Über ihren musikalischen Werdegang, wie sie schnell Songs lernt, uvm.

Bass-Überfliegerin: Julia Hofer im Interview

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(Bild: Maria Frodl)

Die österreichische Bassistin Julia Hofer wurde durch ihre Videos für den Musikalienhändler Thomann und auch durch ihren eigenen YouTube-Kanal weltbekannt. Mit ihrem seit einem Jahr online stehenden Video ‚Top 5 Earth, Wind & Fire Bass Lines‘ knackte sie die magische Marke von einer Million Klicks.

Aber auch als Session-Musikerin und am Theater ist sie sehr gefragt. Im Interview erzählt sie über ihren musikalischen Werdegang, wie sie schnell Songs und Basslines lernt, und vieles mehr.

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INTERVIEW

Julia, erzähl uns doch, wie du zum Bass gekommen bist?

Musik war bei mir schon immer da, weil mein Papa klassischer Trompeter ist, und meine Mama Geigerin. Ich habe mit acht Jahren mit dem Cello begonnen. Schon das war eine schwierige Entscheidung, weil es bei uns zuhause extrem viele Instrumente gab. Jedes hatte seinen Reiz, und ich konnte mich nur schwer entscheiden. Eines Tages sagte meine Mama: „Da gibt es einen neuen, ganz lieben Cello-Lehrer, wäre das nichts für dich?“ Da sagte ich ja, und so ging es los. Mit 15 oder 16 Jahren wollte ich einfach andere Stilrichtungen ausprobieren. Mein Cello-Lehrer war schon ziemlich cool, und wir haben auch Stücke von Metallica gespielt.

Aber ich wollte ein zweites Instrument lernen. Von meiner Idee, mit Schlagzeug anzufangen, war mein Vater allerdings nicht so begeistert. Erstens wusste er, dass das Instrument ziemlich laut ist, und zweitens war ihm klar, dass diese Wahl eine ziemliche Schlepperei bei Auftritten nach sich zieht. Dann fragte er mich, ob mich vielleicht der E-Bass interessieren könnte. Das Instrument habe auch vier Saiten, und da könne ich viel vom Cello mitnehmen. Ich komme aus einem kleinen Ort, wo es aber eine Blaskapelle gibt. Und die hatte ‚The Chicken‘ im Repertoire, das Stück von Pee Wee Ellis, das durch Jaco Pastorius weltbekannt wurde. Ich habe mir dann sein Album ‚The Birthday Concert‘ (1981) besorgt, unzählige Male ‚The Chicken‘ angehört und war total begeistert. Ich liebe diese Art von Musik und überhaupt alles, was groovt. Dann bekam ich in der Musik-Schule noch zusätzlich Unterricht am E-Bass.

Kannst du dich an deinen ersten E-Bass erinnern?

Klar, das war ein Squier Jazz Bass, den ich mittlerweile zum Fretless umfunktioniert habe. Zu Weihnachten hat mir mein Papa dann einen Yamaha-Fünfsaiter gekauft. Das war 2012, ich habe ihn in die Hand genommen und das Instrument gehasst, wollte es nicht spielen. Das String Spacing war anders, alles hat sich anders angefühlt, und ich bin nicht warm geworden mit dem Bass, vor allem, weil es ein Fünfsaiter war. Ich habe ihn dann getauscht gegen einen Fender Mexico Jazz Bass, und mit dem habe ich für eine lange Zeit einfach alles gespielt.

Spielst du heute auch Fünfsaiter?

Erst seit kurzem wieder. Am Theater brauche ich eigentlich immer die tiefe H-Saite, alle E-Bass-Noten sind da für den Fünfsaiter geschrieben. Am liebsten sind mir trotzdem Viersaiter. Aber die Stelle beim VBW (Vereinigte Bühnen Wien, Anm. d. Verf.) habe ich seit November, und da kommt alles zusammen, was ich in meinem bisherigen Musik-Leben gemacht habe. Dort spiele ich Kontrabass, auch gestrichen, und in dem Ensemble spielen viele klassisch ausgebildete Musiker. Ich muss da viel lesen, was ich auch liebe, und von Klassik bis zur Popular-Musik ist die stilistische Bandbreite sehr groß. Ich versuche, mich mit jeder Vorstellung zu verbessern, optimiere meinen Sound, stelle Fingersätze um. Total spannend! Wir spielen gerade zwei Musicals, ‚Miss Saigon‘, sehr orchestral, mit viel gestrichenem Kontrabass, und ‚Cats‘, wo der E-Bass-Groove dominiert.

(Bild: Lukas Beck)

Kommen wir zu unserem heutigen Hauptthema. Du hast ja über deine Videos für Thomann, in denen du oft berühmte Bass-Parts von unterschiedlichsten Songs in beeindruckender Authentizität spielst, eine unglaubliche Reichweite auf der ganzen Welt. Da stellt sich natürlich die Frage, mit welcher Methodik du dir diese Songs zu eigen machst.

Zunächst werde ich in diesem Prozess immer schneller, das ist wahrscheinlich ähnlich wie bei dir mit deinen Transkriptionen. Beim ersten Mal habe ich ewig gebraucht. Bei Thomann sind das bei den Top-5-Videos dann immer gleich fünf Stücke, und bei der letzten Session war ich insgesamt drei Tage dort und musste zwölf oder dreizehn Stücke auf dem Schirm haben. Als erstes höre ich mir das betreffende Stück nur an, also ohne Bild, und versuche mir vorzustellen, wie der Bassist das gespielt hat. Auf welchen Saiten wurde mit welchem Fingersatz gespielt, z. B. bei Rocco Prestia nur mit einem Finger. Dann ist natürlich wichtig, auf welchem Bass das Stück gespielt wurde. Beim zweiten Anhören versuche ich, mir vorzustellen, wie ich den Song spiele, genau mit der Attitude. Da achte ich dann auf Phrasing, Timing und die Notenlängen, spiele aber immer noch nicht selbst. Wenn ich dann eine Stelle singen kann, nehme ich mein Instrument in die Hand und checke nochmal Lage, Phrasing und Tonhöhe. Dann füge ich Stelle um Stelle zusammen, bis ich schließlich das komplette Stück spielen kann.

Hast du ein Tool, mit dem du einzelne Stellen loopen kannst?

Nein, das mache ich eigentlich gar nicht. Ich hör mir das komplette Stück an und weiß dann sofort: Habe ich es gecheckt oder nicht! Wenn ich das Stück nachsingen kann, habe ich es gecheckt, wenn es hakt, weiß ich genau, dass ich es mir noch einmal anhören muss. Beim Loopen ist man in der Versuchung, das Anhören und Spielen zu vermischen und es können sich meiner Meinung nach schneller Fehler einschleichen. Es ist viel mehr Aufwand einen Fehler zu korrigieren, als es gleich langsam und korrekt einzustudieren. Also besser erst memorieren im Kopf, dann spielen. Bei wirklich bekannten Stücken gibt es natürlich Transkriptionen, die man sich herunterladen kann. Auf die greife ich dann auch mal zurück und überprüfe diese auf Fehler.

Du benutzt also auch manchmal solche Quellen?

Ja, vor allem, wenn die Zeit sehr knapp wird. Ich habe aber festgestellt, dass dies meist die schlechtere Option ist. Wenn ich mir einen Song selbst heraushöre, kann ich ihn mir viel besser merken. Wenn ich auf ein Blatt Papier mit Noten schaue, läuft mein Prozess des Memorierens ganz anders ab. Und auch das Spielen selbst fühlt sich anders an. Nur über das Gehör zu gehen, fällt mir leichter. Es ist besser, statt eines Notenblatts, seine eigenen Visualisierungen im Kopf zu haben.

Wenn man nach Transkriptionen spielt, kann es ja sein, dass diese dann beim Spielen als eine Art visuelle Krücke auftauchen und den Flow stören.

Ja, genau. Dann denkt man, ja, das ist auf der nächsten Seite in der zweiten Zeile und sieht so und so aus, und man denkt mehr an das Bild als an die Musik. Das größte Problem sind aber die vielen Dinge, die ein Notentext gar nicht wiedergeben kann. Gerade das Phrasing und die Attitude entziehen sich der Darstellung in Notenform, egal wie detailreich die auch sein mag. Manchmal sind auch Fehler drin, und dann höre ich mir den Song besser gleich selbst raus. Ab und an nehme ich mir auch die Freiheit, ein Original zu interpretieren. Im Intro des Songs ‚September‘ von Earth, Wind & Fire steigt der Bass mit einer Ostinato-Achtel-Bass-Linie ein. Im siebten Takt sind aber die beiden Achtelnoten auf Zählzeit 4 (G) und 4+ (A) um eine Sechzehntel nach hinten verschoben.

Ich dachte mir, die Stelle spiele ich jetzt nicht so wie das Original, weil das für mich musikalisch überhaupt keinen Sinn macht. (Im Notenbeispiel ist Verdine Whites Original zu sehen. Julia spielt statt Takt 7 wie in Takt 8 notiert, Anm. d. Verf.) Ich dachte mir, vielleicht war das ja ein Problem bei der Bandmaschine, durch das diese beiden Noten verschoben wurden. Ich habe dann alle möglichen Leute gefragt, und meine Basslehrer haben alle gesagt, sie würden die Stelle so spielen wie im Original, das sei cool. Ich spiele die Stelle im Thomann-Video als Achtel. Vielleicht hat Verdine White die Stelle ja nicht ernst gemeint und lacht jetzt darüber, dass alle diesen Verschieber nachspielen. (lacht)

Was die Technik des Memorierens von Songs anbelangt, beziehst du auch moderne Lerntheorien ein, habe ich gehört.

Es geht darum, einen Song so gut vorzubereiten, dass man ihn auch live spielen kann. In bestimmten Situationen spielt ja auch eine gewisse Nervosität mit, wenn man weiß, dass man einen richtig großen Gig hat, oder bei Prüfungssituationen, wo einem jeder ganz genau auf die Finger schaut. Wenn jetzt zum Beispiel ein Video-Dreh bei Thomann ansteht, dann stelle ich mir schon beim Einstudieren der Songs vor, dass ich in dem Raum bin, in dem die Videos aufgenommen werden.

Werden dir bei den Thomann-Videos thematische Vorgaben gemacht?

Eigentlich bin ich da ziemlich frei und kann mir die Themen selbst aussuchen. Ich habe mir eine Liste geschrieben, auf der steht, was ich interessant finde, was ich unbedingt machen will, und auch, was ich selbst lernen will. Ab und zu kommen aber auch Vorschläge aus dem Hause Thomann, zum Beispiel ein Top-5-Video über die besten Grammy-nominierten Songs zu machen. Manchmal sind wir uns nicht so ganz einig. Ich habe neulich ein Video von Jimmy Haslips Fretless-Basspart in dem Yellowjackets-Song ‚Man Facing North‘ (vom Album ‚Like A River‘, 1992, Anm. d. Verf.) gemacht. Da gab es Bedenken, dass das Thema nicht so gut ankommt wie etwa ein Song von Earth, Wind & Fire. Gut fand ich, dieses Thema trotzdem zu machen, weil ich mich nicht auf eine Schiene festlegen will. Und weil es auch genug Leute gibt, die genau solche Themen viel cooler finden als den puren Mainstream. Wenn ich einen Song gut finde und spielen will, mache ich das auch ganz unabhängig davon, wie viele Klicks und Likes er dann bekommt.

Wie gut kam das Jackets-Video dann an?

Nicht so gut, aber das war auch nicht anders zu erwarten. Das Video wurde in drei Wochen nur 21.000-mal aufgerufen. Hingegen das Jamiroquai-Video verbuchte in zehn Tagen 64.000 Klicks. Das ist schon ein megakrasser Unterschied. Ich finde es trotzdem total wichtig, Musik vorzustellen, die vielen Leute noch nicht so gut bekannt ist. Ich bin zum Beispiel total begeistert von ‚Badman’s Song‘, einem Track von Tears For Fears, auf dem Pino Palladino Bass spielt (vom Album ‚The Seeds Of Love‘, 1989, Anm. d. Verf.) und Manu Katché trommelt. Ich habe mir jetzt eine Gitarre gekauft, nur um das Solo spielen zu können. Den Song hat einfach niemand auf dem Schirm, und genau deshalb finde ich es wichtig, da etwas drüber zu machen. Aber klar, ohne Mainstream-Songs, die richtig Reichweite haben und deshalb hohe Klick-Zahlen generieren, geht’s nicht.

In deinen Videos stellst du ja die unterschiedlichsten Bassisten vor, die alle ihr eigenes spezielles Equipment spielen. Versuchst du, das immer authentisch nachzubilden?

Das ist nicht immer so einfach. Bei manchen Songs weiß ich nicht, mit welchem Bass die eingespielt wurden. YouTube ist dabei natürlich eine große Hilfe, und über Live-Videos komme ich oft an die benötigten Informationen. Bei manchen Bassisten, wie z.B. Louis Johnson, ist es leicht, weil die meistens mit dem gleichen Bass gespielt haben und auch dafür bekannt sind. Bei Thomann sitze ich ja an der Quelle und kann dann das passende Instrument aussuchen. Bei manchen sehr teuren Signature-Bässen, die oft 4000 oder 5000 € kosten, nehmen wir dann ähnliche Bässe, die dem Original-Sound sehr nahekommen, aber maximal 1500 € kosten oder oft auch viel günstiger zu haben sind. Wichtig ist mir auch, dass da die richtigen Saiten aufgezogen sind, also Flatwounds oder Roundwounds.

Julia Hofer mit Sandberg California VS4, Rheingold-BA20-Bassboxen und Rheingold-B100-Amp (Bild: Christian Frentzen)

Und wenn du selbst musikalisch unterwegs bist, hast du dann einen Lieblingsbass?

Meinen Sandberg-TT4-Viersaiter hat man mir, als ich bei Thomann anfing, in die Hand gedrückt, damit ich ihn in einem Video spiele. Nach zwei Minuten war mir klar, dass ich den haben muss, und zwar nicht einen aus dieser Serie, sondern genau den! Ich spiele aber außer Sandberg auch gerne Fender-Jazz- und Precision-Bässe, und Music Man Stingrays.

Und welche Amps sind bei dir im Einsatz?

Ich habe einen Genz Benz, der leider nicht mehr hergestellt wird. Außerdem spiele ich öfter einen Rheingold-Preamp, und immer wieder auch Aguilar.

Was für Saiten spielst du?

Meistens Rotosound in den Stärken .045 bis .105, aber auch mal Sets von DR.


(erschienen in Gitarre & Bass 07/2022)

Produkt: Gitarre & Bass 1/2023 Digital
Gitarre & Bass 1/2023 Digital
Im Test: Mooer GTRS W 800 WH Headless +++ Soldano Super Lead Overdrive Pedal +++ Epiphone Noel Gallagher Riviera +++ Fender American Vintage II 1975 Telecaster Deluxe +++ LTD Phoenix 1000 Fishman +++ Orange Sustain, Distortion & Phaser +++ Ibanez Tom Quayle Signature +++ Maestro Sustainer, Envelope Filter, Phaser, Tremolo +++ Fender American Vintage II 1960 Precision Bass +++ Eventide H90 Harmonizer

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ich bin beeindruckt über deinen Werdegang, dein Können, dein Wissen und das in so jungen Jahren. Schätze mich glücklich, dich persönlich zu kennen. Du bist ja ein Star in der Musikszene und doch so bescheiden und liebenswert!

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