Im Interview

Curtis Harding: Alles für den Groove

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(Bild: Matt Rubin)

Mit ‚If Words Were Flowers‘ hat der 42-jährige Soul-Künstler aus Atlanta unlängst sein drittes Album veröffentlicht. Wir sprachen mit ihm über seine Anfänge auf der Gitarre, die zentralen Elemente seiner Musik und die ständige Suche nach dem perfekten Ton. Zur Unterstützung stand Produzent und Mitmusiker Sam Cohen zur Seite.

ANFÄNGE & VORBILDER

Curtis, du bist vor allem als Sänger bekannt, deine Leidenschaft für die Gitarre entfachte erst, als du bereits Mitte 20 warst. Gab es einen konkreten Grund?

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CH: Schon in jüngeren Jahren war ich ständig von tollen Gitarristen umgeben. Außerdem habe ich die Gitarre auch immer wieder in die Hand genommen und versucht, mir so viel wie möglich selbst beizubringen. So richtig ernsthaft wurde das aber in der Tat erst in meinen 20ern. Ich habe mir fünf Jahre Zeit genommen, bin in das Thema eingetaucht und habe mich parallel dazu intensiv mit Songwriting beschäftigt. Ich will einfach so viele Instrumente wie möglich spielen können. Dass ich mit Leuten wie Sam arbeite, hat mir sehr geholfen. Ich lerne immer noch und werde nie so gut sein, wie ich es sein will. Es gibt immer etwas, das ich besser machen kann.

Siehst du dich in erster Linie als Rhythmusgitarrist?

CH: Absolut. Ich könnte zwar ein bisschen Solozeug spielen, aber mir geht es ausschließlich um den Groove. Das liebe ich. Wenn etwas einen Groove hat, bin ich dabei.

Sam Cohen: Er bringt einen ganz eigenen Vibe in die Songs. Ich liebe Curtis Spiel.

Curtis, hattest du Vorbilder?

CH: John Frusciante. Ich liebe seine Einfachheit. Er ist offen für alles – manchmal sogar dafür, es zu verbocken. Fehler gehören dazu. Ich bin wahrlich nicht der beste Gitarrist und habe das von Anfang an so gesehen. Wenn du es verpatzt, ziehe die Note dahin, wo es einen Sinn ergibt. Mit dieser Einstellung war Frusciante mein Mann. Ich habe mich über ihn schlau gemacht und fand heraus, dass er auf Hendrix steht. Dann hörte ich Bo Diddley und seine Rhythmus-Sachen und beschäftigte mich mit verschiedenen Rhythmusspielern. Am Ende des Tages ist das Beste, was du für dich als Musiker tun kannst, deinen eigenen Stil zu entwickeln. John Frusciante war derjenige, der mir das gezeigt hat.

GEAR & SOUNDS

Curtis, die erste Gitarre deiner Wahl ist die Fender Jaguar. Warum hast du dir gerade sie ausgesucht?

CH: Einfach wegen der Sounds. Für mich ist die Jag ein echtes Arbeitspferd. Es gibt so vieles, das du mit ihr machen kannst. Sie liefert dir sowohl smarte R&B-Sounds, als auch Indie-Rock-Klänge und Punk-Vibes – alles, was in deinem Kopf ist. Die Jag hat zwar eine kürzere Mensur, aber für mich ist sie so vielseitig wie eine Strat. Die spiele ich übrigens auch viel. Am liebsten über einen Deluxe Reverb. Ich habe einen älteren für Aufnahmen und ein neueres Modell, das ich mit auf Tour nehme. Der Amp ist zwar klein, aber er funktioniert für mich auch auf der Bühne. Ich spiele ja nicht die ganze Show und habe noch andere Dinge zu tun – ich bin ja auch der Crooner und singe.

SC: Wenn Curtis einen Part spielt, nimmt er meistens seine Jaguar. Wenn ich ihn übernehme, sind es in diesem Fall verschiedene Modelle gewesen, etwa eine Kay-Hollowbody für rundere, wärmere Sounds. Außerdem haben wir beide meine Silvertone mit Lipstick-Pickups verwendet. Das war in meinem Studio die Gitarre, die Curtis Jaguar am nächsten gekommen ist. Meine Soli habe ich überwiegend mit einer Jazzmaster gespielt.

(Bild: Matt Rubin)

Curtis, Experimentierst du neben diesen beiden Hauptkomponenten auch mit anderen Sounds?

CH: Oh ja, ich fummle ständig mit Pedalen rum und versuche herauszufinden, was in welcher Kombination funktioniert. Das liebe ich am Gitarre spielen: Es gibt so viel zu entdecken. Ich bin ständig auf der Suche nach dem besten Sound und werde mich da auch niemals langweilen. Das ultimative Ziel ist es, einen eigenen Ton zu kreieren, den man sofort beim Einstecken erkennt.

DIE ZUTATEN VON ‚IF WORDS WERE FLOWERS‘

Eure Möglichkeiten zusammenzuarbeiten waren, abgesehen von den Einschränkungen der Pandemie, auch dadurch beschränkt, dass Curtis in Atlanta lebt und Sam in New York.

CH: Das, stimmt. Das Album ist eine Kombination alter Demos von mir und der gemeinsamen Arbeit in Sams Studio, bei der ich nicht nur auf seine Ratschläge, sondern auch auf sein Equipment zurückgreifen konnte.

Wie baust du deine Songs auf?

CH: Schlagzeug und Bass sind die Grundlage eines jeden meiner Songs. Der Groove steht immer im Zentrum. Die Gitarre kommt dazu, wenn es passt. Ich will mich da aber auch nicht festlegen. Sam ist einer der besten Bassisten, die ich kenne. Wenn man dazu auch ein guter Gitarrist ist, kann man besser einschätzen, wie man beiden Instrumenten ihren Platz einräumt.

Wie habt ihr die Gitarrenspuren aufgenommen?

SC: Vieles davon entstand via DI. Die Fuzz-Sounds etwa gingen direkt in einen Ampeg-Röhren-Preamp. Dazu kam mein kleiner Princeton, den ich generell viel benutze. Dann noch ein Gibson-GA-20-Amp aus den 50ern. Den verwende ich gerne für deftigere, schmutzigere Sounds. Wenn das Demo gut klang, auf der Curtis seine Jaguar gespielt hat, haben wir die übernommen. Ich möchte aus Produzentensicht noch was zum Thema Gitarren und Bässe sagen.

Sehr gerne.

SC: Der Bass lebt weit unterhalb des Gesangs. Er macht dieses infektiöse, sich wiederholende Ding, er legt sich auf den Groove oder ein Riff. Curtis kann den ganzen Tag über so etwas singen. Die Gitarre dreht im Solo ab, der Bass kann das eigentlich die ganze Zeit tun. Er kann viel aktiver sein, als ich das je von einer Gitarre wollen würde, wenn jemand darüber singt. Die Gitarre liegt mitten im Register des Gesangs. Zu einem gewissen Punkt musst du wählen.

Deswegen sind meine Lieblingsgitarristen, vor allem bei der Arbeit mit Curtis, Leute wie Steve Cropper, Pops Staples (The Staple Singers, Anm. d. Autors) oder Curtis Mayfield. Sie fügen ihr kleines Ding hinzu, du weißt, dass sie es sind, der Charakter ist voll da, aber die Stimme steht im Mittelpunkt. Bis zum Solo. Wenn es dafür Raum gibt, kann es abgehen. Aber bis dahin liegt der Fokus auf anderen Dingen. Wie Curtis liebe auch ich den Groove. Dafür brauche ich jede Menge Platz für Bass und Schlagzeug, die Gitarre ist so etwas wie das Sahnehäubchen obendrauf.

KREATIVITÄT & WERKZEUGE

Was sind eurer Meinung nach die wichtigsten Zutaten beim Musikmachen?

SC: Ich stehe total auf Saiteninstrumente, aber letztendlich sind sie nur Mittel zum Zweck. Wenn keine Gitarre da ist, finden Künstler einen anderen Weg, etwa ein Piano oder ein Schlagzeug. So viel Spaß Gitarren, Pedale und Vintage-Equipment auch machen, am Ende des Tages sind sie nur Ausdrucksmittel.

CH: Absolut korrekt. Was immer ein Künstler auch benutzt: Du solltest nicht das Gefühl haben, dass du das auch alles brauchst. Du brauchst Skills, zum Entdecken, zum Kreieren. Darum geht es. In meinen späten 20ern hatte ich keine Ahnung, was abgeht, aber eine Vision meiner Musik. Und ich hatte keine Angst, Dinge falsch zu machen. Du musst bereit sein, komplett zu versagen. Und das vor einer Menge Menschen. Wenn du dazu bereit bist, kommt irgendwann auch das richtige Ergebnis. Also mache es einfach. Ob per Garage-Band oder was auch immer. Schaue nicht nach anderen, ihren Fähigkeiten und ihrem Equipment. Sei einfach du selbst.

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2022)

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