Thin Line – Fat Ambition

Test: Sire Larry Carlton H7

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(Bild: Dieter Stork)

Quality crafted guitars for all – ein Ziel, an dem nichts auszusetzen ist. Da sich mit dieser hochtrabenden Ambition nun auch noch ein großer Name verbindet, sind die Erwartungen entsprechend hoch.

Sire erregte vor einiger Zeit schon Aufsehen durch die Zusammenarbeit mit Basslegende Marcus Miller. Nun kommen aus der Kooperation mit keinem Geringeren als Larry Carlton gleich drei klassisch geerdete Gitarren-Modelle auf den Markt, allen voran natürlich eine semi-akustische Thinline, die nach den Präferenzen von Mr. 335 entworfen und gefertigt wurde.

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TRADITIONELL & AMBITIONIERT

Stand gar die No. 1 des amerikanischen Jazz/Fusion-Meisters, eine Gibson ES-335 aus dem Jahre 1969, für die von Sire als Classic Semi-Hollow Body Electric Guitar unter dem Namen Larry Carlton vorgestellte Thinline Pate? Nicht wirklich! Wir sollten eher von Anlehnung sprechen, denn eine Kopie ist es im engeren Sinne keineswegs geworden. Immerhin aber finden wir mit der schmalen Sattelbreite ein charakteristisches Merkmal der Gibsons aus der zweiten Hälfte der 60er-Jahre auch in dieser Gitarre realisiert. Aber der Reihe nach:

Das Double-Cutaway-Design der H7 verfügt wie sein Vorbild über einen Korpus aus laminiertem Ahorn, dem allerdings eine Decke mit augenfälligem Flame-Maple-Furnier spendiert wurde. Auch der präzise an die Korpuswölbungen angepasste, die Korpusmitte füllende Center Block besteht aus Ahorn. Verzierungen wie eingebundene f-Löcher und Multi-Bindings an Korpus- und Kopfplatte waren bei Gibson immer dem Spitzenmodell ES-355 vorbehalten – bei einem Budget-Instrument wie der H7 sind das eher erstaunliche Aufwertungen.

Der in Höhe des 19. Bundes in den Korpus eingeleimte Hals aus Mahagoni mit C-Shape Halsprofil bekam ein eingebundenes Griffbrett aus Ebenholz von 12″ Radius aufgesetzt. 22 achtbar gut verarbeitete Medium-Jumbo-Bünde und Block Inlays zur Lagenkennung finden Platz in ihm. Auffällig sind die weichen „Rolled Edge“-Kantenrundungen des Griffbretts und die schlüssig angepassten Bundenden.

Gut verrundete Griffbrettkanten, angepasste Bünde (Bild: Dieter Stork)

Die unterhalb der ersten drei Bünde großflächig angeschäftete, leicht konisch, aber ansonsten im Vergleich zum Vorbildmodell etwas differierend im Abschluss gestaltete Kopfplatte ist mit Sire Premium-Diecasting-Tuner im Grover-Stil ausgestattet. Über den lediglich 40,4 mm breiten Sattel aus Knochen werden die Saiten mit 628 mm Mensurlänge zur Sire Standard Tune-O-matic Bridge mit Stop Tailpiece aus Aluminium geführt.

Vintage-Humbucker-Set (Bild: Dieter Stork)

Das Larry-Carlton-Vintage-Humbucker-Set (mit Alnico-2-Magneten) ist in Chrom-Kappen mit schwarzen Rähmchen auf die Decke gesetzt. Zur konservativen Anwahl und Steuerung stehen ein 3-Way-Toggle-Switch und Volume- und Tone-Regler für jeden einzelnen Pickup zur Verfügung.

Die Gitarre wurde in Indonesien auf beachtlich hohem Industriestandard gefertigt. Neben der Farbe Red ist die Larry Carlton H7 auch noch in Sunburst und Cherry Sunburst zu haben.

SCHMALER HALS – BREITE ELEKTRISCHE BRUST

Der Einfluss Larry Carltons auf diese nach ihm benannte Thinline Electric ist zunächst einmal vor allem in der Umsetzung seiner Vorliebe für schmale Hälse bei der H7 abzulesen. Große Hände mögen damit ein Problem haben, für viele Spieler ist so ein schlanker Hals von gut 40 mm Sattelbreite aber dennoch noch locker zu bespielen und das angenehm rundlich gestaltete Halsprofil sorgt für eine entsprechend komfortable Handhabung. Die wird auch noch bestmöglich unterstützt durch bemerkenswert weich gerundete Griffbrettkanten und eine flach eingestellte Saitenlage über ebenmäßig abgerichteter, glanzpolierter Bundierung. Vom spieltechnischen Aspekt her geht der Daumen also schon einmal hoch.

Schmale Sattelbreite von 40 mm (Bild: Dieter Stork)

Das akustische Vermögen der H7 umfasst klar gegliederte Akkorde mit guter Saitenseparation bei lang aushaltendem, eben abschwingendem Sustain. Der Ausdruck im Akkord ist frei und offen, wohl auch von leicht metallischem Unterton durchwirkt, gibt sich aber ansonste rundum harmonisch ausgeglichen.

Die laut Herstellerangabe vom Meister mitdesignten Larry-Carlton-Humbucker mit recht ausgeglichenen elektrischen Widerständen um die 8 kOhm arbeiten mit Alnico-2-Magneten, sind folglich von erwartbar maßvollem, klassisch inspiriertem Output.

Der Hals-Pickup kommt mit einem runden, bestens aufgelösten Akkordbild in Stellung, welches auf stark konturierte Bässe von gut eingegrenztem Tiefgang, warm zentrierte Mitten und ein offenes Höhenspektrum fußt. Sehr schön leicht rollen Mehrklänge und Arpeggien ab, zeigen plastische Durchsicht und gutes Volumen.

In Overdrive-Positionen ist die leichte Ansprache mit perkussiv umgesetztem Anschlagsrespons zu loben. Der Sound changiert je nach Anschlag zwischen bluesy und jazzy, ja es lässt sich sogar von einer gewissen Sweetness in der Tongestalt reden. Mit diesen tonalen Eigenschaften und beachtlich langem Sustain ist einfach gut Singen. Es sei denn, man will einen Foo ausfighten und sucht dunkel wühlende Riff- und Powerchord-Struktur – das geht auch!

Wechseln wir hinüber zum Steg-Humbucker, so engt das Tonbild zwar deutlich ein und die Höhenpräsenz nimmt stark zu, aber prinzipiell bleibt es doch vital und schlüssig, bietet im Klarklangbereich griffige Akkorde ohne Mittenmuff, dafür aber mit leicht knochigem Basstonverhalten und rasantem Höhen-Peak. Eine gewisse Schärfe ist dabei immer im Spiel, aber die sorgt in Zerrpositionen des Amps dann auch für den recht giftigen Biss und enorme Durchsetzungskraft. Will man weniger Rasiermesser im Sound, lässt sich der Ton über den entsprechenden Tone-Regler wirksam abgleichen, was die Mitten mit Boost zentriert nach vorn durchdrückt. Beide Klangregler greifen im Übrigen erst in der zweiten Hälfte des Regelwegs merklich auf den Ton zu.

Die zusammengeschalteten Pickups vermitteln dann auch noch einen weiteren, erfreulich eigenständigen Sound. Aktivieren wir die Mittelposition, so zieht das Klangpanorama weit auf und erhält dabei eine deutliche Injektion an Höhen vom Steg-Pickup. Im Zusammenhang mit den nun sehr schlank und trocken artikulierenden Bässen und merklich ausgedünnten Mitten perlt es nun wirklich ordentlich. Vor allem im angezerrten Crunch-Modus gibt sich die Gitarre nun ausgesprochen knusprig, macht aber auch unter Vollgas mit leicht glasigem Knurren eine richtig gute Figur.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Hm, wie soll man das eigentlich finden, wenn die Gitarren in diesem Preisbereich derart gut werden? Das Sire-Modell Larry Carlton H7 ist in diesem Sinne von erstaunlicher Klasse. In Sachen Fertigungsqualität – hervorzuheben vor allem die Halsbearbeitung mit perfekt abgerundeten Griffbrett- und Bundkanten – aber auch was die Spielbereitschaft und die Umsetzung von klassisch gegründeten Sounds über richtig gut umsetzende Pickups angeht, macht dieses Instrument seinem Namensgeber durchaus alle Ehre. Dem vorangestellten Motto, Qualität für alle bieten zu wollen, also auch für talentierte Spieler ohne nennenswertes Einkommen, wird Sire mit ihm fraglos gerecht. Individuell auf die eigenen Bedürfnisse zu überprüfen ist lediglich der schmale Hals mit 40-mm-Sattelbreite, der zwar Larrys, aber durchaus nicht jedermanns Sache ist. Ansonsten bleibt nur noch zu sagen: Alle Achtung, diese Sire Larry Carlton H7 präsentiert sich zu Recht mit breiter Brust.

PLUS

  • klassisches Design
  • Sustain
  • offenes Schwingverhalten
  • Larry-Carlton-Vintage-Humbucker
  • traditionelle Sounds
  • Hals, gerundete Griffbrettkanten
  • Bundierung
  • Verarbeitung
  • Preis-/Leistungsverhältnis

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2021)

Produkt: Fender Stratocaster
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