Till & Tone: Dumble & Dimble

Anzeige
(Bild: Archiv)

Im Januar 2022 starb Howard Alexander Dumble, eine der schillerndsten, fast schon mythischen Persönlichkeiten der Gitarrenwelt. Seine legendären Dumble-Verstärker, von denen es weltweit schätzungsweise nur 300-350 Exemplare gibt, werden seitdem mit Preisen über 100.000 Euro und mehr gehandelt. Robben Ford hat einen, Jackson Browne mehrere, Eric Clapton auch und der unvermeidliche Joe Bonamassa bestimmt ganz viele.

Wir Normalsterblichen haben keinen, können uns keinen leisten und falls sich einer doch einen leisten kann, dann muss er natürlich erst mal jemanden finden, der einen abgeben will. Das ist wahrscheinlich so schwierig wie Paul Reed Smith davon zu überzeugen, eine Custom 10 Top Flame Heavy Relic anzubieten.

Anzeige

Schon mal einen Dumble gespielt? Das haben die wenigsten, das hält sie aber nicht davon ab, über den Dumble-Sound zu philosophieren. Schließlich gibt es YouTube, da findet man genug Videos, wo Joe oder Robben ihre heiligen Amps spielen. Aber mir ist das – ganz ehrlich gesagt – etwas zu simpel. Klar, mir gefällt der Sound von Robben Ford, der da aus meinem Laptop-Lautsprecher perlt. Ob mich das allerdings qualifiziert, über den Dumble-Sound zu referieren, das halte ich für etwas zu gewagt. Nur weil ich mal im Film gesehen habe, wie Julia Roberts küsst, weiß ich doch noch lange nicht, wie sich das „in echt“ anfühlt. Klar, ich habe eine Ahnung – mehr aber auch nicht.

Wem in Bezug auf Dumble-Amps die Ahnung reicht, der kann diverse „Dumble in a Box“-Effektpedale für ein paar hundert Euro kaufen und sich des Lebens freuen. Alles okay, Zufriedenheit ist eine gute Sache, vor allem wenn Julia Roberts nicht in der Nachbarschaft wohnt und der einzige andere Gitarrist in der Straße auch nur einen Blues Jr. besitzt.

Ich möchte mich an dieser Stelle schon mal entschuldigen, denn ich hatte zweimal im Leben die Gelegenheit, ausführlich über einen Dumble-Amp zu spielen. Es handelte sich beide Male um einen Overdrive Special – das wohl bekannteste Modell von Alexander Dumble. Jetzt schäumen einige vielleicht vor Wut oder Entsetzen und murmeln leise vor sich hin: Ausgerechnet Hoheneder, dieser Komiker – der kann doch noch nicht mal ohne Anleitung einen Gmaj7 greifen! Der hält doch eine Molltonleiter für ‘ne stoffbeklebte Sprossenstiege!

Das ist völlig richtig, ändert aber nichts an den Tatsachen. Von Januar bis Juli 1996 nahm ich mit meiner Comedy-Musikband Till & Obel im Dortmunder Tonstudio Team 7 unsere zweite CD ‚Uns kann keiner‘ auf. Die CD war – was die Verkäufe anging – ein totaler Flop. Sie war wirklich kein Erfolg in den Charts, aber ich mag sie künstlerisch noch immer. Vor allem die Gitarrensounds auf dem Album sind super, denn sie wurden hauptsächlich mit einem Dumble Overdrive Special eingespielt.

Wie es dazu kam? Ganz einfach: Der Amp gehörte damals Horst „Molly“ Schreiber, seinerzeit Mitinhaber des Studios und unter anderem Gitarrist bei den Strandjungs. Ursprünglich wollte er eigentlich einen Mesa Boogie Mark I kaufen, aber der sollte 1977 stolze 4800 Mark kosten. Der Dumble Overdrive Special Combo klang in Mollys Ohren nicht nur viel besser, sondern war mit 4300 Mark auch noch gute 500 Öcken billiger! Also griff der gute Molly begeistert zu und nannte seinen Overdrive Special von da an wie den gleichnamigen Whisky nur noch liebevoll den „Dimple“.

Original Dumble-Quittung von 1977 (Bild: Schreiber)

Mein Amp blieb also im Flightcase auf dem LKW und Molly und ich benutzten den Overdrive Special auf fast allen Tracks mit Gitarre. Gekümmert hat mich das nicht, es war einfach nur ein Amp, der im Studio stand und niemanden sonderlich interessierte. Keiner machte Geschiss um den Verstärker, er klang gut, also wurde er benutzt. Bei der Nummer A/C/D/C – einer Parodie auf AC/DC – drehten wir den Overdrive Special voll auf und schubsten ihn über eine 4x12er-Box, das klang tierisch fett, verzerrt und dennoch klar! Und sehr, sehr laut!

Egal ob mit Mollys PRS Custom 24, seiner 1969 Gibson ES-335 oder mit meiner Fender Telecaster – der „Dimple“ lieferte ab, und alle mochten den Sound. Zehn Jahre später waren Till & Obel längst Geschichte und ich machte Musik nur noch als Amateur. Ich wurde zum Gearhead, kaufte wie ein Besessener Amps, Gitarren und Effekte. Vintage, Boutique, Custom Shop, alles was ging. Ich las alles was ich kriegen konnte: G&B, Vintage Guitar Magazin, Guitar Player, Tone Quest Report. Dort tauchte bei den legendären Amps immer wieder der Name Dumble auf. Es klingelte in meinem Gedächtnis: Dumble, Dimple, wie war das noch gleich?

Ich telefonierte mit Molly Schreiber und frischte mein Gedächtnis wieder auf: Dein „Dimple“, das war doch so ein Dumble Overdrive Special, oder? Hast du den noch? Um es kurz zu machen, er hatte den Amp verkauft und mir schwante damals schon, dass das vielleicht zu früh war – aber, hey, das kennen wir Gearheads doch alle, oder? Wann ist schon der richtige Zeitpunkt? Hätte ich meinen silbernen Klon Centaur (mit Horsie!) nicht vor ein paar Jahren für 850 Euro verkauft, dann würde ich jetzt ca. 5 Mille dafür bekommen. Hätte, würde, wenn – ich mochte das Ding einfach nicht. Aber zurück zum Dumble.

Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich ein paar Jahre später noch einmal die Gelegenheit bekommen sollte, einen dieser sagenumwobenen Verstärker noch mal in aller Ruhe zu checken. 2015 bekam ich einen Anruf von meinem Freund Ralf „Tonehunter“ Reichen, der in meinen Augen selbst ein begnadeter Soundtüftler ist. Ralf entwickelte ein neues Tonehunter-Pedal, das „Blue Line“. Ein Overdrive, der den vielgerühmten Sound des Overdrive Special liefern sollte. Um sämtliche Klangcharakteristika eines Dumbles zu erfassen, schmeckte Ralf das Blue Line mit einem Overdrive Special (Seriennr. 147) ab, den ihm ein Kunde zur Verfügung gestellt hatte. Irgendwann rief er mich an und fragte, ob ich nicht mal vorbeikommen wollte, um das gute Stück einmal ordentlich durchzupusten.

Nur wenig später saß ich mit meiner Tele in seinem Showroom und gniedelte meine üblichen Akkorde und Licks über die 100.000-Euro-Kiste. Topteil und Box machten optisch so viel her wie Olaf Schubert auf der Fashion-Week in Mailand, das braune Tolex fand ich nicht besonders edel oder stylish. Und klanglich? Meine subjektive Meinung war: Bei geringen Lautstärken eher „fenderisch“, also ordentlich und bekannt, aber auch nicht weltbewegend. Interessant – und das stelle ich eigentlich bei den meisten legendären Amps fest – wurde es erst, als ich den Overdrive Special laut gemacht habe. Sehr laut. Unfassbar laut.

Aber da war er wieder, dieser warme, druckvolle, mächtige Zerrsound mit den singenden, tragenden Mitten, den ich noch in Erinnerung hatte. Nix schmierte, jeder Akkordton war klar definiert und hörbar. Die Töne durchfluteten den Raum, das war schon geil. Ob das 100.000 Euro und mehr wert ist? Keine Ahnung. Wenn ich einen Dukatenesel in meiner Garage stehen hätte, dann würde ich vielleicht einen kaufen. Weil ich es könnte. Aber nicht, weil das „mein Sound“ wäre. Es gibt Amps, die brauchen viel Lautstärke, damit sie blühen können.

Der großartige, leider neulich verstorbene David Lindley sagte zu Howard Alexander Dumble „bau mir einen 100-Watt-Amp, der wie mein Tweed Deluxe klingt!“ Damals brauchten alle laute Amps, aber heute? Wer von uns spielt denn noch in großen Hallen oder Arenen? Wir Normalsterblichen spielen in kleinen Hallen und Clubs. Ich habe mit meinen Slowhand All Stars in Duisburg im Steinhof gespielt, eine 800er-Location mit großer Bühne und guter Anlage. Beim Soundcheck bat mich der Soundmann, meinen Amp bitte etwas leiser zu machen. Es war ein Fender Princeton (12 Watt), der auf „5“ stand! Soviel zum Thema Lautstärke und wieviel Watt es sein müssen.

Das mag jeder von euch anders sehen, viele stellen lieber einen leistungsstarken Amp leiser, als einen schwachen Amp lauter zu machen. Erlaubt ist was gefällt. Howard Alexander Dumble ist tot, es wird keine neuen Dumble-Amps mehr geben. Wohl dem, der einen hat. Die Preise werden noch weiter steigen, soviel ist klar. Ich bin glücklich, dass ich zweimal in meinem Leben vom Sound dieser Ikonen-Verstärker kosten durfte. Solltet ihr die Möglichkeit bekommen, einen zu spielen, dann macht es. Unbedingt! Alleine schon, um die Frage „hast du schon mal einen Dumble gespielt?“ mit „ja“ beantworten zu können.

Ihr könnt natürlich auch ein Dumble-Pedal wie das Tonehunter Blue Line, das Hermida Audio Zendrive oder das Rockett The Dude besorgen, die klingen auch klasse. Aber es ist nicht „the real deal“, also haltet Augen und Ohren auf, wenn ihr einem echten Dumble begegnet. Ich für meinen Teil bin seit über 20 Jahren sehr glücklich verheiratet, aber sollte mich mal Julia Roberts ansprechen … dann kann ich für nichts garantieren!


TILL HOHENEDER

(Bild: Boris Breuer)

geb. 1965, begründete mit seiner Gruppe Till & Obel Anfang der Neunziger die Neue Deutsche Comedy. Heute ist der dreifache Deutsche Comedypreis-Träger ein gefragter Bestseller-Autor, Podcaster, Comedian und Musiker. Seine erfolgreichen Podcasts „Zärtliche Cousinen“ (mit Atze Schröder) und „Musik ist Trumpf“ wurden schon millionenfach gestreamt. Wenn seine knappe Freizeit es zulässt, spielt der leidenschaftliche Sänger & Gitarrist mit seinen Bands „The Slowhand All Stars“ und den „Rockafellers“ auf.

www.till-hoheneder.de

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2023)

Produkt: Mark Knopfler: Gear-Special
Mark Knopfler: Gear-Special
Alles über den Gitarristen, dessen Sound immer wieder als Meilenstein gefeiert wird: Mark Knopfler!

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hallo Till, zur Geschichte des Amps eine Frage: Kann es sein, dass genau dieser Amp (mit Altec-Lansing Speaker) damals, etwa Anfang 1978, in Riebes Fachblatt Musikmagazin getestet wurde? Der Test hat mich als ‘Anfänger vom Lande’ damals schwerst beeindruckt, allerdings auch der Preis (beidesmal ein lautes “Uiii….!?!”). Dumm nur, im Gegensatz zu den ersten Boogies hat man nie einen Dumble zu sehen oder zu hören bekommen. Dann, viel später, bei einem Robben Ford Konzert (Anfang der 90er) klang der Amp umwerfend in doppeltem Sinn: großartiger Ton, aber ich war hinterher halb taub… 😉 LG E.

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Hallo E.,
      darüber weiß ich leider nichts, der Erstbesitzer auch nicht. Robben Ford habe ich Mitte der 90er im Luxor (Köln) gesehen, mit The Blue Line. War laut, definitiv. Grüße, Till

      Auf diesen Kommentar antworten
      1. Hi Till, schade, dann bleibt das halt offen… jedenfalls vielen Dank für’s Nachhaken. LG E.

        Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren