Blau gemacht

Test: Wampler Phenom und Triumph

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(Bild: Dieter Stork)

Moment mal! Wampler Overdrive- und Distortion-Pedale nur knapp oberhalb der magischen 100-Euro-Grenze? Was ist denn da los? Und wie gut können das Triumph Overdrive und das Phenom Distortion für diesen Preis überhaupt klingen?

Mit den Pedalen der Collective Series hat Brian Wampler eine Plattform geschaffen, auf der er den Sound seiner legendären Pedale zu einem deutlich günstigeren Preis anbieten kann, ohne dass Abstriche im Sound oder der klanglichen Flexibilität in Kauf genommen werden müssen. Dass so ein Vorhaben auch „Made in the USA“ exzellent umgesetzt werden kann, hat JHS mit seiner 3 Series bereits eindrucksvoll bewiesen. Bekommt der Hersteller nun Konkurrenz aus dem Heimatland?

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BLAUER GELBER

Das Triumph Overdrive basiert laut Wampler einerseits auf dem DigiTech Bad Monkey, andererseits stand das legendäre Boss SD-1 hier Pate. Der Mix dieser beiden Schaltungen, gepaart mit Wamplers eigenem Drei-Band-EQ und einem Voicing-Switch, soll ein Maximum an Flexibilität in Bezug auf satt verzerrte Overdrive-Sounds bieten. Das blaue Aluminium-Gehäuse wirkt sauber verarbeitet und kommt mit einem zeitgemäßen aber insgesamt eher nüchternen Design daher.

Neben zwei Reglern für Level und Gain ist das Triumph Overdrive mit einer Klangregelung für Bässe, Mitten und Höhen ausgestattet. Zudem gibt es einen Kippschalter, der zwischen den beiden Voicings „Smooth“ und „Punch“ wählen lässt. Schraubt man das Triumph Overdrive auf, ist eine ausgesprochen sauber bestückte Platine zu sehen, auf der sich SMD-Bauteile sowie konventionell verlötete Parts den Platz teilen. Aufgrund der Bauteildichte bleibt zwar kein Platz für eine Batterie, was angesichts der breiten Verfügbarkeit guter Netzteile aber in Ordnung geht.

5150 IN A BOX?

Mit seinem 5150-Verstärker von Peavey hat Eddie Van Halen den gesamten Verstärkermarkt zu Beginn der 90er-Jahre einmal auf links gekrempelt. Der auf dem Soldano SLO basierende Amp schlug mit einer unglaublichen, klanglichen Wucht ein, die Gitarristen bis heute ein Grinsen ins Gesicht treibt, wenn dieses Monster bei höherer Lautstärke von der Kette gelassen wird. Natürlich kann so ein 120-Watt-Biest nicht in einer kleinen Wohnung Auslauf bekommen – zumindest nicht ohne für massiven Unfrieden bei den Mitbewohnern zu sorgen.

Brian Wampler bietet hier eine einfache Lösung an: das Phenom Distortion soll das Feeling eines 5150-Amps liefern, ohne jedoch solch einen Brocken von Verstärker betreiben zu müssen. Rein optisch unterscheidet sich das Pedal kaum vom Triumph Overdrive – lediglich der deutlich dunklere Blauton des Gehäuses lässt einen Unterschied erahnen. Auch dieses Pedal ist mit einem Mini-Schalter ausgestattet, der zwischen den Optionen „Classic“ und „Bright“ wählen lässt. Ansonsten sind die beiden Geräte im Layout und den Bedienelementen identisch.

(Bild: Dieter Stork)

EINGESCHALTET

Für den Test habe ich beide Pedale vor einen vollkommen cleanen Verstärker mit weitgehend neutraler Klangeinstellung geschaltet. Außerdem kam ein Boss SD-1 aus aktueller Produktion als Referenz für den Vergleich zum Triumph Overdrive zum Einsatz. Die Bezeichnung „Overdrive“ wird bei diesem Pedal weit ausgedehnt. Mit allen Reglern in der Mittelstellung ist der Sound auf Anhieb deutlich satter und verzerrter als beim gelben Klassiker von Boss, wenngleich die Abbildung der klanglichen Details beim Wampler hörbar feiner ausfällt.

Der holzig-mittige Charakter meiner japanischen Gibson-L6-S-Kopie, die komplett aus Ahorn gefertigt ist, wird ebenso gut abgebildet wie die durchschlagende Wucht meiner Heavy-Strat mit Ebenholz-Griffbrett. Natürlich sind diese Unterschiede auch beim SD-1 hörbar aber eben nicht in so einer schönen Detailauflösung.

Der Dreiband-EQ des Triumph-Overdrives erweist sich als äußerst praktisch, um das klangliche Geschehen dem eigenen Geschmack entsprechend zu formen, wobei sich vor allem der Mitten-Regler als sehr wirkungsvoll zeigt. Hier lassen sich dem Overdrive hochexplosive Hot-Rod-Sounds der frühen 80er-Jahre entlocken, die mich im Zusammenspiel mit einem bereits leicht verzerrten Amp an die Klangästhetik des jungen George Lynch erinnern. Möchte man das Klanggeschehen

noch ein wenig mehr in die „sportliche“ Richtung trimmen, kommt einem der Mini-Schalter zur Hilfe: während das „Smooth“-Voicing noch eine leichte Nachgiebigkeit in den Bässen hören lässt, wird im „Punch“-Voicing mit dem eisernen Besen durchgekehrt. In den obersten Mitten sorgt eine ordentliche Beule für aggressives Pick-Attack und die tiefen Register werden gehörig gestrafft, was natürlich vor allem schnellen Attacks auf den tiefen Saiten (man denke hier an James Hetfield oder Scott Ian) gut steht.

Im direkten Vergleich zum Triumph Overdrive, wirkt das Phenom-Distortion-Pedal wie der logische nächste Evolutionsschritt. Der Sound wird ein ganzes Stück „Amp-mäßiger“ und ich habe überhaupt nicht mehr das Gefühl, es mit einem Verzerrer-Pedal zu tun zu haben. Beim Zurückschalten auf mein Boss SD-1 muss ich sogar ein wenig schmunzeln: neben dem Wampler-Pedal wirkt der gelbe Treter dann doch etwas „boxy“ und hüftsteif. Das Phenom-Pedal fängt im Grunde da an, wo das Triumph aufhört.

Zu hören ist ein durchaus komprimierter aber trotzdem schnell reagierender und drahtiger High-Gain-Sound, mit klarer Anlehnung an den hochgezüchteten Ami-Sound, der durch den 5150-Amp so berühmt geworden ist. Natürlich kann ein Pedal alleine nicht die ungezähmte Power dieses 120-Watt-Boliden liefern – die grundsätzliche Ästhetik dieses Sounds wird aber durchaus gut getroffen. Auch bei diesem Pedal erweist sich die Klangregelung als ausgesprochen effizient arbeitend.

Im Zusammenspiel mit dem Mini-Schalter, der hier vom „Classic“ in den „Bright“-Modus wechseln lässt, ist eine breite Palette von Sounds abrufbar, ohne dass aber der Charakter des Pedals zu stark verbogen wird. Mir persönlich gefiel das Pedal im „Classic“-Voicing ein wenig besser, weil hier der rüde, ungestüme Charakter des Phenom Distortions noch etwas besser zur Geltung kommt. Die Unterschiede der verschiedenen Gitarren, die ich zum Testen benutzt habe, waren auch hier gut hörbar, obwohl die Details nicht ganz so schön herausgearbeitet wurden wie beim etwas dynamischer klingenden kleinen Bruder.

Übrigens: Beide Testpedale verhielten sich im Zusammenspiel mit einem anderen Verzerrer im Gain-Stacking durchaus positiv. Vor allem das Phenom-Distortion-Pedal klang, mit dem Boss SD-1 (in diesem Szenario mit komplett zugedrehtem Gain-Regler) davorgeschaltet und einer Ibanez-Siebensaiter, durchaus interessant. Das Resultat war ein bissiger, extrem durchsetzungsstarker Metal-Sound, der vor allem das tiefe H erstaunlich klar und knackig abbilden konnte.

(Bild: Dieter Stork)

ALTERNATIVEN

Made in the USA? Entworfen von einer DER Legenden in der Welt moderner Effektgeräte und Verstärker? Hohes Fertigungsniveau mit ganz viel Sound, für kleines Geld? Wie eingangs erwähnt, muss man in diesem Zusammenhang zwangsläufig über die 3 Series von JHS sprechen. Hier bekommt man vergleichbare Pedale, zu einem vergleichbaren Preis und auf einem nahezu identischen Qualitätslevel. Auch in dieser Serie gibt es ausgesprochen gut klingende Overdrive- und Distortion-Pedale, wenngleich diese aufgrund ihres Layouts etwas weniger Flexibilität mitbringen.

Durch die etwas aufwendigere Klangregelung sind die Wampler-Pedale in dieser Hinsicht leicht im Vorteil. In Bezug auf das Phenom Distortion könnte man, aufgrund seiner klanglichen Ausrichtung, noch das 5150-Pedal von MXR in Erwägung ziehen und sich über die Vorzüge des internen, regelbaren Noise-Gates freuen. Ob einem dieses Feature dann aber einen finanziellen Mehraufwand von fast 130 Euro wert ist, bleibt natürlich eine individuelle, Entscheidung, bei der auch der persönliche Einsatzbereich ein entscheidendes Wörtchen mitzureden hat.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Hat die Welt auf zwei weitere Verzerrer gewartet? Nein und Ja! Mit Brian Wampler hat sich eine absolute Legende dem Thema „Budget-Boutique-Pedale“ angenommen. Die Umsetzung ist mit Bravour gelungen. Sowohl das Triumph Overdrive als auch das Phenom Distortion können im Test voll überzeugen.

Während das Overdrive eine Anlehnung an seine Vorbilder gar nicht erst versucht zu verleugnen, im Detail aber einige deutlich hörbare Verbesserungen vorweisen kann, liefert das Distortion-Pedal einen satten Ton, der zwar nicht die Ballistik eines 5150-Verstärkers mitbringt, trotzdem jedoch jenen ikonischen Klangcharakter nachzeichnet, der für Generationen von Gitarristen zum Benchmark-Sound geworden ist. Wenn es darum geht, ein hochwertiges Basis-Zerrpedal zu finden, das auch noch in den USA produziert wird, darf man den beiden Geräten der Collective Series von Wampler durchaus eine Chance geben.

PLUS

● Sound
● Dreiband-EQ
● Verarbeitung
● Preis/Leistung

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2023)

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