja, fürs Erste. Damals habe ich ein Praktikum in einem Musikgeschäft gemacht. Da kam immer einer vorbei, der Schule schwänzte. Wir jammten öfters miteinander und freundeten uns an. Er hat mich dann nach Schwabing in seinen Proberaum eingeladen. Kurz danach war ich in der ersten Band. In dieser Phase habe ich Georg Buchner kennengelernt, als wir im Park einen Joint rauchten. Er saß dort und spielte wahnsinnig schön Konzertgitarre. Das war eigentlich mein erster richtiger Lehrer. Zu der Zeit war ich fast täglich bei ihm zu Hause, um mit ihm Gitarre zu spielen. Ihm habe ich sehr viel zu verdanken.

Wann bist Du zum Bass gewechselt?

In der ersten Band damals, Haus des Lächelns, gab es schon zwei Gitarristen, demnach musste ich zum Bass wechseln. Der Klassiker also.

Was habt ihr stilistisch gemacht?

Das war im weitesten Sinne Bluesrock. Einflüsse waren die Garage- und Psychedelic-Bands der End-60er, wie Cream, Hendrix, The 13th Floor Elevators oder Ultimate Spinach. Wir waren damals alle in diesem Hippie-Modus.

Interessant, dass jemand aus deiner Generation so auf die Musik der späten 1960er steht.

Das begleitet mich bis heute. Ich denke oft, ich bin in der falschen Zeit geboren.

Wie ging es weiter mit deinen Bands?

Mit Andi Kainz, dem Keyboarder von Haus des Lächelns, und zwei engen Freunden haben wir damals The Hash Assassins gegründet. Das war auch wieder Endsechziger Psychedelic Rock mit hypnotischem Touch. Ich saß hinter dem Schlagzeug.

Und dann kam Karaba?

Ja. Hash Assassins löste sich nach einem Jahr schon wieder auf. Aus diesem Dunstkreis hat sich dann 2014 Karaba (neben embryo Maasls Hauptband, Anm. d. A.) entwickelt. Dort spielte ich wieder Bass.

Was ist der Ansatz von Karaba?

Wir haben damals nur gejammt, stundenlang. Auch bei unseren Konzerten. Unsere musikalischen Interessen gingen Richtung Soft Machine, Kraan, Can und überhaupt Krautrock. Für unser erstes Album haben wir Passagen aus Proberaumaufnahmen ausgesucht und zu Stücken montiert. Darauf folgte eine irre kreative Phase, in der wir sehr viele Stücke entwickelt haben, von denen leider viele in Zeit und Raum steckengeblieben sind.

In welchen Bands spielst du derzeit?

Momentan spiele ich bei sechs Bands. Embryo und Karaba sind meine Hauptbands, in denen ich sozusagen Teil des Kollektivs bin. Bei den anderen Bands und Projekten, Karl Hector & the Malcouns, Hodo Gaia, Fehler Kuti und die Express Brass Band, bin ich eher Dienstleister. Also im positiven Sinne.

Was macht den Reiz deiner Hauptbands für dich aus?

Embryo schafft viel Freiraum für musikalische Ausdrucksformen. Als Bassist kann ich sehr viel ausprobieren und mich weit aus dem Fenster lehnen, etwas Virtuoses spielen oder mit Effekten und Klängen experimentieren. Karaba ist für mich eher musikalischer Hochleistungssport. Einfach weil es sehr komplex ist. Alle paar Sekunden gibt es Rhythmus- oder Tonartwechsel. Vieles ist so komponiert, dass es gerade so noch spielbar ist. Dazu kommt die Herausforderung, sich das alles zu merken. Der hauptsächliche Reiz ist aber bei beiden einfach die Musik an sich.

EMBRYO

Wie bist du zu embryo gekommen?

Im Karaba-Proberaum gab es keine Toilette. Wir mussten zum Pinkeln heimlich in den Hof. Eines Nachts haben wir in der Nähe Live-Musik gehört. Also sind wir dem Sound hinterher über die Zäune gesprungen und landeten im Nietzsche-Keller. Und dort spielte embryo. Obwohl wir uns intensiv mit Krautrock beschäftigt hatten, war embryo uns damals kein Begriff. Aber wir waren total aus dem Häuschen. Von da an waren wir immer auf den Konzerten. Mit der Zeit lernten wir Marja persönlich kennen. Sie hat uns dann bei embryo reingebracht.

Aber entschieden hat sowas Christian Burchard, oder?

Ja, der kam irgendwann aus dem Nichts und lud uns ein, mit zu einem Festival in Gorleben zu kommen. Es hat nicht viel Bedenkzeit gekostet. Wir haben dann zweimal vor embryo gespielt. Ich war Feuer und Flamme, weil embryo mich wahnsinnig beeindruckt hat.

Was genau hat dich beeindruckt?

Christian, das wandelnde Lexikon. Er war so belesen und wusste unglaublich viel über Musik aus aller Welt und Genres. Der war fast wie ein Guru, ein totales Genie. Und dann diese Rhythmen, die mir vorher nie ein Begriff waren, die Skalen, die verschiedenen Instrumente. Und überhaupt das Konzept: immer neue Musiker, die einfach zusammenspielen. Ab und zu entsteht Kakophonie und dann wieder geschehen Wunder auf der Bühne.

Wie ging’s dann weiter?

Marja kam öfters zu uns in den Proberaum und hat uns Rhythmen gezeigt: 7/8, 9/4. Sowas hatten wir vorher vielleicht mal unterbewusst gespielt, aber das wirklich zu begreifen, war etwas komplett Neues. Daraufhin haben wir uns total reingefuchst. Eines Tages hat mich Christian zu Proben eingeladen. Erstmal als Percussionist. Dabei wusste er, dass ich Bass spiele. Aber es lief immer gleich ab: Ich kam mit meinem Bass in den Proberaum und er sagte: „Hier ist die Trommel.“

Er war total kühl und hatte manchmal etwas an sich, dass man immer so leicht gereizt war. Gleichzeitig hatte ich zu viel Respekt, um ihm zu widersprechen. Irgendwann vor einem Konzert mit afghanischen Musikern meinte er dann: „Morgen spielst du Bass.“ Ich hatte keines dieser Stücke auf dem Bass gelernt. Er meinte: „Das kriegst du schon hin. Aber ich will, dass du Kontrabass spielst.“ Ich hatte nie zuvor einen Kontrabass in der Hand. Er hat mich total ins kalte Wasser geworfen. Aber es hat funktioniert.

Was ist bei embryo frei, was festgelegt?

Ich habe damals wie heute in den Proben viele traditionelle Stücke aus aller Welt gelernt. Das war die Voraussetzung. Aber das diente live nur als Basis. Für mich war das eine ganz wichtige Schule. Live sind viele schon tausend Tode gestorben mit Christian. Als der Karaba-Drummer Jakob Thun zum ersten Mal bei embryo mitgespielt hat − inzwischen gehört er auch zur Kernbesetzung −, hatte er seinen 21. Geburtstag. Christian hat ihn auf die Bühne geholt und mit ihm oder für ihn einen 21er-Beat gespielt. Jakob wusste erstmal nicht, wo oben und unten ist. So ging’s vielen mit Christian.

Der Aria Pro II: für Maasl der Bass der Bässe
Exotische Instrumente gehören auch zu Maasls umfangreichem Fuhrpark: Jazzmaster mit Viertelton-Bundierung wie bei einer Saz/Baglama
Maasls Pedalboard, mit dem er auch strange Sounds produzieren kann. Der Birthday Driver ist tatsächlich ein Geburtstagsgeschenk von einem befreundeten Pedalbauer. Außerdem auf dem Board: Elite Acoustics Stompmix X4, Sinvertek Fluid Time, Moog MF Ring, Fender Marine Layer Reverb, MXR Phase 95, Electro Harmonix Pitch Fork, Electro Harmonix Freeze Sound Retainer & Behringer UV300 Ultra Vibrato
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Die afghanische Rubab
Das Mysterium. Auch Maasl weiß nicht, wie dieses Teil heißt. Er nennt es behelfsmäßig „Umlaute“

 

DER BASS

Was war dein erster Bass?

Witzigerweise habe ich am Anfang Fretless-Bass gespielt. Warum auch immer ich diese Idee hatte, als Anfänger! Irgendwie fand ich den Sound jedenfalls interessant. Intonationssicher war ich natürlich erstmal nicht. Später bin ich zu einem bundierten Bass gewechselt.

Wie würdest du deinen Stil beschreiben?

Ich spiele nicht sehr zurückhaltend, sondern schon sehr weitflächig und melodiös mit vielen Variationen und auch mit relativ vielen Tönen in kurzer Zeit. Das kann man mögen oder nicht.

Hattest Du mal Bassunterricht?

Nö, ich habe mir alles selbst beigebracht.

Gibt es Bassist:innen, an denen du dich orientierst?

Nein, ich neige nicht so sehr zu Vorbildern. Der einzige, von dem ich mir mal was rausgehört habe, war Hellmut Hattler. Sein durch das Plektrum geprägter Stil hat mich gepackt.

Lass uns über deinen Aria-Pro-Bass reden. Der ist ja dein Hauptinstrument.

Ja, so ist es. Ich hatte im Laufe der Zeit irre viele verschiedene Bässe: Rickenbacker, Höfner, Jazz Bass, alles mögliche. Die waren alle auf ihre Art ganz okay. Aber nichts hat mich so beeindruckt wie der Aria. Den hatte sich mal der Saxophonist von embryo gekauft. Ich nahm ihn in die Hand und dachte: Genau so muss sich das anfühlen. Es war, als wäre er für mich gemacht, wie das perfekte Paar Hosen oder Liebe auf den ersten Blick. Jedenfalls wollte ich dem Saxer den Bass abkaufen.

Ich hatte diverses anderes Zeug verkauft und etwas über 1000 Euro zusammengekratzt, aber er sagte „nein“. Dann bin ich durch die Musikläden gezogen, um etwas Adäquates zu finden. Aber auch Bässe, die deutlich über meinem Budget lagen, haben mich nicht so überzeugt wie der Aria. Als ich mich damit abgefunden hatte, bei meinem alten Bass zu bleiben, kam doch noch die Wende. Der Saxophonist hatte sich durch das ziemlich hohe Gewicht des Basses am Rücken verletzt, und er brauchte Geld für eine Reise. Das war der Moment, als er mir den Bass endlich verkauft hat – für den Preis, zu dem er ihn bekommen hatte: 300 Euro.

Was weißt du über den Bass?

Er ist wohl Ende der 1980er in Japan bei Matsumoku gebaut worden und wurde sogar recht bekannt, weil Cliff Burton von Metallica einen gespielt hat. Er hat eine aktive Elektronik. Zu Pickups und so weiter kann ich eigentlich gar nichts sagen. Ich habe noch eine Drop-D-Mechanik eingebaut. Jedenfalls hat er enormen Druck, egal, wo du ihn anschließt. Er klingt immer voll und schön. Wenn der irgendwann mal weg sein sollte, höre ich auf zu spielen. (lacht)

DIE ZUKUNFT

Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Ich möchte gerne ein Soloalbum aufnehmen. Viele meiner Stücke sind zwar im Repertoire meiner Bands gelandet. Aber in meinem Fundus gibt es noch wahnsinnig viele Skizzen und Ideen, aus denen ich als Solo-Künstler etwas machen möchte. Ansonsten hoffe ich, weiterhin so viel spielen zu können und nicht den Spaß dabei zu verlieren. Ich freue mich, wenn ich viele gute Angebote bekomme, von denen ich gut leben kann, aber ich möchte nicht, dass es zu sehr in Richtung Job und Fließbandabfertigung geht.

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2023)

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