Klang-Ästhet

Test: Tube WorkShop 2864-S Top & 1×12″ Cab

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Box mit Celestion G12M Greenback (Bild: Dieter Stork)

HÖREN WIR MAL

Mit einem satten Klack wechseln die Military-Grade-Schalter ihre Positionen. Kurz warten bis die Röhren ihre Wohlfühltemperatur erreicht haben, dann bringe ich Standby erstmal in den Hot Mode. Zunächst gibt es allerdings was für die Augen, denn die LED-Leiste, die auf der hinteren Oberkante des Ampchassis ruht, erzeugt angenehme Indirektbeleuchtung. Per mitgelieferter Fernbedienung stimme ich mich mit langsamen Farbwechseln à la Biosauna ein.

Farbenfreundlich: die Fernbedienung (Bild: Dieter Stork)

Etwa bei Preamp-Reglerposition 1,5 sind erste Töne zu hören, deren Pegel bis 7 völlig kontinuierlich zulegen. Zwischen 7 und 10 nimmt das Gain dann nochmal Fahrt auf. PAF-Style-PUs lassen den Amp etwa bei Preamp 3-4, vintage Strat-Einspuler bei 5 „aufbrechen“, was nicht nur vom Output der Pickups sondern mehr noch vom Volume-Poti der Gitarre und der Anschlagsintensität abhängt. Schon jetzt wird die tolle Dynamik des 2864-S deutlich, die feinfühlig und ehrlich sowohl spielerische Fähigkeiten als auch Defizite des/der User:in umsetzt. Der Tube-WorkShop-Amp ist also alles andere als ein Schönfärber.

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Da die halboffene 1×12“-Box den Sound sehr luftig und lebendig überträgt, aber trotz ihrer Kompaktmaße ein erstaunliches Bassfundament und gesunde Klangfülle liefert, stelle ich den dreistufigen Bass-Schalter bei meiner Les Paul zunächst auf 1, bei der Strat darf es gerne auch Position 2 sein, für mehr Wumms (bei konstanter Definition) auch die höchste Stellung. Die Bassanhebungen sind nicht nur musikalisch, sondern auch geschmackvoll und praxisorientiert gewählt.

Die in der Endstufe agierende Treble-Reglung zeigt hohe Effizienz. Klanglich erinnert sie eher an einen Presence-Regler, technisch haben wir es indes quasi mit einer umgekehrten Cut-Kontrolle zu tun, die dem Sound einerseits Wärme, andererseits aber auch enorme Brillanz verleiht. Beim Steg-HB meiner Les Paul präferiere ich die Treble-Position 5, bei der Strat darf es sogar etwas weniger sein.

Obgleich die Stärken des 2864-S eindeutig im Clean- bis gemäßigten Crunch-Bereich liegen, wo er seine exzellente Dynamik ausspielen kann, liefert er auch Zerrsounds der Marke Classic Rock, bei dem es allerdings pegelmäßig ordentlich was auf die Ohren gibt.

Zu meiner Überraschung versteht sich der Amp jedoch auch auf Bedroom-Level, wenn man nämlich Master auf 2 oder 3 stellt. Jetzt zeigt WonderVol seine Qualitäten, da es ja im unteren Regelbereich zunehmend aber dezent Bässe und Höhen à la HiFi-Loudness-Effekt unterstützt. Damit es jedoch nicht allzu brillant oder bissig wird, muss/kann Treble auf 2 oder niedriger abgesenkt werden. Auf diese Weise sind bei voll aufgedrehtem Preamp-Poti sahnig, homogen und natürlich zerrende, sustain-reiche Leadsounds mit echtem Wohnzimmerpegel möglich. In diesem Fall wird der Unterschied zwischen Hot- oder Warm-Betrieb deutlicher.

Neben den klanglichen und dynamischen Qualitäten des Tube-WorkShop-Tops würde ich dessen geringe Nebengeräuschentwicklung als sensationell bezeichnen, sogar bei Vollaussteuerung aller Regler. Mitnichten bezüglich des Sounds, sondern hinsichtlich der Fernsteuerung der indirekten LED-Beleuchtung gibt es dann doch eine kleine Einschränkung. Möchte ich mit der Fernbedienung die Einstellungen der RGB-Beleuchtung checken, wird das Remote-Signal offenbar abgeschirmt. Erst als ich hinter den 2864-S trete, reagiert der Empfänger.

RESÜMEE

Mit dem 2864-S präsentiert Tube WorkShop ein puristisches Top mit 14 Watt Class-A/B Endstufe und interessantem, eigenem Schaltungskonzept. Der dreistufige Bass-Schalter bearbeitet die tiefen Frequenzen und kann damit auch zur Abstimmung auf die verwendete Lautsprecherbox herangezogen werden, die mit ihrem Celestion G12M Greenback als echter Allrounder überzeugt und trotz kompakter Maße erstaunlich voluminös aber dennoch sehr aufgeräumt klingt.

Treble und Master (WonderVol) arbeiten wirkungsvoll und interagieren bestens mit Preamp (Gain), sodass der Amp sogar bei Bedroom-Level mit Leadsounds überzeugt. Ansonsten fühlt sich der 2864-S im Clean- bis gezügelten Crunch-Betrieb am wohlsten, wo er mit Klarheit, Direktheit, Dynamik und sensationell geringen Nebengeräuschen glänzt. Gerade diese Eigenschaften machen ihn zur idealen Pedal-Plattform, die bestens mit Effekten aller Art kooperiert.

Ohne Frage rechtfertigen das Schaltungskonzept, die Qualität der Bauteile, die vorbildliche Handverarbeitung und nicht zuletzt die exzellenten Sounds die aufgerufenen Preise. Alternativ gibt es den 2864-S mit mattschwarzer Alufront und schwarzen Reglerknöpfen, die Box mit unterschiedlichen 12″-Bestückungen, wobei Lautsprecher-abhängig mit Aufpreisen zu rechnen ist.

PLUS

● Clean- und Crunch-Sounds
● Ansprechverhalten & Dynamik
● Durchsetzungsvermögen
● Bass- & WonderVol-Regelung
● Klang bei Bedroom-Pegeln
● nebengeräuscharm
● programmierbare indirekte RGB-LED-Beleuchtung
● Bedienung
● Klang, Maße und Gewicht der 1×12“-Box
● Handverarbeitung

MINUS

● LED-Beleuchtung nur von der Amp-Rückseite her einzustellen

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2023)

Produkt: Gitarre & Bass 7/2023
Gitarre & Bass 7/2023
IM TEST: Magneto Guitars Eric Gales Signature RD3 +++ Lenz Hot Chili Tube-Head +++ Marshall Guv’nor, Drivemaster, Bluesbreaker, Shredmaster Reissue Pedals +++ Glockenklang Blue Bird Bass-Amp +++ Fender Gold Foil Jazz Bass +++ Walrus Audio Fundamental Reverb und Delay +++ Blackstar Debut 50R Gitarren-Combo +++ Epiphone Adam Jones Les Paul Custom Art Collection +++ Boss Waza-Air Bass Headphones

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