(K)ein Bass-Star

Andy Hess: Im Grunde genommen musst du nicht zur Schule gehen, um Musiker werden zu können

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Andy Hess
(Bild: Marian Menge)

Andy Hess hat mit seinen 51 Jahren schon eine beneidenswerte Karriere hingelegt. Nachdem er in den 90er-Jahren den einen oder anderen interessanten Studio-Job absolvieren durfte (Britney Spears, Tina Turner, David Burne), stieg er im Jahrzehnt darauf zunächst bei den Black Crowes und anschließend bei Gov’t Mule ein. Inzwischen ist er ganz Familienvater und „Working Musician“, der es geschafft hat, sich von den spannendsten Vertretern der Gitarrenszene verpflichten zu lassen.

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So spielte der Wahl-New-Yorker mit amerikanischen und deutschen Wurzeln in den letzten Jahren mal mit John Scofield, mal mit Robben Ford und dann wieder, wie auch aktuell, mit Michael Landau. Vor einem atemberaubenden Konzert auf dessen „Rock Bottom“-Tour sprachen wir mit dem bescheidenen Hünen, der uns mit Antworten in fast akzentfreiem Deutsch überraschte.

interview

Zunächst mal: Du hast sieben Jahre lang in Deutschland gelebt. Wie kam es dazu?

Meine Mutter ist Deutsche und mein Vater war in der US Army. Zwar haben sie sich in Deutschland kennengelernt, aber geboren und aufgewachsen bin ich in Amerika. Nachdem meine Eltern geschieden waren, ist meine Mutter zurück nach Deutschland gezogen, und ich musste mit. Da war ich neun Jahre alt. Als ich 17 war, bin ich zurück zu meinem Vater nach Kalifornien gezogen.

Demnach warst du im Alter von neun bis siebzehn Jahren in Deutschland, was – auch musikalisch – ein sehr prägender Lebensabschnitt ist …

Das stimmt, wobei ich in der Zeit, in der ich in Deutschland gelebt habe, jedes Jahr den gesamten Sommer bei meinem Vater verbracht habe. Ich hatte also beide Einflüsse, wobei natürlich die Zeit in Deutschland für mich prägender war.

Hast du dich in der Zeit auch für deutsche Bands interessiert?

Eigentlich weniger. Klar, es gab eine Phase, in der ich Udo Lindenberg gehört habe, aber das war eher die Ausnahme. Ich stand mehr auf The Police und AC/DC. Aber ich muss auch sagen, dass ich einen sehr gemischten Geschmack hatte. Mein Stiefvater in Deutschland hatte eine unglaubliche Plattensammlung und hörte alles: Stevie Wonder, Jimi Hendrix, Miles Davis, John Coltrane … Dadurch war immer Musik im Haus. Und als Teenager fängt man dann irgendwann an, sich selbst für Musik zu interessieren. Und für mich gab es da keine Unterschiede. Tolle Musik ist tolle Musik, egal ob Stevie Wonder, AC/DC oder B.B. King. Darüber hinaus hatte ich natürlich auch jeden Sommer den Einfluss von meinem Vater in San Francisco. Der hatte viele Platten von Bob Dylan und Bob Marley und wohnte andererseits um die Ecke von einem richtigen, echten Blues-Club. Da war ich oft, habe Blues gehört und als Teenager auch bei Jam-Sessions mitgemacht. Das war toll!

Kam dein Interesse für die Musik nur durch deine Väter oder gab es auch Einflüsse aus dem Freundeskreis?

Natürlich hatte ich ein paar Freunde, die mich beeinflusst haben und teilweise schon selber Musik machten. Dadurch kam ich auch zum Bass, denn irgendwann brauchten sie jemanden, der Bass spielt. Ich war schon damals körperlich gut für dieses Instrument geeignet und so fing alles an …

Wie hast du Bass denn dann überhaupt gelernt? Gab es einen Lehrer in Lübeck?

Ich hatte einen Lehrer, der Jazz-Musiker war, aber ich habe mir auch viel selbst beigebracht und Songs rausgehört. Und immer, wenn ich im Sommer in Kalifornien war, hing ich mit Blues-Musikern ab und habe Blues gespielt. Mit 19 fing ich dann in San Francisco an Jobs zu spielen und Musik an einer Schule wirklich zu lernen. Theorie und den ganzen Kram. Wobei ich mehr in Bands gespielt habe, als zu pauken. Fünf Nächte die Woche war ich damals in der Regel unterwegs, um Gigs zu spielen.

Trotzdem bist du dann nach New York gezogen …

Ja, da war ich 23. Ich hatte einen sehr guten Freund, der nach Berklee ging, wodurch sich unsere Wege trennten. Als er fertig war, ging er nach New York und rief dann ständig an und versuchte mich dazu zu überreden auch nach New York zu kommen. Und irgendwann hat er mich rumgekriegt. Allerdings kannte ich New York auch schon, war fasziniert von der Stadt und viele Musiker, die ich toll fand, kamen von dort. Also ging ich nach New York, hatte erst mal einen ganz normalen Job und fing später dann an, auf Jam-Sessions zu gehen. Dadurch lernte ich immer mehr Musiker kennen. Damit fing das langsam an. Ich war noch sehr jung, hatte nicht viel Ahnung, aber dann doch den Mut das durchzuziehen.

Andy Hess
Andy Hess mit seinem Bandleader Michael Landau (Bild: Marian Menge)

War deine Ausbildung wichtig für das, was du jetzt machst?

Ja und nein. Ich hätte mehr lernen können, aber ich war auch sehr schnell zu sehr im Musikmachen drin. Ich habe viel gelernt, aber im Grunde genommen musst du nicht zur Schule gehen, um Musiker werden zu können. Viele der besten Musiker waren nie an einer Uni oder ähnlichem und haben sich das selbst draufgeschafft. Man muss einfach an einen Ort ziehen, wo es eine Szene gibt, in diese Szene eintauchen und sich mit Leuten umgeben, mit denen man spielen kann. Ich kann bei mir auch gar nicht wirklich erklären, wieso es funktioniert hat. Habe ich Glück gehabt? War ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Vielleicht. Aber es gibt auch schwierige Zeiten, wo ich nicht so viele Jobs habe. Ich bin schließlich kein Bass-Star.

Themenwechsel: Bist du gern auf Tour?

Ja! Wenn es für die Musik gut ist, es Spaß macht und die Leute nett sind, dann mache ich das gerne. Allerdings habe ich jetzt auch einen Sohn, der fünfeinhalb Jahre alt ist. Da fällt es mir schwerer weg zu sein, weil ich gern mit ihm zusammen bin. Das macht es mir manchmal nicht leicht, einen Monat lang weg zu sein. Aber mit Michael Landau spielen zu können ist einfach wahnsinnig toll.

Macht es dir mehr Spaß mit jemandem wie John Scofield zusammen zu spielen, der seinen eigenen Stil und Sound hat, oder mit einem Gitarristen wie Michael Landau, der viele Stilrichtungen und Sounds in seinem Spiel vereint?

Das ist schwer zu sagen, denn die beiden sind meine Lieblingsgitarristen. Aber meiner Meinung nach hat auch Michael einen sehr eigenen Sound. Sie haben halt eine sehr unterschiedliche Denkweise.

Wie hast du Michael Landau überhaupt kennengelernt.

Das war, als ich mit Robben Ford zusammenspielte und wir einen Gig als Trio in Kalifornien hatten. Er hatte sich überlegt, Michael als Gast einzuladen. Und dann spielte ich diesen Gig mit Robben, Michael und Gary Novak am Schlagzeug und nachher meinte Michael „Hey, wir müssen auch mal was zusammen machen“. Das war 2007 oder 2008.

Auf der neuen Platte hast du nicht mitgespielt, auf der davor schon. Hast du dir für die Tour jetzt, die Sachen von Michaels Bruder Teddy Landau, der die Bass-Spuren eingespielt hat, rausgehört?

Ich habe mir natürlich alles angehört, um mir die wichtigsten Sachen, die einfach da sein müssen, draufzuschaffen, aber mit der Zeit wird man dann freier und macht sein eigenes Ding.

gear

Andy Hess
Moollon Precision aus Südkorea & Aguilar DB 750 Bass-Top inkl. Aguilar Box (Bild: Marian Menge)

Welche Bässe hast du für diese Tour dabei und wie verstärkst du sie?

Ich stöpsel meinen Bass meistens direkt in den Amp, ohne Effekte dazwischen. Der Aguilar DB750, den ich heute verwende, ist gemietet. Bei meinem Bass handelt es sich um einen Precision, der allerdings von Moollon aus Seoul in Südkorea stammt. Er hat mir den gebaut und geschickt, nachdem ich ihn in Korea persönlich kennengelernt hatte. Ich fand das Instrument unglaublich gut, weil es den Fender-Bässen sehr ähnlich ist. Und das ist, was ich immer gespielt habe: Mein erster Bass war ein Jazz Bass von 1977, den mein Stiefvater mir in Hamburg gekauft hat, als ich 14 war. Später bin ich auf Precision umgestiegen, weil der Sound fetter war.

Vielen Dank für das Gespräch!


Auswahl Discografie
Tina Turner ‚Wildest Dreams‘ (1996)
David Byrne ‚Feelings‘ (1997)
Britney Spears ‚ … Baby One More Time‘ (1999)
The Black Crowes ‚Live‘ (2002)
John Scofield ‚Up All Night‘ (2003)
Gov‘t Mule ‚Deja Voodoo‘ (2004)
Gov‘t Mule ‚High & Mighty‘ (2006)
Gov‘t Mule ‚Mule On Easy Street‘ (2006)
Gov‘t Mule ‚Mighty High‘ (2007)
Gov‘t Mule ‚By A Thread‘ (2009)
Michael Landau Group ‚Organic Instrumentals‘ (2012)
John Scofield ‚Überjam Deux‘ (2013)

www.andyhess.com

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(erschienen in Gitarre & Bass 08/2018)

Produkt: Gitarre & Bass 11/2023
Gitarre & Bass 11/2023
IM TEST: Knaggs Guitars Eric Steckel Kenai T/S +++ Fender Limited Edition Tom DeLonge +++ Stratocaster +++ Cort G290 FAT II +++ Guild D-140 / D-140CE +++ Fender Vintera II 60s Precision Bass +++ Captain Black Betty 1x12 Combo +++ Origin Effects DCX Bass Tone Shaper & Drive +++ Strymon Cloudburst Ambient Reverb +++ Boss IR-200

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Mich wundert, dass hier im Artikel überhaupt nichts von der Band mit Steve Kimock steht … war eine musikalisch tolle Band!

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