Im Interview

Bröselmaschine: 52 Years of Kraut

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(Bild: MIG/Horst Engels, Blade-Fotografie)

Es ist schon eine Besonderheit, sich über fünf Jahrzehnte im Musikgeschäft zu halten. Das aktuelle Album ,Elegy‘ der Duisburger Band-Institution Bröselmaschine transportiert die Vielseitigkeit und die Vibes des deutschen Krautrock der 70er-Jahre in die Gegenwart.

Im Mittelpunkt stehen Songs mit Jam-Charakter, die arabische Elemente mit hypnotischen Drums und Bässen, Keyboard-Flächen, Acoustics und satten Lead-Gitarren vereinen. In anderen Stücken kommen Folk-Wurzeln durch oder es wird erdig gerockt. Ein Höhepunkt ist sicher die Interpretation des Etta-James-Klassikers ,I‘d Rather Go Blind‘, in der die neue Sängerin Stella Tonon mit toller Dynamik beeindruckt. Wir sprachen mit den Bröselmaschine-Gitarristen Peter Bursch und Michael Dommers über das neue Album, Musik und Instrumente.

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PETER BURSCH

Peter, wann ging es los mit Bröselmaschine?

Ich habe die Band 1968 mit Gitarrist Willi Kissmer gegründet. Wir wollten eigene Musik machen, also ist die ganze Band zusammengezogen. Wir probten im Wohnzimmer und ich habe mit einem tragbaren Tonbandgerät von Uher alles aufgenommen. Dann bekamen wir schnell einen Plattenvertrag, das war der Hammer! Nur hatten wir damals kein Geld, um uns gute E-Gitarren zu kaufen, deswegen ist die erste Platte hauptsächlich akustisch ausgefallen. Für die E-Gitarren-Parts haben wir uns welche geliehen.

Amerikanische E-Gitarren waren zu der Zeit in Deutschland ja auch gar nicht so leicht aufzutreiben.

Genau. Es gab in Düsseldorf einen Laden, der Jörgensen hieß und der einzige war, der Gibson-Gitarren hatte. Da haben wir uns am Schaufenster immer die Nase plattgedrückt. Die Platte haben wir bei Dieter Dierks in Stommeln aufgenommen. Er hatte gerade den Schweinestall seiner Eltern zu einem kleinen Studio umgebaut. Da passten wir gar nicht alle rein, sodass die Sängerin draußen singen musste. Wir mussten also immer abwarten, dass es nicht regnete, wenn wir live aufnehmen wollten. Dierks hatte sich ein Achtspur-Aufnahmegerät gekauft, eine Riesenmaschine. Wir waren, glaube ich, die ersten, die bei ihm damit aufgenommen haben.

Wie ging es mit Bröselmaschine weiter?

Die Besetzung änderte sich ständig. Die Band Embryo plante mit mehreren Bussen von Deutschland nach Indien zu fahren. Unsere Sängerin und unser Schlagzeuger sind da mitgefahren, aber unser Bassist ist ausgestiegen um Schäfer zu werden. Ich musste mir immer neue Leute suchen und in den 70ern gab‘s nicht so viele gute Leute. An fähigen Schlagzeugern gab es nur eine Handvoll und die spielten alle schon in Bands. Aber wir haben es immer geschafft, Leute zu finden. Am längsten sind Detlef Wiederhöft (b) und Michael Dommers (g) dabei. Mit Manni van Bohr (dr) spielen wir seit den 80ern zusammen. Helge Schneider war auch fünf Jahre in der Band, er spielt auch Saxophon auf der neuen Platte. Helge wohnt ja nur ein paar Kilometer weg; wir sehen uns sehr oft und tauschen uns aus.

Wann genau hat er bei euch mitgespielt?

Das war so Ende der 70er, er war 17 und Bröselmaschine seine erste Band. Er hat irgendwo in einer Kneipe Klavier gespielt und ich habe ihn einfach angesprochen. Er konnte unglaublich gut improvisieren und hatte so einen jazzigen Stil. Das gefiel mir gut und er war eine schöne Bereicherung für die Band. Dann haben wir ihm eine Hammond-Orgel gekauft, und dann ging das richtig los. Helge hat immer Szenenapplaus gekriegt. Er fing auch bei uns schon auf der Bühne mit den Faxen an.

Du spielst ja sehr viel Sitar. Wie bist du zu dem Instrument gekommen?

Das kam durch die Beatles und Rolling Stones, die diesen Sound Mitte der 60er einsetzten. Damals fuhr ein Freund von mir mit dem LKW nach Indien, brachte Antiquitäten mit und verkaufte die hier. ‘66/67 brachte er mir eine Sitar mit. Ich hatte keine Ahnung, wie die gestimmt und gespielt wurde und habe mir das selbst erarbeitet.

Kommen wir von der Vergangenheit in die Gegenwart. Wie lief das Songwriting zu ,Elegy‘ ab?

Wir mussten immer abwarten, dass es nicht regnete, wenn wir live aufnehmen wollten. Peter Bursch Im Studio: Detlef Wiederhöft mit gelber Fame Forum im Fender-Style und Michael Dommers mit Gibson SG/Les Paul Zurzeit läuft das so, dass wir bei jeder Probe am Anfang jammen. Die Stimmung ist dann einfach toll, weil wir uns meist länger nicht gesehen haben. Und aus solchen Jams entstehen dann Ideen für die Songs. Manchmal hat aber auch jemand direkt eine Idee, die er uns vorstellt, und dann machen wir etwas daraus.

Wie seid ihr darauf gekommen, den Etta-James-Klassiker ,I’d Rather Go Blind‘ aufzunehmen?

Das ist eigentlich ein Wunsch des Publikums gewesen. Wir spielen das Stück schon seit Jahrzehnten und es ist für mich eine der schönsten Blues-Nummern. Wir hatten immer Sängerinnen, die das gut singen konnten. Die Nachfrage nach unserer Version wurde immer größer, und wir haben gesagt: Dann gucken wir mal, ob wir im Studio die gleiche Stimmung hinkriegen wie auf der Bühne! Und das haben wir.

Welche E-Gitarren hast du auf ,Elegy‘ eingesetzt?

Ich habe hauptsächlich meine Fame-Forum-Signature gespielt. Auf der kann ich die beiden Humbucker stufenlos auf Singlecoil verändern (Anmerkung: Die sogenannte Vario-Tone-Schaltung von Dieter Gölsdorf, kommt auch in Duesenberg-Gitarren vor). Wenn ich meine, es klingt ein bisschen zu dünn, dann muss ich nur ganz leicht an dem entsprechenden Poti drehen. Da ist auch noch ein Piezo-Tonabnehmer drin, sodass ich sehr viele Klangmöglichkeiten habe.

Ich bin Astronomie-Fan und die ganze Gitarre ist voll mit Planeten und Sternen. Ansonsten habe ich noch eine rote Duesenberg Starplayer TV Deluxe. Ich spiele seit Jahren Gretsch-Gitarren, und auch die Duesenberg geht in diese Richtung.

Welche Akustik-Gitarren spielst du?

Auf der Platte spiele ich hauptsächlich meine Martin 000 Peter Bursch Special Edition und eine Martin Dreadnought. Live spiele ich Modelle von Sigma.

Springen wir noch einmal zurück in die Vergangenheit: 1975 erschien dein erstes Gitarrenlehrbuch. Wie kam es dazu?

Anfang der 70er haben wir schon in den USA gespielt. Ich habe dort viel gelernt, mein Mentor hieß David Bromberg. Mit ihm habe ich einmal eine Coffeehouse-Tour gemacht, und dabei hatte ich das Glück, einige meiner Heroes kennenzulernen: Ry Cooder spielte einen Abend mit uns, dann David Lindley und viele weitere. Dann kam ich nach Hause und alle fragten mich: „Zeig‘ doch mal, wie geht das, z. B. mit dem Bottleneck und in Open-Tunings zu spielen?“

Ich fing an Gitarrenunterricht zu geben und merkte, dass die Schüler es sofort begriffen, wenn ich ihnen etwas erklärte. Dadurch wollten bei mir immer mehr Leute Unterricht haben. In Tournee-Pausen habe ich an der Volkshochschule Kurse gegeben. Und manchmal standen da 300 unangemeldete Leute mit ihren Gitarren und wollten Unterricht haben. Das war unglaublich, wie da auf einmal der Run losging. Die Leute nervten mich, dass ich doch mal ein Heft machen sollte. Da hatte ich erst keinen Bock drauf.

Aber irgendwann habe ich mit meiner Schreibmaschine und meinen Comic-Illustrationen, bei denen mir Willi Kissmer geholfen hat, das erste Heft gemacht. Dann ist das erste Buch erschienen, was schwierig war, da die deutschen Verlage sehr konservativ waren. Ich wollte vorne drauf den Slogan „Gitarrenbuch ohne Noten“ haben, aber sie sagten: „Bei uns erscheint kein Gitarrenbuch ohne Noten!“ Na ja, und wenn ich die Verlagschefs später auf der Musikmesse getroffen habe, dann flippten die immer aus.

MICHAEL DOMMERS

Michael Dommers mit seiner 1966er-Epiphone-Sheraton (Bild: Arnd Müller)

Lead-Gitarrist Michael Dommers – Gitarre-&-Bass-Leser kennen ihn als kompetenten Autor – kommt ursprünglich aus Viersen und lebt in Mülheim. Ab 1978 spielte er bei Wallenstein, ein Jahr später erreichte die Band mit dem eingängigen ,Charline‘ Platz 17 der deutschen Pop-Charts. Anschließend gründete er mit den weiteren ehemaligen Wallenstein-Musikern Charlie T. (dr) und Kim Merz (voc) The Officials. Seit 1983 spielt er bei Bröselmaschine.

Michael, du kennst Bröselmaschine und Wallenstein: Wo liegen bzw. lagen die Unterschiede zwischen den Bands?

Die Wallenstein-Gigs waren recht anstrengend, weil wir vier- und fünfstimmige Chorgesänge hatten und wir viel proben mussten. Dann kam ich zu Bröselmaschine, wo alles ganz locker lief. Da wurde bei den Proben erstmal gejammt, und ich musste weitaus weniger singen. So etwas kannte ich nur aus meiner Anfangszeit in Amateur-Bands. Jürgen Dollase, der Keyboarder von Wallenstein, wollte immer arbeiten. Wir hatten acht Stunden Gesangsproben am Tag – und damals hatte ich auch noch Job zum Geld verdienen. Als ich zu Bröselmaschine kam, spielten dort Martin Engelien Bass und Wolf Simon Schlagzeug. Gitarrist Rocco Klein war gerade ausgestiegen und den sollte ich ersetzen. Ich sagte ihnen aber, dass ich das nur in meinem Stil kann, was dann auch funktionierte.

Du hast einen sehr melodischen Stil: Welche Bands und Gitarristen haben dich beeinflusst?

Ich komme vom Blues. Dabei habe ich mit meiner ersten Band Progrock – wie man es heute nennen würde – gespielt; Acht verschiedene Stücke wurden mit speziellen Übergängen zu einem einzigen verarbeitet. Und so ein Song dauerte auch schon mal 25 Minuten. So war das zu der Zeit. Als ich angefangen habe konzentrierter Gitarre zu lernen, habe ich mir Soli von Eric Clapton, Jimi Hendrix und Johnny Winter rausgehört. Das waren damals meine Helden.

Später kamen noch Gary Moore und Mark Knopfler dazu. Nicht zu vergessen Rory Gallagher, einer meiner ganz großen Heroes. Ich durfte ihn sogar während der Produktion unserer zweiten Wallenstein-LP 1979 im Dierks-Studio kennenlernen. Er spielte damals mit seiner Band (Ted McKenna, dr; Gerry McAvoy, b) im zweiten Studio eine Platte ein. Damals habe ich sogar mal kurz seine Strat spielen dürfen!

Dommers‘ Studio-Gitarren: Fender MIJ 54 Reissue Order Made Stratocaster Mary Kaye Model, Gibson Historic Collection SG/Les Paul Standard 2000 und Gibson Historic Collection Les Paul Standard R8 2001 Historic Makeover by Kim LaFleur. Die Instrumente sind mit D‘Addario EXL 115 Strings (.011-.049) bestückt. Für Slide-Sounds benutzt er die Gibson SG/Les Paul, die Fender MIJ Strat und ein Dunlop 212 Glass Slide. (Bild: Arnd Müller)

Kommen wir zum neuen Album ,Elegy‘. Wie liefen die Aufnahmen ab?

Wir haben in den Rockcity Studios in Solingen unseren Kram aufgebaut und alle Songs live eingespielt. Manche, wie das Titelstück, sind sogar so geblieben. Wir spielten alle im selben Raum, das Schlagzeug wurde durch Schallwände getrennt und die Sängerin hatte ihre eigene kleine Kabine mit Sichtkontakt zu uns.

Wie macht ihr das mit der Aufteilung der Gitarren?

Das geht nach dem Motto „Wer kann was besser?“ Wenn Peter mit seinen Stücken ankommt, dann hat er seinen Gitarren-Part fertig und spielt den dann auch. In meinen Songs spiele ich die Haupt-Riffs und -Themen. In ,Black Is Your Color‘ hört man deutlich, dass es eher meine Nummer ist, weil sie rockiger ist. Zu Peters Stücken denke ich mir dann zweite Gitarrenstimmen und die Akkordbegleitung aus. Unser Keyboarder Tom Plötzer ist für die Harmonien zuständig, er hat das studiert. Bei mir kommt das mehr aus dem Bauch heraus. Wir arbeiten die Sachen nicht lange aus. Wir jammen und entweder funktioniert etwas oder wir lassen es wieder fallen.

Dann vermute ich mal, dass du deine Soli auch improvisierst.

Ja, es gibt bestimmte festgelegte Melodien, aber bei Konzerten spiele ich jeden Abend ein anderes Solo.

Fender Pro Junior Custom Shop Relic Tweed USA
Der Pro Junior besitzt nur zwei Regler: Tone und Volume
Ampeg Jet Model J-20 Hand Wired

Hast du im Studio Overdubs hinzugefügt?

Ja, da waren wir schon aus dem Studio raus und die habe ich dann tatsächlich bei mir zu Hause gemacht. Ich bekam Soundfiles geschickt und die habe ich mir in Garage Band geladen. In der Küche habe ich meinen kleinen Fender Pro Junior aufgebaut, Mikro davor und dann habe ich Gas gegeben. Der Junior hat zwar nur 15 Watt, aber das ist trotzdem laut.

Ich wusste nicht, wie das Ergebnis sein würde, da ich das noch nie gemacht hatte. Natürlich weißt du für dich, ob der Sound gut ist, aber du weißt nicht, wie die später beim Abmischen im Studio mit dem Sound klarkommen. Deswegen habe ich beim Aufnehmen immer noch gerne jemanden dabei, entweder den Tontechniker oder jemanden von der Band. Aber es hat im Endeffekt gut funktioniert.

Musst du deine Gitarre umstimmen, wenn Peter Bursch seine Sitar spielt.

Nein, Peters Sitar ist in D gestimmt und so sind dann die SitarStücke eben in D. Ich spiele dann in normaler Stimmung, wie auch die Slide-Sachen.

Wie schlägst du die Saiten beim Slide-Spielen an?

Bei klaren Melodien schlage ich mit dem Finger an und dämpfe die benachbarten Saiten mit den anderen Fingern ab, sodass ich einen sauberen Ton erhalte. Wenn ich bluesrockige Slides spiele brauche ich die Abdämpfung nicht. Ich spiele sehr viel Hybrid-Picking, d. h. Daumen und Zeigefinger halten das Plektrum, und dann schlage ich noch mit Mittel- und Ringfinger an. Damit kannst du Arpeggien und auch schnelle Läufe spielen. Ich bin kein guter Wechselschlagspieler, das zu lernen war ich zu faul. Ich kompensiere das dann durch dieses Hybrid-Picking. Country-Gitarristen machen das häufig so.

Dommers‘ Pedalboard: Line6 Relay G70 Digital Wireless, TC Electronic PolyTune Mini, Dunlop Mister CryBaby Super EW-95V Wah/Volume Pedal, OKKO Coca Compressor, J. Rockett Audio Designs Archer Ikon Overdrive, J. Rockett Audio Designs 45 Caliber Overdrive, J. Rockett Audio Designs The Dude Overdrive, J. Rockett Audio Designs Lenny Booster, Xotic Effects X-Blender, FX Loop Pedal Zoom ms-50G Multistomp, Strymon Lex Rotary, Way Huge Supa-Puss Analog Delay WHE707, JHS Pedals Spring Tank Reverb, TC Electronic Ditto Looper und Boss Dual Foot Switch FS-7 (Bild: Arnd Müller)

Hast du denn, was Slide-Gitarre betrifft, auch Slide-Blues gehört? Vorhin hast du Johnny Winter erwähnt, der ja auch ein virtuoser Bottleneck-Spieler war.

Bei ihm ist mir aufgefallen, dass er eine unheimliche Amplitude hat, wenn er Vibrati macht, oft über zwei oder drei Bünde. Das ist ein guter Trick, denn wenn du dich gut hörst, kannst du damit Fehler kaschieren. Du musst also den Ton nicht unbedingt exakt treffen, vielmehr spielst du einfach weit drumherum.

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