Im Interview

Keb’ Mo’: Sonne im Herzen

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(Bild: Jeremy Cowart)

Gerade eben 70 Jahre alt geworden, schaut Keb’ Mo’ trotz der Pandemie zufrieden und positiv in die Zukunft. Entsprechend hat er sein neues Album ‚Good To Be‘ betitelt. Neben dem Blues erklingen darauf Stile wie Soul, Folk und sogar eine Prise Country-Twang.

Die breite Auswahl reflektiert die beiden Welten, zwischen denen er sich bewegt: Los Angeles, aus dem er kommt, und Nashville, wo er seit über zehn Jahren lebt. Die gute Laune indes scheint ihm angeboren.

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Keb’, im Info der Plattenfirma steht folgendes Zitat von dir: „Ich glaube, dass Musik die Kraft hat zu heilen. Ich möchte, dass dieses Album den Menschen ein gutes Gefühl und Freude vermittelt.“ Bei mir funktioniert das gut. Es fühlt sich beim Anhören warm und sonnig an.

Danke. Den entsprechenden Track ‚Sunny And Warm‘ habe ich übrigens gemeinsam mit meinem alten Freund Steve Dorff komponiert. Er ist ein sehr berühmter Songschreiber und war gerade in der Nähe eingezogen. Wir trafen uns bei meinem Morgenspaziergang und beschlossen, eine Nummer aufzunehmen. Steve hat ein Studio in seinem Haus, der Song ergab sich fast wie von selbst.

Manchmal denke ich, Lieder wie dieses sind albern. Warum sollte ich so etwas machen? Die Antwort: einfach, weil es sich so ergeben hat. Am Ende vertraue ich meinen Instinkten. Ich will immer in eine positive Richtung gehen und möchte über positive Dinge sprechen, denn ich glaube fest daran, dass das, dem du deine Aufmerksamkeit im Leben schenkst, das ist, was du bekommen wirst.

Kannst du etwas zu den sonstigen involvierten Personen des Albums sagen – etwa den beiden Co-Produzenten Vince Gill und Tom Hambridge, aber auch zu Gitarristen wie Christone „Kingfish“ Ingram oder den Bassisten Marcus Miller? Warum hast du sie ausgesucht?

Grundsätzlich würde ich die Gitarrenparts auch alleine hinbekommen, ebenso das Produzieren. Aber ich habe gerne meine Freunde dabei und damit verschiedene Energien. Vince Gill etwa bringt etwas ein, das ich nicht habe: eine eigene Wärme und dazu hohe Kunstfertigkeit. Jeder, der durch die Studiotür kommt, bringt etwas mit. Tom Hambridge ist ein Freund, Vince Gill ebenso. Und sie sind tolle Produzenten und großartige Kollaborateure. Du weißt nicht, was passiert, wenn sie den Raum betreten.

Christone „Kingfish“ Ingram war der perfekte Mann für ‚Marvelous To Me‘. Da heißt es im Text: „The future looks marvelous to me.“ Es geht dabei um die Zukunft der Welt, aber auch die Zukunft des Blues. Auf dem Track spiele ich das erste Solo mit der Resonator, also das alte Zeug, und wenn Kingfish dann reinkommt, ist das die Zukunft. (lacht)

Also quasi eine Fackelübergabe.

So ist es: die Brücke von den Anfängen des Blues mit Slide bis heute. Christone spielt den Blues so gut wie jeder alte Bluesman – oder sogar besser. Es gibt im Song eine Referenz an Martin Luther King, auch dazu passte alles. Es musste einfach Kingfish sein. Ich wäre sehr enttäuscht gewesen, wenn er es nicht hätte machen können. Er hat mich bei unserem Treffen in Memphis total begeistert. Er lebt in Clarksdale, ich in Nashville. Wir haben es in den Royal Studios aufgenommen, wo auch die ganzen Al-Green-Alben entstanden sind. Ich brachte die Dateien mit, er spielte, dann fuhren wir beide wieder nach Hause. Es war fantastisch – und einer der speziellsten Momente auf dem Album.

Wie lange hat die Session gedauert?

Vielleicht drei Stunden. Aber wir haben davon auch einige Zeit miteinander gesprochen. Dazu kamen die ganzen Routinen: Amp aufbauen, Gitarre checken, Sounds hinbekommen, schauen, was funktioniert und passt. Kingfish ist ein sehr gut ausgebildeter Musiker, nicht nur ein Blues-Typ. Er fing in der Kirche an. Jedenfalls brachte er einige spezielle Dinge und Ideen ein. Am Ende des Songs spielt er diesen Major 7/9/13. Das hat mich sehr beeindruckt. Er versteht Musik und kann sofort zu allem spielen. Er hat ein absolutes Gehör und ist fast so etwas wie ein Wunder. Ihn zu haben, war eine große Sache. Wen hast du noch erwähnt?

Marcus Miller.

Für ihn gilt ähnliches. Marcus Miller ist einer der besten Bassisten auf der Welt – und er ist ein Freund von mir. Ich habe ihm ein Demo geschickt, auf dem noch kein Schlagzeug drauf war, nur ein Click. Marcus hat dann mit dem Bass den Ton vorgegeben. Er spielte, als ob er wüsste, was auf der Nummer passiert und veränderte Patterns an verschiedenen Parts – so als ob alles da wäre. Wir haben den Rest um seinen Bass herumgebaut und keine einzige Note geändert. Es ist perfekt. Auf ‚So Good To Me‘ spielt Victor Wooten, außerdem hatten wir Anton Nesbitt dabei. Auf einigen Nummern habe ich auch selber Bass gespielt.

Arbeitest du deine Soli aus, bevor du ins Studio gehst? Oder improvisierst du eher?

Ich improvisiere fast ständig (lacht). Wenn ich ein Solo auf einer Platte gespielt habe und es darum geht, es live zu spielen, fange ich meist mit dem Part von der Aufnahme an, komme dann aber ganz woanders raus.

Warum? Kannst du dich nicht erinnern? Oder folgst du eher einem jazzigen Ansatz?

Ich kann mich tatsächlich nicht genau an die einzelnen Noten erinnern. Das konnte ich noch nie. Manchmal denke ich, ich habe Alzheimer. Woran ich mich jedoch erinnern kann, sind Skalen und Modes. Ich kenne viele davon, wie Melodisch Moll, Harmonisch Moll, verminderte Skalen oder Ganzton-Skala. Ich weiß, was wozu gehört. Wenn ich ein Solo spiele, springe ich zwischen ihnen herum und versuche, einen Mode zu finden, der passt. Ich liebe Mixolydisch.

In den Credits des Albums werden Firmen wie PRS, Gibson, Martin oder National, aber auch kleinere Brands wie Bedell oder Hirsch erwähnt. Welches waren deine Hauptinstrumente bei den Aufnahmen?

In Sachen E-Gitarren war es dieses Mal die PRS, die ich schon länger habe – das Custom-Modell, das Paul für mich gebaut hat. Für die Nylon-Sachen kam eine Bedell zum Einsatz, als Akustik habe ich meist eine Gibson Keb’ Mo’ Bluesmaster verwendet. Die Resonator auf ‚Marvelous To Me‘ ist eine M2 Mahagoni National Resophonic. Auf ‚Good Strong Woman‘ spielt Vince Gill eine Vintage-Martin. ‚Quiet Moments‘ ist die Bedell.

Der Bass, den ich benutze, wenn ich die tiefen Töne spiele, ist ein Ibanez Soundgear. Auf den bin ich besonders stolz. Ich weiß nicht mal genau, welches Modell es ist. Ich habe ihn in einem Guitar Center gekauft. Es ist ein Viersaiter mit aktiver Elektronik und Flatwounds drauf, er hat vielleicht 300 oder 400 Dollar gekostet. Aber er ist oft die Lösung. Wenn Leute zum Aufnehmen herkommen und ihr Bass für den Track nicht funktioniert, drücke ich ihnen diesen in die Hand. Er hat einen klassischen E-Bass-Sound und sitzt jedes Mal perfekt im Mix – egal, ob bei Rock, R&B oder auch Folk.

Gibson Keb' Mo' Bluesmaster
PRS Custom
Bedell-Nylonstring
Ibanez Soundgear
National Resophonic M2
PRS S2 Vela McCarty

 

Hast du ihn schon länger?

Ungefähr neun Jahre. Ich habe ihn gekauft, kurz nachdem ich hier hingezogen bin. Vorher hatte ich einen Yamaha-Bass, aber der fiel einer Flut zum Opfer. Ich besaß also eine Zeit lang keinen Bass. Dabei ist dieses Instrument so wichtig für eine Aufnahme. Viele Bassisten kommen mit einem 5-Saiter an, auf den sie Roundwound-Saiten gezogen haben. Das kann, abhängig von der Pickup-Konfiguration, untenrum manchmal scharf klingen. Dieser Bass hingegen ist süßlich und wunderbar rund.

Was gibt es zum Slide-Spiel auf ‚Good To Be‘ zu sagen?

Ich habe auf diesem Album nicht viel Slide gespielt, nur auf ‚Marvelous To Me‘, ‚Good To Be (Home Again)‘ und ‚So Good To Me‘, wenn ich mich richtig erinnere. Ich habe dafür die National M2 Resophonic verwendet. Bestückt ist sie mit 13er-D’Addario-Phosphor-Bronze-Saiten im Standard-Tuning, die Slides waren wie gewöhnlich meine Dunlop-Moonshine-Slides.

Wie stehst du generell zum Thema Effektpedale?

Ich benutze sie vor allem auf der Bühne. Im Studio brauche ich sie weniger, da arbeite ich viel mit dem Sound des Amps. Was ich sehr gerne verwende, sind EQs, etwa den MXR-6-Band-EQ. Damit kannst du den Sound sehr genau formen und dabei untenrum verschlanken. Als Verstärker habe ich bei den Aufnahmen meist Mesa Boogies eingesetzt, entweder einen Fillmore oder einen Mark Five 35 mit einer separaten Box. Ein Cab ist ein spezielles 1x12er, ich habe mir aber auch ein 2x10er machen lassen.

Auf der Bühne ist mein Pedalboard natürlich umfangreicher. Dort habe ich ein paar Overdrive-Pedale drauf, und dann noch ein ganz spezielles, die Geheimwaffe auf meinem Board: ein Empress Effects ParaEQ mit drei flexibel veränderbaren Frequenzbändern. Das ist einfach wunderbar und gut für die PRS. Ich benutze es viel.

Big Joe Stomp Box Company Empire (Bild: Keb' Mo')

Was sind denn deine Overdrive-Favoriten? Bist du Tube-Screamer-Fan?

Der Tube Screamer ist eine sehr gute Grundlage. Aber ich benutze auch gerne die Pedale der Big Joe Stomp Box Company, vor allem das Empire. Das ist ein zweistufiges Overdrive mit einem schönen schaltbaren Buffer drin, und du kannst die Reihenfolge der Effekteinheiten umschalten – ein sehr effektives Teil. Es sind eigentlich zwei Pedale. Die rechte Seite ist etwas einfacher gehalten.

Bei euch in Deutschland hat mir jemand ein ähnliches Teil gegeben, das ich häufig auf der Bühne einsetze. Es stammt von einem kleinen Boutique-Hersteller, leider kann ich mich gerade nicht an den Namen erinnern. Es hat einen Cleanboost auf der einen Seite und einen Dirt-Kanal auf der anderen. Auf dem Album bin ich allerdings meist ganz ohne Tricks direkt in den Amp gegangen.

Manchmal denke ich mir, dass wir Gitarristen Pedale zu häufig verwenden, etwa Wahs oder Chorus-Pedale. Die können deinen Ton und die Farbe, die du in deinen Finger hast, überdecken. Wenn die Finger, die Voicings und die Arrangements richtig sind, dann brauchst du kaum Effekte. Der Rest ist dann Atmosphäre, ein bisschen Hall im Mix …

Auf dem Album findet sich eine Version von Bill Withers’ ‚Lean On Me‘. Bill starb im März 2020 im Alter von 81 Jahren. Wie kam es zu der Aufnahme?

Ich hatte schon vorher daran gearbeitet und damit rumgespielt. Ich habe es in C (Original-Tonart, Anm. d. A.) nicht richtig hinbekommen, also habe ich es nach B-Flat transponiert. Das hat die Stimmung etwas geändert. Ich war mit Bill befreundet, er ist eine Ikone. Er ist die Verbindung von Soul, Gospel und Country – der Inbegriff von amerikanischer Musik in ihrer besten Form. Seine Musik wird weiterleben. Bill hat viele tolle Songs geschrieben. Sein Tod ist ein sehr trauriger Verlust.

Das Interessante an seiner Karriere ist, dass er eigentlich nur wenige Jahre lang gearbeitet hat. Er ist auch nicht viel getourt. Er hat mir mal erzählt, dass er all seine Songs in einem Zeitraum von sieben Jahren geschrieben hat. Ich bin jetzt schon 11 Jahre in Nashville. All diese Lieder innerhalb von sieben Jahren! Es ist so ähnlich wie bei den Beatles. Die haben auch all ihre Sachen in sieben Jahren gemacht. Ich kann für mich sagen: Bill Withers is the man.

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2022)

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