Im Interview

Donots & Guido Knollmann: Mach doch mal mehr Strand rein

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Welche Zutaten hast du für ‚Heut ist ein guter Tag‘ verwendet? Ist der Friedman Dirty Shirley nach wie vor dein Haupt-Amp? Oder gibt es da Neuerungen?

Die gibt es, auch wenn der Dirty Shirley sowohl live als auch im Studio nach wie vor die Macht ist. Kurz bevor wir mit den Aufnahmen angefangen haben, war ich bei Rare Guitar in Münster, einem tollen Gitarrenladen, den ich regelmäßig besuche. Immer wenn ich dort hingehe, kommt der Inhaber Rudi (Dinkela, Anm. d. A.) an und sagt: „Hey Guido, ich hab was für dich. Das musst du unbedingt antesten.“ Er weiß immer, was ich mag. Bei diesem Mal wollte er mir irgendeine Les Paul andrehen. Er nimmt also irgendeinen Amp, der rumsteht, stöpselt ein und spielt. Ich habe kurz zugehört und dann geantwortet: „Rudi, die Les Paul ist mir gerade ziemlich egal, aber was bitteschön ist das für ein Amp?“

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Zunächst wollte er ihn nicht hergeben, am Ende unseres Gesprächs hat er dann aber doch seine Meinung geändert und ihn mir angeboten. Der Amp heißt Little Willie und stammt von einer Firma namens ATT, Advanced Tube Technology. Er hat 25 oder 30 Watt, mit einem 1x12er drin. Das Teil ist unfassbar, so eine Zerre habe ich noch nie in meinem Leben gehört. Ich weiß nicht, was die anders gemacht haben, aber sie ist ganz eigen. Den Hobel gibt es auch gar nicht mehr, der wurde in den 90ern gebaut. Das war ein deutscher Hersteller, irgendwo in der Nähe von Stuttgart. Ich glaube, die Firma existierte gerade mal zweieinhalb Jahre. Und von dem Combo gab es auch nur 200 Stück. Du findest kaum was im Internet darüber.

Über den habe ich im Studio sehr viel gemacht. Der Sound-Engineer, der damit aufgenommen hat, hat ihn direkt danach bei ebay überall gesucht, weil er echt fantastisch ist. Dazu kam mein Tone King Falcon Grande, den habe ich häufig für Angecrunchtes genommen. Das war auch super. Ansonsten das Übliche: Vox AC30, Fender Princeton, Friedman, Hiwatt.

Advanced Tube Technologies Little Willie
Das Amp-Setup auf der Bühne mit Friedman Dirty Shirley und Tone King Falcon Grande

 

Arbeitest du im Studio auch mit Pedalen, oder versuchst du, dich da auf die Amps zu beschränken?

Gerade beim Hiwatt. Den kannst du aufdrehen ohne Ende, da zerrt nichts, der bleibt clean. Daher benutze ich ihn als Plattform für Pedale. Ich habe irgendwann, wie die meisten Gitarristen, so eine komische Leidenschaft für Pedale entwickelt. Du musst ja gefühlt alle haben. Da ist natürlich ganz viel Feng Shui dabei, aber es macht auch Spaß.

Und ist eine Wissenschaft für sich …

Wir haben oben im Studio eine Leiste, wo alle Effekte an der Wand stehen. Ich nehme dort ja auch mit anderen Bands auf. Die schicken mir im Vorfeld Demos, und dann mache ich mir Gedanken zu den Gitarrensounds. Welche Gitarre könnte in Frage kommen, welcher Amp? Manchmal ist es super-hilfreich, wenn du die ganzen Pedale oben in der Ecke siehst. Das ist ein bisschen wie beim Kochen, wie ein Gewürzregal. Wenn du denkst, da fehlt noch ein bisschen Chili, dann kannst du gleich das passende Pedal rausziehen und schon hast du im Kopf eine Idee, wie es klingt. Das macht tierisch viel Spaß, und meistens kommt man da auch zu einem guten Ergebnis.

Guidos Pedal-Sammlung
Das Live-Pedalboard mit DryBell Unit 67, Electro-Harmonix Pitch Fork, Greer Amps Lightspeed, 2x Chase Bliss Audio Preamp MK II Automatone, TC Electronic G-System und PolyTune 3

 

Du hast eben den Fender Princeton erwähnt. Der ist auch in deinem Live-Setup dabei. Wird er am Pult über einen eigenen Kanal zum Dirty Shirley hinzugefahren?

Ja, und zwar fast clean. Der Friedman hat zwar auch nicht übermäßig viel Zerre, aber schon genug, damit es ballert. Der Princeton – mittlerweile habe ich ihn live durch den Tone King Falcon Grande ersetzt – kommt für das Attack dazu. Der wird einfach dazu geschoben. Unser Mischer hat mir das mal über die PA gezeigt. Der Dirty Shirley alleine bläst dir alles um die Ohren. Megageil und griffig. Und dann hat er den fast komplett cleanen Combo dazu geschaltet. Auf einmal ist da ein Anschlag und eine Tiefe drin, das ist Wahnsinn. Diese Kombi funktioniert supergut.

Wie bist du da drauf gekommen?

Durch Ausprobieren – und Gucken, was am besten ist. Zwei Mal der gleiche Amp macht live in meinen Augen keinen Sinn. Die müssen schon unterschiedlich sein von der Art, wie sie klingen, sowohl von der Power als auch vom Zerr-Typ. Und da haben wir uns halt durchgetestet. Irgendwann meinte unser Mischer: Die beiden Amps sind supergeil, jetzt lass uns mal am Sound schrauben. Und dann haben wir mal weniger Zerre genommen und auf einmal gemerkt: Weniger ist mehr. Das klatscht viel mehr.

Ein fetter Gain-Sound ist erstmal geil, kann dich aber auch blenden.

Mit viel Verzerrung geht jeder Anschlag unter. Wenn du dann clean spielst, kann es sein, dass du merkst: Jeder zweite Anschlag, den ich mache, hat gar keinen Ton dahinter. Ich treffe ja gar nicht. Ich finde auch: Weniger Zerre ist mehr. Allein schon für den eigenen Anspruch. Live ist das immer eine Sache für sich, aber im Studio ist weniger Zerre mehr. Und geiler, weil man dadurch lernt, präziser zu spielen und sich nicht auf so eine Ultra-High-Gain-Suppe zu verlassen.

Hast du irgendwelche abgefahrenen Effekte verwendet oder blieb das Setup von den Komponenten her eher traditionell? Bei ‚Auf sie mit Gebrüll‘ meine ich einen Electro-Harmonix POG zu erkennen.

Das ist die erste Version vom POG, die große. Der liefert mir eine Oktave drunter, das funktioniert super. Aber grundsätzlich haben wir es relativ klassisch gehalten, weil wir auch relativ klassische Musik machen. Ich stehe auf ein schönes Tape-Delay, da mache ich viel mit dem Strymon Deco, das Pedal liebe ich über alles. Generell haben wir eher geguckt, wie kriegt man die Sounds rund und geil, anstatt jetzt den höllenabgefahrenen Effektritt zu machen.

Was sind in Richtung Boost- und Gain-Pedale deine aktuellen Favoriten?

Ganz klar das Lightspeed von Greer Amps. Das ist wirklich supergeil und wird aus guten Gründen überall abgefeiert. Ich mag diese Zerre, die nicht so sehr verfälscht. Die meisten Drive-Pedale – klar, das ist Geschmacksache und hängt auch davon ab, welche Musik man macht – haben viel zu viel Gain. Derartig viel Zerre braucht man gar nicht, im Gegenteil, für mich macht das einen Sound eher kaputt. Gerade für uns ist das Lightspeed super, weil es wunderbar aufgeräumt ist. Ich habe außerdem den Chase Bliss Automatone MKII (heißt offiziell Preamp MKII, Anm. d. A.), der ist sehr flexibel und hat auch ein super Fuzz drin.

Sehr geil ist auch das Unit 67 von DryBell, das habe ich immer an, sowohl live als auch im Studio. Das ist ein Compressor, ein Equalizer und ein Booster in einem. Was daran so abgefahren ist: Du machst es an, spielst eine Zeit und wenn du es wieder abschaltest, fragst du dich: Das war mein Sound vorher? Wie scheiße klingt der denn? Irgendwie macht das Teil alles rund. Weitere Favoriten sind das White Fuzz von Red Sun FX sowie der KHDK Ghoul Jr, wenn es für Solos mal brettern muss.

In Sachen Gitarren bist du schon klar ein Humbucker-Typ, oder? Mit Singlecoils sieht man dich eher nicht.

Haben wir aber auf jeden Fall auch dabei. Live verwende ich nach wie vor meistens Humbucker, meine langjährige Favoritin, die ESP Eclipse, ist ja damit bestückt. Mittlerweile spiele ich auf der Bühne aber auch für zwei Songs eine 61er Strat aus dem Custom Shop. Außerdem habe ich eine Tele von Mirza Kovačevic (Gitarrenbauer aus Bosnien-Herzegowina). Früher war ich tatsächlich ein reiner Humbucker-Typ, mittlerweile liebe ich auch Singlecoils. Eine Sache noch kurz zum Thema Boost-Pedale (hält einen Boss GE-7 in die Kamera): ganz große Liebe.

Die vier Live-Gitarren: Martin D-28, 2x ESP Eclipse und Fender Custom Shop 1961 Stratocaster
Quenzel T-Style
ESP Eclipse mit Häussel Vin B A5 Humbucker
Martin D-28
63er Epiphone Olympic
68er Guild Starfire

 

Und was man alles damit machen kann.

Unfassbar.

Schalte ich ihn vor den Verzerrer oder dahinter, booste ich oder nehme ich weg, mache ich mir da eine Frequenzkurve rein und baue mir etwa ein Tube-Screamer-Setting nach …

Genau. All das. Ich möchte ihn im Studio und live auch nicht missen.

Nochmal zurück zu den Anfängen. Du hast von deiner ersten Gitarre gesprochen. Waren die erwähnten Bands wie Entombed der Antrieb, es selber zu versuchen?

Schon. Gerade Entombed. Ich fand diese Gitarrensounds so krass. Ich meine, ganz ehrlich, ich habe bestimmt nicht mal auseinanderhalten können, was da Bass und was Gitarre ist – weil ich von nix eine Ahnung hatte und das eh so ein Soundbrei ist, aber ich fand diese rohe Energie geil. Das hat mich gekickt. Da war natürlich das Erwachen groß, wenn du zu Weihnachten eine Fenix-Strat-Kopie mit drei Singlecoils und einen kleinen Matrix-Amp kriegst. Das klingt anders als Entombed. Aber trotzdem bin ich dabei geblieben.

Abschließende Frage: Welche Resonanz auf das neue Album würdest du dir wünschen?

Ich fände es einfach wahnsinnig toll, weil gerade das letzte Jahr so extrem intensiv war, auch auf einer persönlichen Ebene, wenn wir das halten können. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Leute, die zu unseren Konzerten kommen, sich wie ein Teil des Ganzen fühlen – was sie natürlich auch sind. Darum geht es ja bei der Sache. Irgendwie sind uns 2022 so viele Herzen entgegen geflogen wie noch nie, und das finde ich gerade total schön. Es war, als ob man sich einen ganzen Konzertsaal voller Freunde packt und zusammen eine gute Zeit hat. Diese Herzlichkeit war magisch. Ich würde mich sehr freuen, wenn das so bleibt.


EQUIPMENT

„Gitarren und Amps, die ich auf ‚Heut ist ein guter Tag‘ benutzt habe. Von links nach rechts.“ (s.u.)

Gitarren:

  • 76er Telecaster Deluxe mit Düsenberg Domino P90
  • Gibson ES-335
  • 63er Epiphone Olympic mit Rio Grande Dirty Harry Singlecoil
  • 76er Custom Les Paul mit Häussel P90 Hot
  • ESP Japan Custom mit Bare Knuckle The Mule Humbucker
  • ESP Eclipse mit Häussel Vin B A5 Humbucker (Live und im Studio die meistbenutzte Gitarre)
  • Quenzel T-Style mit Humbuckern
  • 68er Guild Starfire
  • Mirza Kovačevic Thinline Telecaster
  • Fender Custom Shop 1961 Stratocaster
  • Gretsch White Falcon
  • Gibson Custom Shop Firebird non reverse
  • 70er Framus Atlantic
  • Martin D-28

Amps:

  • 63er Dynacord Echo King
  • 76er Hiwatt 100 Custom
  • Tone King Falcon Grande (Live und im Studio)
  • Advanced Tube Technologies Little Willie modifiziert
  • 70er Vox AC30 Top Boost
  • Friedman Dirty Shirley (Live und im Studio)
  • Marshall Plexi
  • Marshall modifiziert von Diezel
  • Fender Princeton Silverface
  • Laney Cub Head (nicht auf dem Bild)

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2023)

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