Aus dem neuen Heft

Test: Taylor Builder’s Edition 324ce & 816ce

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(Bild: Dieter Stork)

Vor zwei Jahren zur NAMM 2018 stellte Taylor das neue patentierte V-Class-Bracing vor, eine revolutionäre neue Deckenverstrebung, die das Klangspektrum einer Gitarre enorm erweitert und auch noch nicht geglaubte Verbesserungen bei der Intonation des Instruments liefert. In der Zwischenzeit sind weitere Modelle hinzugekommen, zur NAMM 2020 wurde die Palette nochmals um vier Instrumente erweitert.

Der verantwortliche Gitarrenbauer Andy Powers – in der Zwischenzeit zum Miteigentümer der Firma aufgestiegen – hatte bei der ersten Präsentation schon erläutert, dass mit Hilfe der neuen Verstrebung der Klang der Instrumente individueller wird und auch die Eigenarten der verwendeten Hölzer besser herausgearbeitet werden können.

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Es ist schon fast Tradition, dass neue Instrumente zunächst als Builder’s Edition vorgestellt werden. Sie unterscheiden sich von den regulären Modellen durch besondere Feinheiten, neue Features, oder eben auch neue Hölzer. Um sich der Filmbranche zu bedienen: sozusagen der Director’s Cut des Gitarrenbauers, der alles reinpackt, was geht, und nicht auf kommerzielle Kürzungen Rücksicht nehmen muss.

Mittlerweile ist die Serie auf neun Instrumente angewachsen. Zur NAMM präsentierte Taylor vier weitere Modelle, die Andy uns persönlich vorstellte und auch vorspielte.

Neu sind die beiden Modelle mit Grand-Concert-Korpus 912ce und die zwölfsaitige 652ce, die Grand Auditorium 324ce sowie erstmalig eine Gitarre mit Grand-Symphony-Korpus, die 816ce. Zum Test haben wir die beiden Modelle Builder’s Edition 816ce und Builder’s Edition 324ce erhalten. Zwei Gitarren, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Links: 324ce-Grand-Auditorium-Korpus mit Builders Edition Features; Rechts: Palisanderboden bei der 816ce. (Bild: Dieter Stork)

NEBENEINANDER

Die 324ce ist gebaut wie alle anderen Grand-Auditorium-Modelle der Builder‘s Edition, also mit Armrest, abgerundeten Kanten, weich konturiertem Cutway. Der Star sind hier die Hölzer: Eine Mahagoni-Decke sorgt für einen komprimierten, strammen Ton, für Zargen und Boden wurde einheimisches Holz verwendet. Eine Eschenart, Urban Ash genannt, die klanglich sehr an Mahagoni erinnert, aber den Vorteil hat, dass sie aus kalifornischen Quellen und von Bäumen stammt, die viele Jahre in Städten oder Parks standen und gefällt werden mussten. Dieses Holz kann anschließend umweltfreundlich weiterverwendet werden.

Andy Powers erzählte auf der NAMM, dass der Prototyp mit Urban Ash die erste Gitarre mit V-Class-Bracing war, die er gebaut hatte, die aber, wie man sieht, noch eine Zeit warten musste, bis sie jetzt veröffentlicht wurde.

Die 816ce mit V-Class Bracing hat den größten aller Taylor-Bodies. Diese Grand Symphony hat einen innovativen Soundport erhalten, eine zusätzliche Schallöffnung im florentinischen Cutaway, die die Klangeigenschaften enorm erweitert: Raumfüllend und HiFi. Hölzer: Lutz-Fichte für die Decke und Indisches Palisander für Zargen und Boden.

Soundport im florentinischen Cutaway (Bild: Dieter Stork)

GEMEINSAMKEITEN

Beide Modelle haben einen Mahagoni-Hals mit Ebenholzgriffbrett und sind über die patentierten Taylor-Halsverbindung, die auch ein nachträgliches Justieren des Halsneigungswinkels ermöglicht, mit dem Korpus verschraubt. Dazu kommen wunderbar leichtgängige und feinfühlige vergoldete Gotoh-Mechaniken, Sättel aus schwarzem Grafit und Stegeinlagen aus Micarta.

Beide Modelle haben seidenmatte Lackierungen, die 324ce eine dunkle Mahagoni-Decke und Korpus in Kona Burst, die 816ce kommt mit naturbelassener Fichtendecke und naturbelassenem Palisander für Boden und Zargen. Der Zusatz „ce“ sagt aus, dass neben dem Cutaway auch das Taylor Expression System 2 eingebaut ist: drei justierbare Piezo-Elemente, regelbar in Volume, Bass und Höhen, die Batterie ist unter der Anschlussbuche/Endpin untergebracht. Beide Instrumente sind ab Werk mit Elixir Nanoweb Phosphor Bronze Light besaitet (.012-.053).

UNTERSCHIEDE

Während die 324ce bis auf die Hölzer wie alle anderen Grand-Auditorium-Modelle der Builder‘s Serie gebaut ist und auch eine 648-mm-Mensur hat, kommt die 816ce mit einer kürzeren 632-mm-Mensur, hat aber auch einen größeren Body und auf den ersten Blick ein sehr klassisches Aussehen, was auch daran liegt, dass hier auf den Armrest verzichtet wurde. Erst beim zweiten Hinsehen entdeckt man, dass in das spitze florentinische Cutway ein elliptisches Schallloch eingelassen ist. Der Cutway geht auch nicht bis zum Boden der Gitarre durch, sondern ist nur eingesetzt und aus Ebenholz gefertigt.

Vorteil: Der Korpus ist fast genauso groß wie bei einem Modell ohne Cutaway, aber die Bespielbarkeit in den oberen Lagen ist wie bei einem tiefen Cutaway. Das Schallloch – Soundport genannt – verändert jedoch auch den Klang der Gitarre. Sie hat einen weiter gestreuten Klang, die Bässe wirken räumlicher und werden weiter abgestrahlt. Durch die kürzere Mensur ist der Ton sogar noch etwas basslastiger und weicher in den Tiefen. Im Unterschied zur normalen V-Class, die man im Studio extrem einfach mit einem Mikrofon aufnehmen kann, sollte man hier mit mehreren Mikros experimentieren, um den vollen, satten Klang zu reproduzieren.

Im Gegensatz zu Gitarren mit zusätzlichem Schallloch in der oberen Zargen, das dafür sorgt, dass man als Spieler das Instrument deutlicher hört, tritt dieser Effekt hier für einen selbst nicht so deutlich auf. Während die 324ce relativ schlicht verziert ist und die Einlagen aus Perlmutt-Imitat gefertigt sind – hier Faux Pearl genannt –, hat die 816ce echte Abalone-Einlagen für Griffbrett und Schallloch und ein aus Ebenholz gefertigtes Schlagbrett.

URBAN ASH

Taylor Guitars ist schon seit Jahren ein Vorreiter, wenn es um Nachhaltigkeit beim Thema Holz geht. Man star­tete verschiedene Initiati­ven, um die Zukunft einiger dieser Waldressourcen zu erhalten, auf die Taylor in anderen Regionen angewie­sen ist… 

PRAXIS

Beide Gitarren sind wunderbar zu bespielen, haben eine traumhafte Saitenlage, liegen gut in der Hand und bieten durch Armrest bzw. gerundete Korpuskanten und die Cutaways einen tollen Spielkomfort. Das seidenmatte Finish sieht nicht nur gut aus, sondern hat auch noch den Vorteil, dass Armgeräusche sehr stark unterdrückt sind. Beim Aufnehmen ein enormer Vorteil. Das Expression System 2 ist weitaus besser als das früher verwendete, es bietet einen guten Kompromiss aus Klang und einfacher Bedienung. Und es lohnt sich mit dem Anpressdruck (drei kleine Schrauben im Steg) zu experimentieren. Da das System kaum Feedback-anfällig ist, kann man es super auf der Bühne verwenden. Klar, es gibt weitaus ausgefuchstere Systeme, die alle ihren Sinn haben. Aber hier steht „einfach und praktisch“ im Vordergrund. Und obwohl ich nach wie vor kein Piezo-Freund bin, erwische ich mich dabei, wie ich zum Aufnehmen den Ausgang meiner Taylor einfach ins Pult stecke und mir die Mühe mit der Mikrofonierung spare. Und so ist es auch auf der Bühne. Das, was unten beim Zuhörer ankommt, ist einfach OK.

UND WIE KLINGT’S?

Verrückt ist, wie unterschiedlich die Gitarren klingen.

324ce: Eine typische Mahagoni-Gitarre. Komprimiert aber doch ausgewogen. Trocken und holzig, mit warmen Bässen, klaren Höhen ohne übermäßig viele nachklingende Obertöne. Perfekt fürs Strumming, aber auch Picking geht gut, und wenn man Melodien oder Soli spielt, reizt die gute Bespielbarkeit zu mehr. Das erinnert an alte Martin oder Gibson-Gitarren mit Mahagoni-Decken. Eine typische Songwriter-Gitarre.

816ce: Ein ungemein kraftvoller Ton, mit typischen Palisander-Bässen aber auch den kristallklaren Höhen der Fichtendecke (Lutz Spruce ist eine Mischung aus Sitka-Fichte und weißer Fichte). Aber auch die Mitten sind perfekt ausgewogen, und die Gitarre trägt enorm im Raum und streut den Klang mit phänomenalem Sustain in alle Richtungen. Wenn man mal eine in die Hand bekommt: Drop-D-Stimmung ist ein Genuss, weil die E-Saite eine wuchtige Fülle hat, aber gleichzeitig total präsent ist.

RESÜMEE

Andy Powers hat vor mehr als zwei Jahren bei der Präsentation des V-Class-Bracings vorausgesagt, dass er als Gitarrenbauer den Klang der verwendeten Hölzer mit Hilfe dieser neuen Verbalkung deutlicher herausstellen kann. Die beiden neuen Modelle bewei­sen das. Da ist mit der 324ce die Songwriter-Gitarre mit einem ausgeglichenen, komprimierten Ton, der dazu auffordert, neue Songs zu schreiben; und gleichzeitig zeigt, dass man auch einhei­mische Hölzer umweltfreundlich und nachhaltig verwenden kann, ohne auf Klang verzichten zu müssen. Und im Gegensatz dazu die 816ce mit großem Korpus und großem Sound, bei der Taylor den Trick verwendet, die Mensur etwas zu verkürzen. Es ist typisch Andy, dass er immer wieder neue Komponenten aus dem Ärmel schüttelt, so wie hier den Soundport im Cutaway, und damit wieder neue Sounds kreiert. Kompliment. Die Builder’s-Edition-Modelle sind nach wie vor nicht die preiswertesten, aber im Vergleich zu den ersten Modellen sind die Preise jetzt in realis­tischeren Regionen angekommen.

PLUS 816ce

  • Soundfülle/HiFi-Klang
  • Soundport
  • V-Class-Bracing
  • Verarbeitung
  • Bespielbarkeit
  • Intonation
  • Elektronik
  • klassische Optik mit vielen Verzierungen

PLUS 324ce

  • komprimierter Strumming-Sound
  • Modell für Songwriter
  • V-Class-Bracing
  • Verarbeitung
  • Verwendung von lokalen Hölzern
  • Bespielbarkeit
  • Intonation
  • Elektronik

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2020)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Da ihr ein Fachmagazin seit möchte ich es nicht unterlassen euch zum „ neuen“ Cut der Taylors zu informieren. Dieser Cut mit elliptischem Schallloch wurde von uns erfunden und zum ersten mal im 2005 an der FF Messe gezeigt. Wir nennen ihn topcut with integrated soundhole. Taylors waren immer treue und gerngesehene Besucher an unserem Stand.
    Mehr infos auf unserer site, www. pagelli. com

    Auf diesen Kommentar antworten
  2. Aha, die haben eine “revolutionäre neue Deckenverstrebung, die das Klangspektrum einer Gitarre enorm erweitert und auch noch nicht geglaubte Verbesserungen bei der Intonation des Instruments liefert.”
    – Diese Deckenverstrebung gab es schon lange vor Taylor! Da ist nichts neu und schon gar nicht revolutionär.
    – Ja, ja, die Glaubensfragen, also die ” nicht geglaubten Verbesserungen”
    – Was genau heißt Klangspektrumerweiterung?
    – Was genau bedeutet “Verbesserungen bei der Intonation des Instruments”?

    Und bitte nicht von “Verbalkung” sprechen! Bitte, bitte nicht, denn Balken würden jeder Gitarrendecke garantiert den Klangtod bescheren.

    Auf diesen Kommentar antworten

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