Neodynamisch

Vergleichstest von 12” Neodym Lautsprechern für E-Gitarre

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Lautsprecher Neodym Vergleichstest

Man sieht sie immer öfter, die „federgewichtigen“ Neodym-Speaker. Unter anderem weil derzeit Hersteller den Leichtbau als Markennische entdecken. Schluss mit dem Rumbuckeln! Combos und Cabinets bequemer tragen als den Urlaubskoffer – klar, gerne. Doch wie schlagen sich die Neodyms eigentlich im Vergleich zu den Platzhirschen? Können sie mit Klassikern wie dem Greenback gleich ziehen, entwickeln sie klanglich besondere Vorteile?

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Der Grund, warum wir uns gerade jetzt diesem Thema widmen, ist, dass Celestion und Jensen aktuell neue Modelle dieser Lautsprechergattung ins Programm aufgenommen haben. Und ja, sofort kam uns in der Redaktion der Gedanke, dann gleich alle Modelle, die es derzeit auf dem Markt gibt, im Vergleich antreten zu lassen. Sind nicht allzu viele geworden, wir haben uns auch gewundert. Das liegt daran, dass sich manche Hersteller auf diesem Sektor gar nicht engagieren, wie zum Beispiel Weber, Tone Tubby und WGS. Auch ist nicht alles, was man in den Katalogen an in Frage kommenden Produkten sieht, in Deutschland lieferbar. So sind letzten Endes nur vier Hersteller geblieben, die Briten Fane und Celestion, und die nicht weniger legendäre Marken Jensen und Eminence.

DAS MATERIAL

Neodym (oder Neodymium wie man es auch nennt) gehört zu den Metallen der Seltenen Erden. Wie man weiß, ist dafür China der größte Lieferant mit ca. 97 % der Weltproduktion. Der entscheidende Vorteil des Materials ist, dass es bei geringem Volumen und niedrigem Gewicht eine extrem hohe Feldstärke erreicht. Viel Energie auf wenig Raum, klar, deswegen haben Neodym-Speaker eben so einen kleinen Magneten hinten am Korb. Es ist von daher nicht nur das ganze Chassis leichter als vergleichbare Ferrit-/Keramikmodelle, es besteht auch weniger die Gefahr, dass der Magnet beim Transport den Korb deformiert.

Ein Nachteil von Neodym ist, dass an der Belastungsgrenze große Leistungsverluste entstehen. Macht nichts, man muss das eben nur berücksichtigen, sprich die Leistung begrenzen. Und eigentlich spielt dieser Faktor für uns Gitarristen ohnehin eine untergeordnete Rolle. Er betrifft vielmehr die Anwendung in Beschallungsanlagen, da sind wirklich hohe Leistungen gefordert.

Die Positiva haben eine unerfreuliche Kehrseite. Bei der Gewinnung des Neodyms aus dem geförderten Gestein werden giftige Abfallprodukte frei. Seriöse Quellen sagen, dass beim Abbau zudem radioaktives Uran und Thorium frei werden. Wer Wikipedia konsultiert, kann zur Gewinnung des Neodym außerdem so etwas lesen: „ … was zu exorbitant hohen Emissionen der extrem potenten Treibhausgase Kohlenstofftetrafluorid und Hexafluorethan führt. Diese hoch flüchtigen, perfluorierten Kohlenstoffverbindungen (PFKs) sind nicht durch bekannte Filterverfahren abtrennbar und sind nach der Emission als sehr langlebige, persistente Verbindungen mit Halbwertszeiten von ca. 10.000 respektive ca. 50.000 Jahren mit einem ca. 5.000-fach (Tetrafluormethan) und 9.000-fach (Hexafluorethan) stärkerem Treibhauspotenzial in der Erdatmosphäre aktiv.“

Puuhh, starker Tobak. Wie zu hören ist, arbeitet man wohl intensiv daran, harmlosere Techniken zu entwickeln und anzuwenden. Wir Musiker bzw. die Musikindustrie sind aber im Verhältnis sehr kleine Sünder. In welchen Mengen bei Windkraftanlagen Neodym zum Einsatz kommt, ist viel schlimmer.

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DIE KANDIDATEN

Ich deutete es oben an, wir haben nicht alle Speaker ranschaffen können, die wir uns vornehmen wollten. So ist Eminence mit nur einem Speaker vertreten, weil der zweite potentielle Proband, das Modell Tonkerlite, hierzulande schon seit längerem nicht verfügbar ist. Die weiteren Neodyms von Eminence haben wir außen vor gelassen, weil sie explizit für Pedal-Steel-Gitarren gedacht sind und damit nicht zum Reigen der hier vertretenen Speaker passen. Celestion hat mit dem Century einen zweiten Neodym-Speaker im Programm. Der ist aber ein Auslaufmodell und durfte deswegen nicht antreten.

Celestion Neo Creamback

Ein Neodym-Lautsprecher, der laut Prospekt zur Familie der Creambacks respektive Greenbacks gehört und die gleiche „glorreiche tonale Signatur“ besitzen soll wie seine Namensvettern. Das macht ihn natürlich besonders interessant. Er kann satte 60 Watt verdauen und ist in zwei Versionen lieferbar, mit 8 Ohm und 16 Ohm. Die Empfindlichkeit (Messung bei 1 Watt, Abstand 1 Meter) ist mit 97 dB angegeben. Damit liegt er auf gleicher Linie mit dem G12M- 65/Keramik (Celestions Green-/Creambacks bewegen sich zwischen 96 dB und 100 db). Die Resonanzfrequenz ist mit 75 Hz angegeben, der typische Wert in dieser Lautsprecherfamilie. Im Gewicht hebt sich der Neo deutlich ab. Er wiegt 1,9 kg während die anderen Modelle der M-/H-Serien entweder mit 3,6 kg oder 4,7 kg spezifiziert sind.

www.celestion.com

Preis: UVP (2017) ca. € 168, im Handel (2022) ca. € 180

Neo Creamback von Celestion

Eminence Lil’ Texas

Ein absoluter Mini-Magnet, Gewicht des Speakers 1,86 kg, aber der Speaker ist mit 125 Watt belastbar! Die Resonanzfrequenz liegt bei 90 Hz, die Empfindlichkeit beträgt laut Eminence 101,2 dB. Demnach laut und hart im Nehmen, der kleine Texaner. Wirkt wie der ideale Lautsprecher für leistungsstarke Combo-Verstärker. Die Frequenzkurve nimmt einen auffälligen Verlauf. Tiefer Einbruch um 6 dBSPL zwischen 1200 bis 1600 Hz, von da steigt sie steil an bis 110 dBSPL/2200 Hz und ist dann erst bei 4200 Hz auf 100 dBSPL zurück. Den Lil’ Texas gibt es ausschließlich in einer 8 Ohm-Version.

www.eminence.com

Preis: UVP (2017) ca. € 179, im Handel (2022) ca. € 145

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Fane N30

Fane ist wie Celestion und Goodmans eine der traditionsreichen Marken Großbritanniens. Selmer, Sound City und Hiwatt verwendeten dereinst die Speaker. Das ehemals weit verbreitete Modell Crescendo hat es zu einiger Berühmtheit in der Vintage-Szene gebracht. Gemessen an der großen Vielfalt bei Eminence wirkt das Fane-Programm bzw. die Ascension-Serie eher karg. Alles 12“-Typen, je zwei Modelle mit Keramik- und Alnico-Magneten, dazu der N30, also fünf Stück, mehr ist nicht im Angebot.

Das Besondere an diesem Neodym-Lautsprecher ist, dass ihn Fane in seinen Eigenschaften als Verwandten von Alnico-Modellen beschreibt. Am besten geeignet für 1×12-und 2×12-Combos geringer bis mittlerer Leistung, „für Spieler, die einen Big-Amp-Sound wollen“ steht in der Produktinfo zu lesen. Mit 30 Watt ist der Neo nominal belastbar, die Empfindlichkeit ist mit 99 dBSPL angegeben, die Resonanzfrequenz liegt bei ungefähr 70 Hz. Das Frequenzdiagramm weist einen 7-dB-Peak zwischen 2000 und 4000 Hz aus. Mit 2,7 kg ist der N30 für einen Neodym-Speaker nicht gerade leicht. Lieferbar mit 8 Ohm und 16 Ohm.

www.fane-acoustics.com

Preis: UVP (2017) ca. € 199, im Handel (2022) ca. € 185

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Jensen Tornado Stealth 12-65 und Tornado Stealth 12-100

Diese Modelle hat Jensen erst vor ein paar Jahren ins Programm aufgenommen. Der 12-65 wird als eher weich klingender Lautsprecher beschrieben, der in den unteren Frequenzen warm klingen und dezente „runde“ Höhen entwickeln soll. Jensen betrachtet ihn als einen äußerst vielseitigen Lautsprecher, mit „süßen Obertönen“ und einer „definierten Rock-Attitüde“. Der 12-100 ist ein Abkömmling des Jensen Tornado, der von Fender im George Benson Twin-Reverb verbaut wird. Der Speaker soll kristallklare Cleansounds mit schimmernden Höhen liefern und eine sehr präzise, definierte Wiedergabe besitzen. Jensen weist extra darauf hin, dass bei verzerrten Sounds reichlich Höhenbiss entstehen soll. Etwas überraschend angesichts der Tatsache, dass die Frequenzgangdiagramme der beiden Tornados ziemlich ähnlich aussehen.

Die technischen Eckpunkte des Stealth 12-65 lauten: nominale Belastbarkeit 65 Watt, Resonanzfrequenz 83,2 Hz, Empfindlichkeit 97 dB, Gewicht 2,2 kg, lieferbar in 8 und 16 Ohm. Preis im Handel (2022) ca. € 180.

Die technischen Eckpunkte des Stealth 12-100: nominale Belastbarkeit 100 Watt, Resonanzfrequenz 72 Hz, Empfindlichkeit 98,5 dB, Gewicht 2,2 kg, lieferbar in 8 und 16 Ohm. Preis im Handel (2022) ca. € 180.

www.jensentone.com

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TONKULTUR

Wenn ich Geräte teste, suche ich natürlich nach den viel zitierten „Sweetspots“ oder anders ausgedrückt nach den Stärken des Produkts. Aber ich mache auch unbedingt das Gegenteil, versuche etwaigen Schwächen auf die Spur zu kommen. Dazu gehört definitiv, nicht immer nur mit den „schönsten“ Klangfarben zu hantieren, sondern den Probanden ganz bewusst schwierige Aufgaben zu stellen, ihnen kritisches Tonmaterial zu liefern. So wird in der Regel schnell klar, ob in einem Funktionsbereich zum Beispiel ein Röhren-Amp nicht vollends austrainiert ist.

Mit diesem Ansatz erfolgte natürlich auch die Untersuchung der Neodym-Lautsprecher. Klar habe ich rumgeschraubt am Amp und unterschiedliche Gitarren probiert, um die edlen Seiten hervorzubringen. Um aber die Grenzen der Belastbarkeit, die Präzision und Kultur in den tieferen Frequenzregionen auszuloten, mussten sie „schmutzige“ Signale über sich ergehen lassen. Ein Amp, der bei verzerrten Mehrklangakkorden, vielleicht sogar schon bei Quintakkorden unten herum Intermodulation erzeugt, also im Hintergrund eine Art dissonante Interferenzen hervorbringt (was keineswegs negativ ist, sondern als Teil des Toncharakters verbucht werden sollte), ist mir dabei am liebsten: hebt der jeweilige Speaker diese Anteile hervor, lässt er das Grummeln noch fieser klingen als andere oder belässt sie unterbelichtet ohne an Bassdruck zu verlieren … ?

Der schwierige Job der Differenzierung wird durch solche Maßnahmen zumindest ein wenig leichter. Und schwierig sein können vergleichende Hörtest von Lautsprechern allerdings. Ich denke mit Schrecken an den Test der verschiedenen Greenback-Modelle von Celestion (in Ausgabe 01/2014), da waren die Unterschiede teilweise doch sehr fein und es wuchs sich zu einer haarigen Angelegenheit aus, diese herauszuarbeiten.

Da vermutlich primär Nutzer von Combos bzw. kleinen Setups die leichtgewichtigen Neodyms in Betracht ziehen, habe ich die Hörtest hauptsächlich mit hinten offenen Gehäusen ausgeführt. Weil ich über entsprechende Schaltgeräte verfüge, konnte ich sie ohne Zeitverzögerung im direkten Wechsel an verschieden Verstärkern vergleichen. Dabei ist die Hörposition ein kritischer Punkt. Um einen objektiven Eindruck der Schallereignisse zu bekommen und selbst feine Unterschiede zu bemerken sollte man jeden Speaker auf die gleiche Weise fokussieren.

Im Prinzip muss man außerdem darauf achten, dass sie in der Lautstärke auf derselben Ebene liegen. Warum? Weil unser Gehör ein und dasselbe Signal laut im Klang anders wahrnimmt als leise. Einfach ausgedrückt wirkt ein Schallereignis wenn man es lauter macht durchsichtiger und höhenreicher. Von daher ist es für den Konsumenten natürlich schwierig beim Antesten von Boxen und Amps/Combos zu objektiven Urteilen zu gelangen. Der ideale Weg ist, die Speaker mit einer Messvorrichtung und geeigneten (Preset-)Pegelvorrichtungen auszubalancieren, sodass beim Umschalten die entsprechende Kompensation automatisch aktiv wird – aber wer hat so etwas schon zur Verfügung? (ich! 😉)

Andererseits ist man schon ganz gut auf der sicheren Seite, wenn man bei Hörvergleichen von Boxen bzw. Lautsprechern mit einer gehobenen Lautstärke arbeitet. Nicht unbedingt so laut wie in einer Band, aber doch schon so, dass man sich nur noch mit erhobener Stimme daneben unterhalten könnte. Vergleicht man ganze Stacks oder Combos, kann und sollte man darauf achten und sie so einstellen, dass sie subjektiv in etwa gleich laut wirken. Im Falle unserer Neodym-Speaker war das Schallpegelproblem keines bzw. es spielte nur eine untergeordnete Rolle. Weil sie nämlich so markant unterschiedlich in ihrem Toncharakter sind, dass es keiner maximal feinen Tüfteleien bedurfte, um ihre Eigenschaften zu differenzieren.

Angesichts dessen, dass der Celestion Neo Creamback der wohl prominentesten Typenreihe überhaupt unter den Gitarrenlautsprechern nacheifert, war ich auf seine Performance besonders gespannt. Dass sein Grundtimbre deutlich in die prädestinierte Richtung geht, ist unverkennbar. Er wirkt ausbalanciert bei im Vergleich zu den anderen Neodyms etwas dezenteren Tiefmitten. Die Basswiedergabe bauscht sich nicht auf, der Speaker bleibt stramm und präzise wenn tiefe Töne (E6-, A5-Saute) gedämpft gespielt werden.

Cleane Sounds bildet der Celestion Neo Creamback transparent und detailreich ab, womit das Klangbild insgesamt gemeint ist, nicht die Höhenwiedergabe. Das ist ein Thema für sich, denn der Speaker geht dort herzhaft zur Sache. Mal glitzernd, mal scharf und bissig gleicht er in diesem Bereich des Tonspektrums seinen Ahnen nur bedingt. Bei verzerrten Sounds ist die spezielle Farbe im Attack der Noten interessant, markant, charakterbildend, dürfte aber längst nicht jedermanns Geschmack sein. Es verbreitet sich dadurch eine „notorische“ Aggressivität im Sound, die mit der Klangregelung (Presence) nur bedingt zu dämpfen ist. Eine Art Sirren ganz oben im Frequenzspektrum bleibt stets präsent.

Der Fane N30 ist aus dem gleichen Holz geschnitzt. Ja, er beißt zuweilen sogar noch etwas beherzter zu. Die Höhen sind ja nach Sound-Situation regelrecht scharf und können, wenn man mit den Ohren direkt zentrisch im Strahl steht, regelrecht anstrengend sein. Tun wir das in der Praxis, stellen wir die Mikrofone so auf? Nein, insofern ist das kein wirkliches Problem. Der Höhenbiss ist aber permanent charakterbildend, dessen sollte man sich bewusst sein. Im Vergleich zum Celestion hat der Fane N30 in den unteren Mitten etwas mehr Körper, im Bereich zwischen ca. 500 bis 800 Hz prägt ein deutlicher Peak seinen Ton. Diese beiden Faktoren sorgen bei Distortion für eine warme, erdige Sound-Komponente, die dem Klischee des Brownsounds folgt. Feiner Overdrive und eine Vintage-Strat, toll, Attack-Details werden sensibel herausgestellt, einfach musikalisch wertvoll.

So was, der N30 wirkte beim ersten Hören beinahe wie ein ungeratener Außenseiter, entpuppte sich dann aber immer mehr als der Champion in Sachen eigenständiges, starkes Sound-Profil. Ja, er ist speziell im Ton, aber gerade deswegen besonders cool. Die Feinheit eines hochwertigen Alnicos (die Fane im Prospekt ins Spiel bringt) erreicht der N30 indes nicht. Dafür trägt er zu dick auf in den Höhen, es fehlt Luftigkeit und Wärme. Diese spezielle Dichte, die man z. B. von Celestions Blue Bulldog kennt, ist allerdings durchaus da.

Wichtig festzuhalten ist hier als Zwischenfazit, dass der Celestion Neo Creamback zwar seine Schwerpunkte etwas anders setzt, im Prinzip aber dem N30 gleicht und ebenbürtig ist. Eine Frage von Feinheiten, ob man sich für den einen (dezenteren, fülligeren) oder den anderen (hochmittigen, beißenderen) entscheidet. Beide zeichnet im Übrigen aus, dass sich die Sounds schön aus den Speakern lösen, nicht der Eindruck entsteht, dass sie an der Membran kleben, sich der Ton in der Box abspielt, was bei Low-Budget-Speaker-Chassis/Cabinets ja nicht selten der Fall ist.

Die übrigen drei Neodyms stimmen ganz andere Töne an. Insofern als sie viel dezenter ihre Aufgaben verrichten. Der Lil’ Texas von Eminence setzt auf Fülle und vermeidet offensive Höhen. Satter in den tieferen Mitten schlägt er den Fane und den Celestion in der Disziplin Tonvolumen nicht um Längen, aber doch recht deutlich. So hat die Vintage-Strat bei ihm einen kräftigeren Körper und auch etwas mehr Bass. Es kommt allerdings wirklich wenig Höhenglanz auf. Der Lil’ Texas bringt die oberen Frequenzen zwar in der Basisschwingung präzise zu Ohren, allerdings eben ohne brillante Frische. Nein nein, das Klangbild wird dadurch nicht müde, sondern einfach nur dezent.

Der Lil’ Texas kann insofern eine gute Wahl sein, wenn tendenziell zu scharfe Signale aus dem Amp kommen, er wird sie mildern. Andererseits ist seine dezente Attitüde so dominant, dass man selbst mit harten Flageoletts-Attacks nicht viel Biss in den Ton bekommt. Mag zunächst keine große Rolle spielen. Doch man sollte nicht unterschätzen, wie sehr die Nuancen im Anschlag die Ausdrucksstärke der Noten prägen. Um es bildlich auszudrücken: der Lil’ Texas passt zu Frank Gambale mit seinem gleichmäßig homogen perlenden Legatostil. Dynamisch aufspielenden Kollegen wie einem Joe Bonamassa oder dem legendären Stevie Ray Vaughan wäre er zu zahm.

Fürs Metal-Shredden, das der Neo Creamback und der N30 grundsätzlich vom Klang her meistern können, kommt der Lil’ Texas kaum in Frage. Blues-Spieler, die warme Klangfarben bevorzugen, Jazz, Fusion, Stilarten, die degressive Gitarren-Sounds brauchen, da ist der Eminence gut aufgehoben. Sehr zu empfehlen ist er mit seiner kompakten, dichten Wiedergabe z. B auch für Wet/Dry/Wet-Setups als Speaker für die L/R-FX-Stereobasis. Am Rande sei noch dies bemerkt: Laut Data-Sheet (Angaben s.o.) müsste der Lil’ Texas der lauteste Speaker im Bunde sein, im subjektiven Höreindruck erlebt man davon kaum etwas.

Wie eben schon angedeutet, gehen auch die beiden Jensen-Stealth-Modelle tonal nicht angriffslustig in die Offensive. Kraft, Volumen, stabiles Fundament im Klang, klare, kräftige Bässe, kontrollierte Balance der Frequenzbereiche ohne überbordende Spitzen – hier profitiert der Ton davon, dass primär die Basisformanten des Instruments im Vordergrund stehen, nicht das Höhenspektrum. Gleichwohl verbreitet der Stealth 12-65 deutlich mehr Frische in den Höhen als der Lil’ Texas. Im Vergleich zum Neo Greenback und dem N30 ist der Höhengehalt aber noch immer zurückhaltend.

Keineswegs im Sinne von unterbelichtet, denn eigentlich ist der Stealth 12-65 in diesem Testfeld der ausgewogenste Speaker, elegant im Ton ohne irgendwie zu überzeichnen. Er ist z. B. ganz klar derjenige, der aus Hals-Singlecoils im Overdrive das Beste herausholt, Fülle und Dichte mischt sich mit Transparenz (nein, hier in sich kein Widerspruch), Frau Stratocaster singt mit spitzen Lippen „üüüühhh“, anschlagen am Halsende, das Perkussive im Ton kommt zur Geltung, die Mitten verwaschen nicht, einfach fein. Man könnte durchaus sagen, dass der Stealth 12-65 als Vertreter der Green-/Creamback-Attitüde durchgeht. Man bedenke dabei allerdings, dass auch die verschiedenen Celestions aus der Familie klanglich einige Unterschiede aufweisen.

Die Frequenzgangdiagramme der Jensen-Neodyms erweisen sich insofern als aussagekräftig, als der Stealth 12-100 tatsächlich seinem kleinen Bruder ähnelt. Etwas zurückhaltender in den Tiefmitten, was den Ton etwas verschlankt wirken lässt, dafür mehr Bassgehalt; wenn man vom 12-65 zum 12-100 umschaltet, entsteht der Eindruck, der Ton mache einen Frequenzsprung nach oben.

Der Stealth 100 wirkt daher nicht so satt in der Wiedergabe. Wie im Prospekt versprochen, ist außerdem die Höhenwiedergabe speziell, einerseits intensiv, dies andererseits in den allerobersten Frequenzen. Diese Höhen legen sich wie ein Teppich über die Wiedergabe und bewirken bei verzerrten Sounds eine Art Fuzz-Timbre. Wenn man von allgemein gültigen Klischeevorstellungen ausgeht, scheint der Lautsprecher nicht für intensive Distortion gemacht? Tatsache?! Nee, das würde ich nie so sagen, bzw. wenn überhaupt würde das für konservative Kriterien gelten. Denn auf der gegenüberliegenden Seite, nicht bei Retro-Sounds, sondern in den modernen Sphären der mächtigen, offensiven Metal-Power, kann der Stealth 12-100 auftrumpfen. Er formt eine Art Mid-Scoop, dazu die speziellen Höhen und der korpulenteste Bassbereich unter den Probanden, präzise, duldsam bei Dropped-Tunings, all das macht ihn dafür zu einer guten Wahl.

Davon abgesehen gibt er eine solide Figur ab, wenn ausgewogene Cleansounds gefragt sind und/oder standfest hohe Lautstärken. Mit einem muskulösen Amp davor machen zwei Stealth 12-100 in einem geschlossenen Gehäuse bestimmt schon ganz schön Alarm.

Zum guten Schluss möchte ich noch anmerken, dass es einen guten Grund hat, warum ich in den Soundbeschreibungen wenig über Cleansounds gesprochen habe. Unterschiede sind in diesem Bereich zwar auch wahrnehmbar, sie wirken sich aber einfach nicht so gravierend aus. So, und zusammenfassend liefere ich noch einmal einige Aspekte handlich in Form von Ranglisten. Wenn es darum geht, wie fett und kraftvoll die Speaker insgesamt gesehen ans Werk gehen, führt der Stealth 12-65 gefolgt vom Lil’ Texas, Stealth 12-100, nahe beieinander Neo Creamback und N30.

Thema Höhenwiedergabe, da stehen an erster Stelle mehr oder weniger gemeinsam Neo Creamback und N30, danach kommen mit einigen Abstand Stealth 12-65 und Stealth 12-100, und noch ein Quantum dezenter der Lil’ Texas. Beim Mix aus Kraft und Volumen im Bass hat der Stealth 12-100 die Nase vorn, gefolgt vom Stealth 12-65 und Lil’ Texas, nur ein kleines Stück dahinter der Neo Creamback und der N30. Den Schallpegel habe ich ebenfalls einer Messung unterzogen. Der N30 ist bei der Aufnahme ca. 2 dB stärker als der Neo Creamback, der Lil’ Texas und der Stealth 12-100. Der Stealth liegt weitere 2 dB unter/hinter den anderen. Für unsere Ohren sind diese Unterschiede aber nur wenig relevant.

Und dann noch ein letzter Hinweis: Wer das Thema für sich noch weiter vertiefen möchte, den lade ich ein, sich die Soundfiles anzuhören.


RESÜMEE

Erfreulicherweise floppt keiner der Testkandidaten. Jeder hat seine eigenen Stärken, keiner zeigt objektiv relevante Schwächen. Wobei Eigenschaften wie eine betont dezente Höhenwiedergabe nicht per se als etwas Negatives bewertet werden sollten. So kann der „zahme“ Lil’ Texas Dinge, die die anderen so nicht leisten können – nämlich ausgewogen, quasi wertfrei linear mit den Gitarrensignalen umgehen. Ja, in der Tat, auch das ist eine Qualität für sich.

So gesehen ist die Frage, welcher der Kandidaten der charakterstärkste ist, ein bisschen tricky zu beantworten: Eigentlich der N30, dicht gefolgt vom Neo Creamback. Aber kommt es nicht auch darauf an, wofür der Speaker verwendet werden soll? Die beiden Briten sind Könner im Blues und Retro-Rock. Keine Frage, dort überzeugt auch der Stealth 12-65, weil er auf seine zurückhaltende Art ebenfalls ein Lautsprecher mit viel Format ist. Gleichzeitig ist er universeller, stilistisch breitbandiger einsetzbar. Wenn Körper im Ton die wesentliche Rolle spielt, ein reiches Mittenspektrum, ist er den anderen überlegen. Der Stealth 12- 100 übernimmt den Part des kraftvollen Arbeitstiers. Er klingt nicht so sachlich wie der Lil’ Texas, spielt seine Stärken bis in hohe Lautstärken aus, vermittelt dabei ein betont transparentes Sound-Timbre.

Eine Einordnung nach Preis-Leistungs-Verhältnissen entfällt diesmal. Eben, weil die Kandidaten einerseits ihrer Natur nach nur bedingt untereinander zu vergleichen sind, andererseits ist keiner für sich genommen überteuert. Sie liegen ja auch in etwa auf demselben Niveau.

 


Hinweise zu den Soundfiles:

Für die Aufnahmen kam ein C414 von AKG zum Einsatz. Seine Plazierung wurde für jeden Speaker präzise gleich vorgenommen: Acht Zentimeter aus der Mittenachse herausgerückt, nahe an der Membran mit zehn Zentimeter Abstand. Um auch sonst objektive Bedingungen zu schaffen wurden die Soundclips im Reamping-Verfahren erstellt. Der Verstärker ist in allen Fällen der Artist Edition 50 von Engl, den ich unter anderem deswegen gewählt habe, weil er in der Distortion wohldosiert markante Untertöne erzeugt und so die Ausdifferenzierung der Sound-Unterschiede unterstützt. Natürlich war er bei jedem Speaker absolut identisch eingestellt. Die Aufnahmen erfolgten bei einer mittleren Lautstärke, keiner der Speaker sollte überfordert werden.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und gemastert.

Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine Steinberger GL4-T.

Die Lautsprecher sind immer in derselben Reihenfolge zu hören: Celestion Neo Creamback, Fane N30, Eminence Li´ Texas, Jensen Stealth 12-65, Jensen 12-100.

Ansonsten gibt es zu den Clips wenig anzumerken, ausser: Clip 3 habe ich vorsätzlich mit einer basslastigen Amp-Einstellung aufgenommen, um die Unterschiede zu betonen. Abgesehen davon zeigt sich in diesen Soundfiles mal wieder, dass die markanten Merkmale von Speakern in Clean-Einstellungen weniger offenkundig werden, als bei Distortion (siehe/höre Clip 6).

Im Clip 5 hören wir mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann. Habe ich einfach mal dazu genommen; wird vermutlich praktisch sein für kommende Speaker-Tests, weil dann eine Vergleichbarkeit gewährleistet sein wird.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! 😉

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Abgesehen von den technischen und musikalischen Aspekten finde ich es großartig von euch, daß Ihr auch die Folgen der Produktion erfragt und zur Sprache bringt! Es liegt nämlich auch in der Verantwortung eines jeden Einzelnen, also uns als Verbraucher, was mit unserem Planeten passiert. Macht weiter so und alles Gute für Euch!

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Was nicht erwähnt wird, ist die Tatsache, dass Aluminium, Nickel und Cobalt auch nicht gerade umweltfreundlich gewonnen werden. Keine Erde, selten oder nicht, wird sanft gewonnen. Auch die Verarbeitung in den Hochöfen ist alles andere als “CO2 Neutral”.

      Die Tatsache, dass Neodym Magnete weniger Masse haben macht sie aber in der Tat nicht ökologischer pro kg als AlNiCo oder andere Magnettypen.

      Ich wollte nur anmerken, dass eben die anderen auch nicht sehr viel “besser” sind. Aber das ist ja mit unseren Instrumenten davor nicht anders: Auch Nyahto oder Sapeli sind Hölzer, die länger zum Wachsen brauchen, als das Sägewerk zum Verarbeiten zu Hals- oder Body-Rohlingen.

      So ist es leider mit fast allem, was wir konsumieren…

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  2. ich wusste gar nicht dass es noch Lautsprecher ohne Magnet aus Neodym gibt

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  3. Vielen Dank für diesen sehr sehr hilfreichen und guten Vergleichstest!

    Während des Lesens hatte ich eine Tendenz zu Jensen, durch die Tonbeispiele waren meine Favoriten dann jedoch Celestion und Eminence. Ich habe jetzt zunächst einen Neo Creamback bestellt und bin auf das Ergebnis in meiner Bo…. 212C large size gespannt. Für eine Ergänzung hätte ich noch schön gefunden, die Jensen Tornado und Celestion G12 Century mit aufzunehmen. Könnt ihr das vielleicht noch mit den selben Riffs nachliefern? Dann wäre das die wohl vollständigste Quelle zu Soundvergleichen in der wohl besten Qualität.

    Btw: Der Artikel wurde am 1. Dez. 2017 geschrieben und die ersten Kommentare stammen aus August und September 2017!? Hat da jemand einen Fluxkompensator???

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Hallo Hepsen, der Artikel stammt aus der Gitarre & Bass Ausgabe 9/2017 und ist schon länger online. Wir haben beim Aktualisieren vergessen, das ursprüngliche Datum einzutragen. Sorry für die Verwirrung und Grüße aus der Redaktion!

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      1. Schade, ich hatte schon etwas Hoffnung…

        Kommt gut durch 2018!

        Auf diesen Kommentar antworten
  4. Danke für den Test. Irgendwie habe ich aber den Eindruck, dass der Text nicht zu den Soundbeispielen passt. Oder zumindest nicht zu der angegebenen Reihenfolge: Celestion Neo Creamback, Fane N30, Eminence Li´ Texas, Jensen Stealth 12-65, Jensen 12-100. Simmt diese Reihenfolge für die Sound in den Videos?

    Grüße
    Flo

    Auf diesen Kommentar antworten
  5. Hi,
    ich möchte die, meinem Eindruck nach berechtigte Frage von Flo aufgreifen. Gab es dazu eine Antwort? Meiner Meinung nach wäre die Reihenfolge Celestion Creamback, Eminence, Fane, Jensen 100 und Jensen 65.
    Blues zum Gruß

    Auf diesen Kommentar antworten

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