Warum nicht mal zu zweit?

Duo-Bands: The White Stripes, The Black Keys & Co.

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The Picture Books
(Bild: The Picture Books)

Wie viele Leute braucht man eigentlich, um eine Band zu sein? Reichen schon drei oder müssen es doch fünf sein, die zusammen musizieren? In der Welt der Rock-Musik dürften sich die meisten Bands irgendwo zwischen diesen Besetzungs-Modellen bewegen. Was aber, wenn man nur zu zweit ist?

Jimi Hendrix, die Beatles und die Rolling Stones haben es geschrieben. Das Gesetz, das die Besetzungen klassischer Rockbands ein für alle Mal festlegen sollte. Aber kann man nicht auch zu zweit schon gewaltig Lärm machen? Bis in die frühen 60er-Jahre zieht sich die Geschichte des klassischen Pop-Duos – man denke nur an großartige Besetzungen wie Ike & Tina Turner oder auch Sonny and Cher, die allerdings von einer Band begleitet wurden. Dieses Erfolgskonzept funktioniert bis heute; nur dass sich mittlerweile Rock-Bands auch konsequent der schmalen Zweier-Besetzung zugewandt haben. Wie aber mit nur zwei Instrumenten den mächtigen Sound einer ausgewachsenen Fünf-Mann-Besetzung nachahmen? Muss das überhaupt so sein? Klingt das Ganze am Ende nicht total langweilig? Und braucht man dafür nicht Unmengen an Equipment?

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Das vielleicht erfolgreichste Rock-Duo der jüngsten Vergangenheit sind die The White Stripes – alleine das nachträglich zur Fußball-Hymne mutierte ,Seven Nation Army‘ dürfte den beiden Ex-Eheleuten zu ungeahnter Bekanntheit verholfen haben – schließlich vergeht kaum ein Länderspiel, wo die Fans nicht die eingängige Melodie zu Tausenden im Stadion grölen. Genau hier zeigt sich aber schon die große Stärke von Meg und Jack White: Die häufig sehr simpel gehaltenen Songstrukturen erschließen sich recht schnell und haben häufig eine markante Melodieführung. Dabei versucht Gitarrist und Sänger Jack White gar nicht erst, den Sound einer vollen Band-Besetzung mittels technischer Lösungen zu erzeugen.

The White Stripes
The White Stripes (Bild: Warner)

Ganz im Gegenteil: Der ,garagige‘ Blues-Rock des Duos zeichnet sich durch einen rauen, dreckigen und zuweilen auch etwas dünnen Sound aus; das Low-End eines Basses wird hier bestenfalls von Megans Bassdrum geliefert. Warum auch nicht? Schließlich gibt es ja kein Gesetz, das vorschreibt, dass eine Rock-Produktion immer fett klingen muss. Jack White setzte bei der Wahl seines Equipments gerne auf alte, seltene Verstärker und Fuzz-Pedale, was im Film ,It Might Get Loud‘ von Davis Guggenheim anschaulich dokumentiert ist. Neben der legendären Semi-Akustik von Kay und der kultigen Res-O-Glas Airline Gitarre, werden auch verrückte Konstruktionen wie die Cigar-Box-Guitar gezeigt. Irgendwie hat man das Gefühl, dass der Mann aus nahezu jeder Art von Gitarre etwas machen kann – sein dreckiger, eigenwilliger Sound bleibt auf jeden Fall immer sein Markenzeichen.

Recht ähnlich wie die White Stripes gehen auch die beiden Jungs von The Black Keys vor. Das Duo, bestehend aus Patrick Carney am Schlagzeug und Dan Auerbach an der Gitarre bzw. am Mikrofon, dürfte mittlerweile kaum weniger bekannt sein – einen Grammy jedenfalls gewinnt man in der Regel nicht als kleine Underground-Band. Auch dieses Duo machte besonders auf den ersten Alben keinen klanglichen Hehl aus der Besetzung und versuchte gar nicht erst, eine ganze Band zu simulieren. Auch hier ist ein erdig-dreckiger Garagen-Blues-Sound Programm und die wirklich sehr rustikalen LoFi-Produktionen der Band werden den häufig simplen Songstrukturen absolut gerecht.

The Black Keys live
The Black Keys live (Bild: YouTube)

Dabei verstanden es die Black Keys immer wieder, aus ihrem reduzierten Sound das Maximum herauszuholen und haben als Duo ein paar sehr stimmungsvolle Alben geschrieben. Dan Auerbach besitzt, ähnlich wie sein Kollege Jack White, einen wirklich beeindruckend großen Fuhrpark an altem und zum Teil ziemlich skurrilem Equipment. Neben diversen alten Supro- und Guild-Gitarren sieht man bei dem bärtigen Frontmann immer wieder auch eine Fender Telecaster in einem hübschen Vintage-Sunburst. Ein weiteres Herzstück des Black-Keys-Gitarrensounds dürfte ein grünes Big-Muff-Fuzz von EHX aus den 90ern sein, das ja, im Vergleich zu den wirklich alten Pedalen aus den 70ern, merklich fetter klingt. Ein weiterer wichtiger Faktor in Auerbachs Sound ist wahrscheinlich die Tatsache, dass immer drei oder mehr Amps gleichzeitig zu hören sind. Hier kommen neben verschiedenen Vintage-Marshalls auch gerne alte Danelectro-, Magnatone-, Ampeg-, oder auch Fender-Amps zum Einsatz. So oder so hat sich der Sound der Band über die Jahre etwas weg vom Garagen-Duo hin zu etwas ausgefeilteren und aufwändigeren Produktionen entwickelt, ohne dabei den stets rauen und bluesigen Touch der Anfangstage zu verlieren.


Was ist hier Phase? Bei dem Versuch ein Gitarren-Signal über zwei, drei oder noch mehr Verstärker zu schicken, möchte ich dringend dazu raten, darauf zu achten, dass alle Signale ,In-Phase‘ miteinander laufen. Ich empfehle daher einen ABY-Switcher, bei dem man die einzelnen Ausgänge in der Phase drehen kann. Passiert das nicht, erlebt man einen erheblichen Klangverlust, der sich vor allem in den tiefen Mitten und den Bässen bemerkbar macht, da die Lautsprecher dann im Prinzip „gegeneinander“ arbeiten und der Ton seltsam ausgehöhlt klingt.


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Würde man es sich einfach machen, könnte man die Picturebooks als deutsches Äquivalent zu den Black Keys bezeichnen. Schließlich pflegen die Jungs aus dem beschaulichen Gütersloh eine ähnliche musikalische Attitüde wie ihre US-Kollegen und fahren einen vergleichbar rohen und unpolierten Sound. Ganz so einfach ist es dann natürlich doch nicht. Die Band, bestehend aus Philipp Mirtschink am Schlagzeug und Fynn Grabke an der Gitarre und am Gesang, nimmt es mit dem Garagen-Sound auf jeden Fall ziemlich genau. Wenn die beiden nicht gerade irgendwo auf der Welt eine Bühne unsicher machen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, das Duo wahlweise beim Motorradfahren oder beim Songwriting in der eigenen, äußerst geräumigen Garage anzutreffen. Dabei dient besagter Raum gleichzeitig als Motorradwerkstatt, Proberaum und Tonstudio.

Fynn Grabke Gitarren
Für seinen dreckigen Sound benutzt Fynn gerne alte Jazz-Gitarren von Gibson. (Bild: YouTube)

Mit Unterstützung von Claus Grabke – seines Zeichens Skateboard-Legende der 80er-Jahre sowie Mitglied bei Thumb und den Alternative Allstars – wird quasi permanent am Sound der Band gefeilt, wobei die Jungs genauso kompromisslos vorgehen, wie bei ihren energiegeladenen Live-Shows. Nicht nur, dass Grabke auf ziemlich alte und nach eigener Aussage eher mühsam zu bespielende Semi-Akustik-Gitarren setzt, Schlagzeuger Philipp Mirtschink entschied sich, vollständig auf die Becken seines Drumsets zu verzichten, um einen besser zu kontrollierenden Raumklang zu erhalten. So oder so kann sich das Ergebnis hören lassen: Auf meisterhafte Art und Weise versteht es das Duo, einen wirklich rauen und schmutzigen Garagen-Sound mit extrem Hit-tauglichen Melodien und einem ausgeprägten Händchen für gutes Songwriting zu verbinden.

Fynn Grabke Pedalboard
Fynn Grabke von den Picturebooks spielt ein recht bodenständiges Pedalboard. (Bild: YouTube)

Trotz aller Liebe zu Vintage-Equipment finden sich auf Fynn Grabkes Pedalboard überraschend viele moderne Pedale. Neben diversen Boss- und Nobels-Tretern sieht man dort auch den in Kooperation mit Red Sun FX designten Moonboost, welcher in erster Linie dazu dient, die Verstärker noch ein wenig mehr in die Sättigung zu schieben. Hier finden wir übrigens neben diversen Vintage-Schätzchen von Fender, Marshall und Vox im Live-Betrieb vor allem die Amps des kleinen Herstellers Earforce aus Melle-Neunkirchen. Henrich Schmidts fertigt hier Gitarrenverstärker auf höchstem Niveau und geht dabei – wie im Falle der Picturebooks – auf nahezu jeden Sonderwunsch seiner Kunden ein. Für Grabke entwickelte er eine Version seines Earforce Two Verstärkers, welcher mit zwei unterschiedlich klingenden Clean-Kanälen ausgestattet und speziell für die Verwendung mit Effekt-Pedalen konzipiert ist.

Picturebooks-Amps
Die Picturebooks-Amps: Ein speziell für Fynn angefertigter Earforce-Verstärker mit zwei Clean-Kanälen sowie ein älterer Vox AC120 (Bild: YouTube)

Dass auch ein Rock-Duo nicht zwangsläufig vom Sound der sechs Saiten bestimmt werden muss, zeigen die Kanadier von Death From Above 1979. Nachdem Jesse F. Keeler (Bass, Synthesizer) und Sebastien Grangier (Schlagzeug, Gesang) mit ihrer ursprünglichen Band Femme Fatale erhebliche Schwierigkeiten hatten, Konzertmöglichkeiten zu finden, reduzierten sie ihre Besetzung einfach kurzerhand auf das nötigste Minimum – nicht zuletzt auch um wirtschaftlicher arbeiten zu können. Dabei war von vornherein klar, dass es in diesem Duo keine Gitarre geben und Keeler das entsprechend höhere Frequenzspektrum mit seinem Bass abdecken würde, während Grangier neben seinem kraftvollen Schlagzeugspiel auch noch gleich den Gesang übernahm. Musikalisch bewegen sich Death From Above 1979 in einem wilden und durchaus spannenden Stilmix aus Hardcore-Punk, Indie sowie Stoner- und Noise-Rock, der trotz einer gewissen klanglichen Sperrigkeit immer wieder mit prägnanten Hit-Melodien aufzuwarten weiß.

Death From Above 1979 live
Death From Above 1979 live (Bild: Kylecherops)

Um eine möglichst große Bandbreite seines Signals zu erhalten, setzt Jesse Keeler auf ein Setup mit zwei Verstärkern und Boxen. Während auf der einen Seite ein Acoustic 450B seinen Dienst verrichten darf, kommt daneben ein alter, sehr seltener Peavey Super Festival 800 zum Einsatz. Beide Amps laufen an jeweils eine Traynor 8x10er-Box mit einem wilden Mix unterschiedlicher Lautsprecher.

Interessant an diesem etwas eigentümlich anmutenden Rig ist die Tatsache, dass der wirklich satt verzerrte Bass-Sound nahezu ausschließlich von den Verstärkern kommt und kein Distortion-Pedal auf dem Pedalboard zu finden ist. Des Weiteren wird nicht nur das Bass-Signal durch die beeindruckende Anlage gejagt, sondern auch der kultige JUNO-Synthesizer von Korg, der dadurch klanglich ein wenig an den Bass-Sound angeglichen wird. Bei seinen Instrumenten setzt Keeler überraschenderweise auf einen alten Dan-Amstrong-Bass aus den späten 60er-Jahren, der mit seinem schweren Plexiglas-Body und der kurzen Mensur durchaus als Exot zu werten ist.

Wenn man über Death From Above 1979 redet, ist der Weg zu den Jungs von Royal Blood natürlich nicht weit. Das von Sänger und Bassist Mike Kerr zusammen mit Ben Thatcher am Schlagzeug gegründete Duo aus England ist den kanadischen Kollegen gar nicht so unähnlich, wenngleich es offenkundig genug Unterschiede gibt, um sich beiden Bands zuzuwenden. Mit nur zwei Alben schafften es die beiden Jungs auf Anhieb, ihren eigenwilligen Garagen-Rock-Sound mit deutlich britischer Schlagseite in ungeahnte Höhen zu heben. Der Hype, der um Royal Blood entstanden ist, ist geradezu unglaublich – noch bevor das Duo auch nur einen einzigen Song veröffentlicht hatte, geschweige denn ein Album fertigstellen konnte, spielten sie auf großen Festivals wie dem Glastonbury oder dem SXSW.

Royal Blood
Royal Blood (Bild: Warner)

Für seinen fetten und wirklich sehr nach tiefer Gitarre klingenden Bass-Sound setzt Mike Kerr zunächst einmal auf seinen Gretsch Electromatic G2220 Junior Set 2 und gelegentlich auf einen Hollow-Body Fender Starcaster Bass. Bei den Amps sieht man den britischen Sonnyboy in letzter Zeit mit unterschiedlichen Fender Bass- und Gitarren-Amps wobei fast immer ein Super Bassman mit der entsprechenden 8x10er-Box in Kombination mit zwei Super Sonic 22 Combos zum Einsatz kommt. Über den Rest gibt sich Kerr gerne mysteriös verschwiegen und verrät nur, dass neben den beiden EHX POGs sein ABY-Switcher am wichtigsten ist, mit dem er die unterschiedlichen Verstärker muten kann, um so mehr klangliche Dynamik zu erzeugen.

Mike Kerr von Royal Blood
Mike Kerr von Royal Blood neben seiner Fender Anlage (Bild: YouTube)

GitBassBoxen? Besonders innerhalb einer Duo-Besetzung kann es durchaus reizvoll sein, das Gitarren-Signal über eine 2x15er Bass-Box zu schicken. Dafür eignet sich freilich nicht jede x-beliebige Box; besonders Anlagen mit Hoch- und Mittel-Tönern klingen mit einer Gitarre ziemlich ätzend. Ich persönlich habe gute Erfahrungen mit Mesa-Boogies 2x15ern aus der Diesel-Serie gemacht, welche mit Electro Voice 15Ls bestückt sind. Das Thiele-Bassreflex-Gehäuse verleiht dem Gitarren-Sound eine ordentliche Portion Schub in den Bässen und liefert in den Mitten ein schön breites Klangbild mit viel Durchsetzungskraft. Auch Celestions Sidewinder-Lautsprecher – der oft in den Marshall-Bass-Boxen der 80er-Jahre verwendet wurde – scheint mir für ein verzerrtes Gitarren-Signal hervorragend geeignet zu sein.


dampfhammer underground

Nachdem wir nun ein paar der unterschiedlichen Duo-Besetzungen mit verschiedenen Sound-Ansätzen besprochen haben, ist es an der Zeit für eine kleine Zäsur. Alle erwähnten Duos haben mehr oder minder gemeinsam, dass die Art der Musik schon eine recht große Bandbreite des potentiellen Publikums ansprechen dürfte. Seien es die White Strips mit ihren super-eingängigen Hits, die Black Keys mit ihrem zugänglichen Neo-Blues-Sound oder auch Royal Bloods einfaches aber zuweilen supersexy klingendes Songwriting. Die nun folgenden Bands hingegen setzen in erster Linie auf unfassbare Heavyness und spielen sich daher viel tiefer im Underground ab.

Bölzer
Okoi Thierry Jones und Fabian Wyrsch von Bölzer (Bild: Grywnn)

Da wäre zunächst das Schweizer Duo Bölzer zu nennen, das aus dem aus Südafrika stammenden Gitarristen und Sänger Okoi Thierry Jones und Schlagzeuger Fabian Wyrsch besteht. Die beiden haben im vergangenen Jahr die Metal-Szene mit ihrem Album ,Hero‘ ziemlich aufgemischt und bewiesen, dass auch eine eher klassisch ausgerichtete Death-Metal-Band nicht zwangsläufig auf die Dienste des tiefen Viersaiters angewiesen ist. Das eigentlich recht straight gehaltene Songwriting schafft es, die harten Riffs des Death Metal mit der Atmosphäre des Black Metal zu verbinden, ohne dass das Resultat nach einem plumpen Stil-Mix klingt, sondern vielmehr nach einer eigenartig urwüchsigen Schweizer Kräutermischung. Okoi Jones setzt für seine Wall-Of-Sound auf eine eigentlich recht bodenständige Rezeptur. Live sieht man den tätowierten Waldschrat oft mit unterschiedlichen Marshall- oder Orange-Verstärkern, wobei das Signal natürlich auf mindestens zwei Verstärker gesplittet wird.

B.C. Rich Bich
Die B.C. Rich Bich 10-Saiter war lange Okois Hauptgitarre. (Bild: YouTube)

Markant ist Jones zehnsaitige B.C. Rich Bich, der man eher selten in freier Wildbahn begegnet. In letzter Zeit spielte der Gitarrist allerdings vermehrt seine – ebenfalls mit zehn Saiten bespannte – Les-Paul-Kopie mit Walnuss-Korpus, der eigens für ihn vom Hersteller Gitarren Total angefertigt wurde. Für einen möglichst breiten Sound, der keine Lücken aufkommen lassen soll, macht die Verwendung dieser eher exotischen Gitarren auf jeden Fall Sinn, da durch die zusätzliche Besaitung natürlich ein merklich breiteres Klangbild entsteht. Bölzer sind ein Parade-Beispiel dafür, wie man es mit nur zwei Instrumenten schafft, wie eine ausgewachsene Metal-Band zu klingen und eine unheimlich dichte Atmosphäre zu schaffen.

Eine weitere Band, deren rasanter Aufstieg wohl die gesamte deutsche Metal-Szene ins Staunen versetzte, sind die Kollegen des Bremer Duos Mantar. Wobei Bölzer noch gleichermaßen für prägnante Riffs aber auch eingängige Melodien gesorgt wird, herrscht bei Hanno Klänhardt (Gitarre, Gesang) und Erinç Sakarya (Schlagzeug) die pure Gewalt. Ihr Debüt-Album ,Death By Burning‘ sorgte bereits für einiges Aufsehen und spätestens seit dem aktuellen Machwerk ,Ode To The Flame‘ dürfte klar sein, dass die beiden Musiker mit ihrem brutalen Stilmix aus Death Metal, Punk, Rock’n‘Roll und Powerviolence so gar keine Gefangenen machen – man höre sich nur einmal den Überhit ,Era Boreales‘ an. Die Krach-Wand, die einem hier rüde um die Ohren gedroschen wird, klingt so dicht und massiv, dass man beim besten Willen nicht auf die Idee kommt, dass man es hier nur mit einer Zwei-Mann-Kapelle zu tun hat. Um diesen Effekt zu erreichen, setzt Hanno auf eine beachtliche Anzahl von Gitarren- und Bass-Amps. Mehr dazu im Interview in Ausgabe 01/2018.

Hanno von Mantar im Studio
Hanno von Mantar im Studio (Bild: YouTube)

Zu guter Letzt möchte ich auf eine mir bis dato unbekannte aber meiner Meinung nach brandheiße Band eingehen, welche die Jahresbestenliste des ein oder anderen Musikjournalisten dominieren dürfte. Die Rede ist von Bell Witch, die gerade ihr drittes Album ,Mirror Reaper‘ auf dem US-Label Profound Lore veröffentlicht haben und die amerikanische Funeral-Doom-Szene schon seit Jahren auf Trab halten. Beim aktuellen Werk von Dylan Desmond (Bass/Gesang) und Jesse Shreibman (Schlagzeug) handelt es sich um ein sage und schreibe 83 Minuten langes Opus, das eine Atmosphäre aufbaut, wie sie bedrückender und mächtiger kaum sein könnte. Die Mischung aus sanften, fragil wirkenden Passagen – die gesanglich ein wenig an The Who oder Led Zeppelin erinnern – und überlebensgroß wirkenden Akkordbrechern verschlägt einem an vielen Stellen schier den Atem. Dabei bewegt sich ,Mirror Reaper‘ über die gesamte Spielzeit in einem einzigen, langsamen Tempo und legt den Fokus darauf, die Atmosphäre immer mehr zu verdichten, bis sich das Ganze in einem überraschend seichten Finale verläuft.

Bell Witch Mirror Reaper
Das neue Bell-Witch-Album ‚Mirror Reaper‘ hat sich in der Doom-Szene auch durch das liebevolle Artwork einen Namen gemacht. (Bild: Profound Lore Records)

Inhaltlich setzen sich Bell Witch mit dem frühen Tod des Gründungsmitglieds Adrian Guerra auseinander, der mit 36 Jahren völlig überraschend verstorben ist. Der sakral wirkende, cleane Gesang, der sich mit tiefen Growls abwechselt, lässt ein deutliches Bild von Trauer und Depression entstehen und sorgt immer wieder für absolute Gänsehaut-Momente. Aber nicht nur musikalisch sind Bell Witch eine der spannendsten Metal-Bands dieser Tage; auch die technische Umsetzung von ,Mirror Reaper‘ ist interessant. Der unglaublich räumliche Drum-Sound von Shreibman – John Bonham würden hier Tränen der Freude in die Augen schießen – sorgt für ein wuchtiges Fundament auf dem Desmond wunderbar seine fast ausschließlich getappten Bass-Akkorde stapeln kann. Ja, richtig gelesen, hier haben wir es zu keinem Zeitpunkt mit einer Gitarre zu tun sondern ausschließlich mit langsamen Tapping-Bewegungen auf dem Bass. Während Desmond mit der linken Hand für die wuchtigen und fetten Bass-Linien sorgt, greift er in den hohen Lagen mit der Rechten die Melodien, die dem Album seine hypnotische Atmosphäre verleihen – Zeitlupen-Tapping sozusagen. Um eine möglichst große tonale Bandbreite abzudecken, setzt der Bassist einen Ibanez-Sechssaiter aus der SDGR-Serie ein und schickt das Signal über eine Vielzahl unterschiedlicher Verstärker von Orange, Ampeg oder auch Verellen. Das Pedalboard, u. a. bestückt mit einem Fulltone OCD, einem Delay von Boss und einem EHX Holy Grail sorgt dann für den Rest – im Grunde also alles kein Hexenwerk.

glücklich zu zweit

Ich hoffe sehr, dass ich dem interessierten Leser einen kleinen Einblick in die unterschiedlichen Duo-Besetzungen geben konnte und möchte jeden dazu ermutigen, es einfach mal zu zweit zu versuchen – egal ob ein Bassist oder Gitarrist vorhanden ist. Sicher – es bedarf ein paar technischer Kniffe, um zu zweit die gleiche klangliche Massivität wie eine große Besetzung aufzubauen, aber vielleicht muss das ja auch gar nicht sein. Möglich ist es aber auf jeden Fall. Zwei Verstärker, ein guter ABY-Splitter (siehe Infokasten) und schon kann es im Prinzip losgehen – manchmal ist es zu zweit eben doch am schönsten.


Auch mal reinhören … Absolutes Pflichtprogramm für Gear-Freaks ist definitiv das Doom/Sludge-Duo Jucifier, das mit seiner gigantischen Backline Erinnerungen an Grateful Dead wach werden lässt. Auch die beiden Schweizer von Closet Disco Queen, mit ihrem verschrobenen Instrumental-Krautrock, sind alleine schon wegen ihrer exquisiten Verstärker-Auswahl für das Fachpublikum interessant. Aus Schweden kommt ein düsteres Doom-Gespann, das auf den Namen Switchblade hört und schon seit Jahren mit monotonen und zähen Riffs durch die Gegend walzt – für Fans der alten Doom-Schule definitiv ein Tipp. Die auf dem US-Label Southern Lord erschienenen Alben der Jungs von Black Cobra und Eagle Twin könnten für Freunde der tiefer gelegten Riffs mit gelegentlichem Blues-Einschlag und einem Hang zu sumpfig-dreckigen Licks durchaus einen Versuch Wert sein.


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(erschienen in Gitarre & Bass 01/2018)

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