Interview

Doug Wimbish: Zwischen Living Colour, Madonna und den Rolling Stones

Anzeige
(Bild: Matthias Mineur)

Zu den prominentesten Musikern des Guitar Summit 2023 in Mannheim gehörte ohne Zweifel der amerikanische Rock- und Funk-Bassist Doug Wimbish. Der 67-Jährige hat schon mit einigen der größten Stars der Welt gearbeitet, darunter Mick Jagger und die Rolling Stones, Madonna, Depeche Mode, Annie Lennox, Seal oder auch Joe Satriani. Im Dezember tourt er zudem mit seiner eigenen Band Living Colour im Vorprogramm von Extreme durch Europa. Natürlich haben wir in Mannheim die Gelegenheit genutzt, Wimbish um ein Interview zu bitten und über einige seiner namhaftesten Produktionen zu sprechen.

INTERVIEW

Doug, du bist offenkundig bei bester Laune. Hängt dies möglicherweise mit der erfolgreichen Living-Colour-Tour zusammen?

Anzeige

Der Höhepunkt dieses und auch des folgenden Jahres ist für mich tatsächlich die Tour mit Living Colour und Extreme. Mit meinen Freunden wieder gemeinsam auf der Bühne zu stehen ist für mich ein echtes Highlight.

Besteht euer Set ausschließlich aus Klassikern, oder gibt es das eine oder andere neue Stück?

Nun, auch wenn man nach vielen Jahren ein altes Stück wieder spielt, ist es auf gewisse Weise neu. Wir feiern das 30-jährige Jubiläum von ‚Stain‘, mein erstes Album mit Living Colour.

Obwohl du schon mit den größten Stars gespielt hast, ist diese Band für dich immer noch eine ganz besondere Sache, nicht wahr?

Durch Living Colour bin ich berühmt geworden. Und aus meiner Sicht haben wir im Laufe der Jahre wirklich exzellente Musik erschaffen. Einiges davon revitalisieren wir derzeit. Insofern ist es für mich eine besondere Belohnung, mit Vernon (Reid, Gitarre, Anm. d. Verf.), Will Calhoun (Schlagzeug) und Corey Glover (Gesang) zu spielen. Living Colour bedeuten für mich Freiheit, Ausdruck, Abenteuer, aber auch Angst und Schrecken. (lacht)

Weshalb Angst und Schrecken?

Ich sage das nur im Scherz. Für mich ist es oft erschreckend, wie gut diese Band klingt. Das ist aus meiner Sicht der Grund, weshalb wir immer wieder zusammenkommen und gemeinsam spielen. Unsere DNA hat eine natürliche Verbindung, wir haben immer noch etwas zu sagen und scheuen uns nicht davor, klar Stellung zu beziehen, was viele andere Bands bewusst vermeiden. Bei Living Colour geht es nicht nur um Musik, sondern auch um die dahinterstehende Haltung und die Möglichkeit, Menschen zu unterstützen, die dringend Unterstützung benötigen. Es geht um Gemeinschaft, nicht um den Einzelnen.

Dougs Spector-Ersatz-Bass (Bild: Matthias Mineur)

Ist das der größte Unterschied zu deiner Zusammenarbeit mit Mick Jagger, die später auch zum Job bei den Rolling Stones führte?

Der Kontakt zu Mick Jagger kam über gemeinsame Bekannte zustande, darunter Jeff Beck, Arthur Baker und einige Produzenten, mit denen ich damals arbeitete. Für mich war es natürlich eine tolle Erfahrung, an Micks zweiten Soloalbum ‚Primitive Cool‘ beteiligt zu sein und anschließend mit ihm, Joe Satriani, Simon Phillips, Bernard Fowler, Jimmy Rip, Lisa Fischer und dem leider vor drei Jahren verstorbenen Phil Ashley auf Tour gehen zu dürfen. Eine tolle Zeit, die ich sehr genossen habe.

War sie musikalisch herausfordernd?

Nein, Herausforderungen entstehen im Kopf nur dann, wenn man sich zu viele Gedanken macht. Hier war es eher so: Erledige deine Hausaufgaben, geh ins Studio und mach dein Ding! Letztendlich war es ein Job wie viele andere auch, allerdings einer mit sehr großer künstlerischer Freiheit. Um in diesen Kreisen akzeptiert zu werden, muss man seinen Job können und in der Lage sein, offen und angemessen zu kommunizieren.

Mick war und ist einer der größten Entertainer aller Zeiten. Er arbeitet hart und ist zugleich ein cleverer Geschäftsmann. Außerdem hat er mit Keith Richards den perfekten Partner. Zu beobachten, wie in diesen Sphären gearbeitet wird, war eine tolle Erfahrung, die einem dabei hilft, beim nächsten Job noch besser zu sein. Zumal man niemals denken darf, dass die Party endlos weitergeht. Man muss ständig weiterarbeiten. Wer das nicht beherzigt, ist schnell raus aus dem Business. Aber wer sich das zu Herzen nimmt, darf dann eben auch mal mit Charlie Watts spielen oder ist auf einem Album von Ron Wood zu hören.

Bis heute bin ich den Menschen dankbar, die mich in diese Position gebracht haben. Gleichzeitig weiß ich aber auch genau, was ich selbst dafür leisten musste, um in dieser Position zu bleiben. Und Dinge machen zu dürfen, die mir wichtig sind, wie eben Living Colour, die Arbeit mit Seal, mit Joe Satriani, mit Madonna. Man darf nur niemals zu bequem werden, sondern muss immer Ausschau nach dem nächsten Ziel halten. Ich mag Situationen, in denen es mir nicht zu angenehm ist, sondern in denen die Spannung aufrechterhalten bleibt.

Die Aguilar- Bassanlage mit Tone Hammer 500 (Bild: Matthias Mineur)

War dies bei deinem Rolling-Stones-Engagement für ‚Bridges To Babylon‘ der Fall? War das Album für dich nicht wie ein Sprung ins kalte Wasser?

Nein, denn dadurch, dass ich vorher bereits mit Mick gearbeitet hatte, kannte ich seine Vorstellungen von einer perfekten Basslinie. Außerdem habe ich mich vor einem so wichtigen Gig natürlich intensiv mit der Musik meiner Auftraggeber beschäftigt. Gleichzeitig habe ich schon früh gelernt, dass es ein Riesenunterschied ist, ob man für eine Tour oder für eine Studioproduktion gebucht wird. Im Studio zählt nur die perfekte Arbeit, deshalb ändern sich die Dinge dort ständig. Wenn es dann anschließend auf die Bühne geht, spielt man etwas, womit man sich bereits lange und intensiv beschäftigt hat. Durch die Zusammenarbeit mit Mick war ich auf den Stones-Job gut vorbereitet, denn ich wusste, wie diese Musiker untereinander kommunizieren. Und ich wusste, dass ich an einem Tag eine vermeintlich perfekte Basslinie ablegen kann, die aber nur zwei Tage später wieder komplett verworfen wird und neu gespielt werden muss. Mick sagte oft zu mir: „Komm, jamme ein wenig mit Charlie!“ Das machte ich, und Charlie wollte immer weiterspielen.

Nicht ich, sondern er wurde einfach nicht müde. Allerdings war ich nicht der einzige Bassist auf ‚Bridges To Babylon‘. Auch Darryl Jones und Danny Saber sind auf der Scheibe zu hören, ebenso wie Meshell Ndegeocello, Jeff Sarli, Blondie Chaplin und mit Don Was auch der Produzent des Albums. Wir alle gemeinsam haben Bill Wyman ersetzt, den die Stones am liebsten behalten hätten beziehungsweise den Keith und Mick sicherlich im Vorfeld gefragt haben, ob er nicht zurückkommen möchte. Das alles muss man verstehen, wenn man einen solchen Job annimmt. Einen Bill Wyman kann man nicht einfach so ersetzen, man kann höchstens seiner Spielweise möglichst nahekommen. Er hat all sein Blut, seinen Schweiß und seine Tränen in die berühmten Songs gepackt. Billy hat viele der Stücke zu Welterfolgen gemacht.

Wenn man dies versteht, kann man an seiner Stelle etwas Ähnliches kreieren und die Stones damit am Laufen halten. Aber es bleibt ihre Band, die von Keith, Mick, Woody, Charlie, Bill, Brian Jones. Wir anderen können lediglich dabei helfen, dass sie ihre Tradition fortsetzen.

Hast du die Rolling Stones in deiner Kindheit gehört?

Natürlich! Auf AM Radio. Da liefen zwar nicht nur die Stones, aber als in den Sechzigern ‚Satisfaction‘ rauskam, liebte ich sofort diesen abgefahrenen Fuzz-Sound. Später hörte ich im Radio, dass Larry Graham einen Fuzz-Bass spielte. Großartig! Es gab eine ganze Reihe toller Songs, die ich liebte, und die Stones gehörten dazu, ebenso Led Zeppelin mit ‚Whole Lotta Love‘ oder Stücke von Santana, Miles Davis, alle Sorten von Musik. Als Heranwachsender hat man bekanntlich alle Antennen auf Empfang.

Über andere Engagements, Madonna und mehr auf Seite 2

Produkt: The Rolling Stones: Stories & Interviews
The Rolling Stones: Stories & Interviews
The Rolling Stones im Interview - das große Gitarre & Bass-Special

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren