Im Interview

Henning Protzmann (Panta Rhei, Karat, Jazzin’ the Blues): Alles fließt

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(Bild: Panta Rhei)

Großartig bitten muss man ihn nicht: Der in Radebeul geborene Bassist plaudert gerne – und hätte noch sehr viel mehr zu erzählen als in diesem Interview. Kein Wunder bei 60 Jahren auf der Bühne, u. a. mit einigen legendären Bands aus DDR-Zeiten. Und noch immer spürt man die fortwährende Begeisterung für die Musik. Protokoll eines Sonntagnachmittags am Müggelsee…

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Henning, du kommst ursprünglich vom Kontrabass, richtig?

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Ja, das hab ich gelernt und studiert, war aber gar nicht so doll. Ich war zu jung, zu klein, zu dünn. Ich muss auch ehrlich sagen, ich war nie der Typ dafür, fünf Stunden am Stück zu üben. Oder zehn. Ich bin ab der 9. Klasse auf die Spezialschule der Hochschule, Unterstufe, gegangen, da hab ich drei Jahre lang klassisch Kontrabass gelernt, aber währenddessen immer auf den Jazz geschielt. Es gab in Dresden eine tolle Bigband, im Basie-Stil. Das waren unsere Lehrer, und das hat mich geprägt.

Nach dem Studium und vor Karat hast du u. a. bei Panta Rhei gespielt.

Stimmt. Wir konnten schon 1972 ein Album aufnehmen. Darauf hat Veronika Fischer gesungen. So richtig begreifen kann ich das immer noch nicht, warum das damals ging, aber die bei der Amiga waren hellhörig geworden, weil unsere Songs regelmäßig erste Plätze machten. Blöd waren die ja nicht und hatten ihren Profit im Sinn. Auf dem Album waren dann Jazz-Nummern, bei denen Vroni Scatgesang zur Querflöte abliefert, wie bei Tull. Wir haben ja nicht im luftleeren Raum gelebt, verstehste?

Kein Mensch kann sich vor den Eindrücken verschließen, die er so hat. Wir hatten noch keine einheitliche Richtung, da alle unterschiedliche Dinge einbrachten. Wir hatten vier Bläser, das ging schon gut los – und es wurde geübt bis zum Umfallen. Ich fing damals schon an, die Musik in die Richtung zu bringen, die ich wollte. Es musste schon nach meinen Vorstellungen gehen.

Die neue Panta-Rhei-Besetzung (Bild: Katrin Gömann)

Wie ging’s dann von da zu Karat?

Wir waren mit Panta Rhei ziemlich erfolgreich, es kamen aber immer wieder welche, die sagten, Renft oder die Puhdys gefallen ihnen besser. Und ich dachte: „Wie jetzt? Ich dachte wir sind so gut!?“ Dann habe ich mir die Puhdys angeschaut. Die hatten verrückte Bühnenklamotten an, und da lief eine Ölscheibe und eine Seifenblasenmaschine. Und das alles 72, 73 mitten im Osten! Die konnten schon rüber damals und hatten jemanden, der sich um alles kümmerte.

Ich dachte mir: „Man muss das also auf der Bühne besser verkaufen!“ Dann bin ich zu Renft, einer anderen populären Band aus Leipzig – und die waren ganz anders. Zerrissene Jeans oder Manchester-Hosen, T-Shirts, die auch schon mal einen Rotweinfleck hatten, und das Publikum hat sich mit ihnen identifiziert. Die hatten gute Texte, politische Texte, weshalb sie dann auch verboten wurden.

Wart ihr bei Karat privilegiert?

Naja. Uns ging’s schon gut, wir hatten mehr Freiheiten als die meisten. Und dadurch, dass unsere Songs eher lyrische Texte hatten und damit unproblematischer waren als zum Beispiel bei den Kollegen von Renft, hatten wir weniger Stress. Wir waren keine Revoluzzer, aber uns wurde auch nichts aufgezwungen, sonst hätten wir’s nicht gemacht. Organisieren mussten wir auch alles selber. In der besten Zeit hatten wir fünf Techniker und einen Mercedes-Truck … Fünf Techniker, fünf Musiker − zehn Familien mussten davon leben. Da musste ich schon ordentlich wirtschaften.

Nach elf Jahren Karat war ich 1986 durch. Jeden Tag Beruhigungspillen, immer erschöpft − heute sagt man Burnout dazu. Ich hatte mir einfach zuviel zugemutet, ich war ja nicht nur Bassist der Band, sondern auch der Manager. Ich hab mir, auf Deutsch gesagt, den Arsch aufgerissen, habe Mucken organisiert, Verträge gemacht, Gagen ausgehandelt…

Und wie du dir vorstellen kannst, hatten wir in der DDR ja auch immer mit der Obrigkeit zu tun, die waren auch immer mit im Boot. Ich hab jedenfalls wahnsinnig viel gearbeitet und hatte trotzdem das Gefühl, als Bassist und Manager nicht so richtig wahrgenommen zu werden, oder zumindest viel weniger als Herbert als Sänger und Ed als Keyboarder und Komponist − denen das absolut zustand, die waren bzw. sind ja beide großartig. Ed haben wir zu Recht hofiert. Wenn einer so geniale Sachen komponiert … Dabei aber übersensibel, eine echte Künstlerseele.

Ich hab darunter gelitten, wenn du dich um alles kümmerst und keinem machst du’s recht. Toll war’s natürlich auch − zweimal Waldbühne gespielt, in Plauen waren 18.000 Leute wegen uns. Aber ich war 40 und dachte: Nee, es gibt auch ein Leben ohne die Band, das kann es jetzt nicht gewesen sein. Mitte der 80er hat sich ja auch der Musikgeschmack geändert, die Soft-Phase war vorbei, und man hat auch schon gemerkt, die DDR, das bröckelt alles. Es war fast unmöglich, die Band da auf dem Level zu halten. Das prägt natürlich alles, aber ich bereue das überhaupt nicht.

Wie bist du zum E-Bass gekommen?

Der erste E-Bass war bei mir ein Musima, den hat Uve Schikora (sein damaliger Bandleader Anfang der 60er, Anm. d. A.) auf der Leipziger Musikmesse für mich ergattert, was gar nicht so einfach war. Später kamen ein Fender Jazz Bass und ein Rickenbacker für so Plektrumsachen dazu. Außerdem habe ich lange einen Aria Pro II gespielt, bevor ich zu Warwick gekommen bin. Ich besitze gar nicht so viele Bässe: Einen kopflosen Nobby Meidel von Warwick noch, einen feinen Dolphin Pro II, einen elektrischen Kontrabass von Fichter. Den hab ich jahrelang gespielt, aber ich hab so kleine Hände und verkrampfe mittlerweile schnell. Spätestens seit ich den Marleaux-Fünfer habe, steht er etwas traurig in der Ecke.

Der Marleaux deckt einfach alles für mich ab und hat auch die Wärme, die ich mag. Ich bin vor gut zwölf Jahren zum Fünfsaiter gewechselt, nachdem ich lebenslang Viersaiter gespielt habe. Ein Bekannter spielte schon einen Marleaux und meinte: „Du musst einen Fünfsaiter haben, wir fahren da mal hin und ich mache dich mit Gerald bekannt.“ Die Umstellung ist mir nicht leicht gefallen, aber jetzt möchte ich ihn nicht mehr missen.

Wie verstärkst du den denn?

Ich hab einen kleinen Mark-Koffer, das reicht mir. Ich hab früher ein Rack gehabt, mit Octavider und so. Auf Youtube gibt es ein Bass-Solo von mir, da spring ich auf einem Marshall-Fuzz rum und spiele wie ein Wahnsinniger. Das hatte ich selber schon vergessen. Hatte mich da eine Tarantel gestochen? Was ist denn hier los? (lacht) Das brauch ich heute alles nicht mehr, aber Show gehörte damals eben dazu. Den Ton hab ich eher in den Fingern. Den kann ich ganz gut variieren, mit Dynamik und allem. Mein einziges Pedal ist ein Stimmgerät, und das war‘s dann schon. Ich hatte mal zuhause ein Mu-Tron gefunden und wollte das bei einem Auftritt einsetzen, hab‘s aber vergessen. Dann hat eben der Tonmann an der richtigen Stelle einen Effekt auf meinen Bass gelegt.

Wie ging es dann nach Karat bei dir weiter?

Ich hab tatsächlich sechs Jahre den Bass praktisch nicht mehr angefasst … Das kann ich mir heute weder vorstellen noch so recht erklären. Naja, ich war auch sauer. Ich habe dann eine Platte produziert mit Michael Barakowski, den ich auch gemanagt habe. Den Job des Managers kannte ich ja schon, also habe ich für die Amiga vor allem junge Bands gemanagt und produziert, was auch schön war! Arbeitslos war ich nie.

1992 hat mich dann Werther Lohse, der Frontmann von Lift und ein guter Freund von mir, gefragt, ob ich in die Band einsteigen wollte. Das wollte ich, denn diese eher softe Artrock-Musik hat mir richtig Spaß gemacht. Und 2001 habe ich dann dieses Album mit Manfred Krug und seiner Tochter gemacht. Aber ich wollte auch wieder zurück zu meinen Anfängen … Ich fand die große Besetzung immer toll, mit Bläsern und allem, und mehr Platz für Blues und Swing − da komme ich ja her. Also habe ich Panta Rhei wieder aufleben lassen. Nicht mit den Original-Mitgliedern – einige von ihnen sind ja schon gestorben – und auch nicht als Revival, sondern als neue Spielwiese für mich. Und der Name passt ja auch super − alles fließt. Immer weiter …

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2023)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. ein kosmisches dankeschön an den meister des basses .ich durfte ihn zig mal live erleben einmal als ganz junger spund mit panta reih ….. leider nur auf platte…aber. karat mit herbert und ed &,neumi ganz live in berlin ……
    alles fließt .grossartig das sie wieder sind .lieber henning lass es fliessen & WALK ON 2023 !

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    1. Ich freue mich riesig, mal einen Artikel über bzw. von einen DDR Musiker zu lesen. Ich fand eigentlich die DDR Musikszene sehr spannend, auch wenn man bei vielen Bands schon „westliche“ Anleihen erkennen konnte, zB. Elektra – Jethro Tull, die „ alten“ Puhdys ( ersten 4 Alben ) und Prinzip Deep Purple.
      Mein absoluter Lieblings Act war und ist Jürgen Kehrt, vielleicht auch, weil ich Thüringer bin und auch den Blues Rock liebe. Bonanassa‘s Alben sind auch eine Entdeckung wert.
      Also – bitte mehr davon!

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