Zweimal mit allem und scharf

Test: Sinvertek Drive N5 & Drive N5 Plus Preamps

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(Bild: Dieter Stork)

Darf es ein bisschen mehr sein? Mit seinen beiden Pedal-Preamps verfolgt die chinesische Boutique-Company Sinvertek ein recht eigenes Konzept, das dem Anwender jede Menge Möglichkeiten an die Seite stellt. Was bietet das außergewöhnliche Duo aus Fernost?

Chinesische Gitarrenprodukte assoziiert man häufig vor allem mit den Attributen „Massenware“ und „günstig“. Aber warum sollten im Reich der Mitte nicht auch Edeleffekte hergestellt werden? Seit 2008 widmet sich Sinvertek hochwertigen, handgefertigten Pedalen.

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Die beiden vorliegenden Modelle sind aktuell die wichtigsten Probanden der Effektschmiede aus dem fernen Osten – und reizen dabei die Möglichkeiten von Gehäusen der Größe „MXR Standard“ bis ins Maximum aus. Mit jeder Menge Specs auf kleinstem Raum, vor allem beim N5 Plus, wollen sie dem Anwender einen dynamisch agierenden verzerrten Amp-Kanal zum Mitnehmen bieten, der sich akkurat auf ihre Anforderungen einstellen lässt und dazu vor einen clean eingestellten Verstärker platziert werden soll. Beide Pedale arbeiten analog und auf FET-Basis.

DRIVE N5

Der N5 ist der Klassiker der Firma und bereits seit über sechs Jahren im Programm. Warum dem so ist, wurde nach einer ersten Test-Einheit schnell deutlich: Das Pedal klingt gut, ist flexibel und lässt sich bei allen Optionen noch gut bedienen – und bietet mit einem doppelten Boost-Mode obendrein eine sehr livetaugliche Zusatzfunktion. Im Einzelnen: Die beiden großen Metallregler steuern Lautstärke und Zerranteil, die vier kleineren Potis stellen die EQ-Sektion dar und kümmern sich um die Frequenzbereiche Bässe, Mitten, Höhen und Präsenzen.

Dazu kommen zwei Mini-Schalter, die das Mittenband und das Top End weiter justieren. „Mid Range“ wählt dabei die zu bearbeitende Center-Frequenz zwischen den unteren Mitten (Mittelstellung), oberen Mitten (unten) und einer mittleren Position (oben), „Top End“ boostet spezielle Frequenzbereiche, um das Pick-Attack auf Wunsch zu verstärken: In der oberen Position werden die mittleren und höheren Frequenzen angehoben, in der unteren nur die höheren. In der Mittelposition ist dieses Feature ausgeschaltet.

Man braucht eine kurze Einarbeitungszeit, um die nicht immer ganz logische Anordnung zu verstehen, aber es sei an dieser Stelle ein erstes Mal erwähnt, dass der Sound durch die überlegte Werksabstimmung eigentlich in fast jedem Setting gut zu verwenden ist und die EQ-Optionen eher als Feinwerkzeuge gesehen werden können.

Generell bieten beide Pedale jede Menge Gain-Reserven – lediglich im unteren Viertel der Gain-Regelung ertönen mit voll aufgerissenen Gitarre Crunch-artige Sounds, ab da führt der Weg in saturierte Gefilde. Doch damit ist es für beide Sinverteks noch lange nicht getan. Der N5 bietet, als simpleres und übersichtlicheres der beiden Pedale, die Möglichkeit, zwischen zwei Zerrstrukturen und Grundsounds hin und her zu schalten. Dies geschieht in erster Instanz über den Mini-Toggle zwischen den beiden großen Potis. Dazu tippt man ihn entweder einmal kurz nach oben oder unten.

Als optisches Signal wechselt die große LED die Farbe von rot nach gelb und umgekehrt. Die beiden Optionen betitelt Sinvertek als „High-Gain“ und „Ultra-Gain“, Zweiteres liefert dabei ein verändertes Frequenzband mit einem stärkeren Anteil an Höhen und Bässen. Dabei sollte man sich die Differenzen nicht vorstellen, als ob man zwischen zwei unterschiedlichen Kanälen wechselt, sämtliche Optionen dienen generell eher dem Finetuning und der genauen Abstimmung auf die eigenen Wünsche.

Als letztes Schmankerl liefert der N5 noch eine Doppel-Boost-Option: Hält man das erwähnte Mini-Toggle länger in der oberen oder unteren Position, lassen sich ein Gain- und ein Lautstärke-Boost aktivieren, die dann einzeln oder gemeinsam genutzt werden können – und das auf kluge Weise: Mit einzelnen Tritten auf den Powerschalter wechselt der N5 dann zwischen Standard- und Boost-Einstellung, ein Doppelkick schaltet ihn aus. In der Summe liefert das Pedal damit jede Menge Optionen bei noch überschaubarer Bedienung, auch in Sachen Sounds gehen beide Daumen nach oben.

Leichte Abzüge gibt es lediglich in Sachen Handling, denn speziell auf der Bühne sind die nicht-gerasterten EQ-Mini-Potis in erster Linie nach Gehör zu bedienen, doch die Pluspunkte überwiegen deutlich. Fazit: Wer seinen Drive-Ton gerne etwas detaillierter bearbeitet, könnte hier einen passenden Hi-End-Partner zum moderaten Preis finden. Und: Bereits der Grundsound kann absolut überzeugen.

Wie viele Knöpfe passen in ein Standard-Gehäuse? (Bild: Dieter Stork)

DRIVE N5 PLUS

Wem der N5 bereits zu komplex erscheint, braucht nicht weiterzulesen, denn der N5 Plus setzt locker noch mal ein bis zwei Ebenen oben drauf. Wer hingegen noch tiefergehend „tweaken“ will, möge sich die Optionen des N5 Plus auf der Zunge vergehen lassen.

Als Erstes fällt auf, dass Sinvertek seiner XL-Version insgesamt sieben vollwertige Potis mitgegeben hat. Die beiden großen entsprechen denen des N5, dazu kommt eine fünfbandige EQ-Sektion – mit Bässen, Mitten und Höhen sowie Resonance und Presence –, die hier zudem logischer angeordnet wurde. Auf die Boost-Optionen des N5 wurde verzichtet, der Plus widmet sich also noch stärker einem einzelnen Grundsound, der maximal feinjustiert werden kann, wobei das Gerät die Grenzen der Übersichtlichkeit bis an den Rand auslotet – nicht weniger als fünf Mini-Toggles stehen zur erweiterten Sound-Formung zur Verfügung.

Beginnen wir unsere Reise mit dem oberen und dem unteren. Wie beim N5 wählt der Toggle zwischen den beiden Haupt-Potis die Zerrstruktur an, hier sind es allerdings drei statt zwei Varianten, die verschiedenen Amp-Typen entsprechen sollen: „Vintage“ versteht sich als „Heavy Crunch“-Option mit einer breiten Dynamikpalette bei weniger Picking-Attack, „Modern“ liefert als vom Hersteller vorgeschlagenes Standard-Setting ein knackiges Low-End und eine stärkere Detailpalette, „Ultra“ soll als „High-Gain+“-Option ein sattes Fundament bei noch höherem Gain-Anteil auffahren.

All diese Beschreibungen kann man entweder als Grundlage hernehmen oder komplett ignorieren, denn auch hier sind die Unterschiede nicht gigantisch, sondern eher organischer Natur – und ein erneuter Hinweis, wie ernst es Sinvertek mit seinem Konzept der maximalen Optimierung meint. Dies wird noch deutlicher, wenn man sich den unteren Mini-Toggle anschaut: Er verwaltet gleich zwei Optionen, die nun wirklich alles andere als verbreitet sind, in einem Fall handelt es sich offenbar sogar um eine eigene Wortschöpfung.

Die obere Einstellung namens „Saturation“ bietet zwei Sättigungsgrade innerhalb der gewählten Zerrstruktur, justiert sie also noch mal feiner. Blinkt die zugehörige LED grün, ist der Low-Modus aktiv, rot bedeutet hohe Sättigung.

Die untere Zugriffsoption mit der Bezeichnung „Tone Indestity“ soll den N5 Plus in Kombination mit der angeschlossenen Gitarre und dem nachfolgenden Amp optimieren.

Vereinfacht gesagt, handelt es sich um zwei Ton-Settings, die entweder das High End (blaue LED) oder das Low End (gelb) stärker fokussieren. Da die genannten drei Basis-Optionen in Kombination agieren, bietet der N5 Plus – abseits jedweder EQ-Potis oder -Mini-Toggles – insgesamt zwölf im Detail unterschiedliche Klangvarianten. Das heißt auf der anderen Seite natürlich auch, dass man sich mit dem Pedal intensiv beschäftigen muss, um all diese Optionen zumindest annähernd ausreizen zu können – und am Ende dann doch alles nichts weiter als eine Frage des persönlichen Geschmacks ist.

Im Test mit einer Tele und einem clean eingestellten Plexi-Marshall lockte die Kombi „Vintage“-„Low Saturation“-„Low Indestity“ mit Gain auf 9 Uhr, Bässen und Resonance in Mittelposition, leicht zurückgenommenen Mitten sowie Höhen und Presence auf 14 Uhr dem Tester ein Lächeln auf die Lippen – doch das nur als ein Beispiel der unzähligen Möglichkeiten, die das Pedal bietet.

Dazu noch eine kurze Anmerkung: Die beiliegenden Manuals streifen die Optionen der Geräte nur, weitergehende Informationen sollte man sich auf der Homepage des Herstellers holen. Der Vollständigkeit halber hier noch die Settings der verbliebenen drei Mini-Toggles im Schnelldurchlauf: „Low End“ kontrolliert, wie stark der Bassanteil am verzerrten Sound sein soll – „M“ steht dabei für „Medium“, „T“ für das empfohlene Standard-Setting „Tight“, „H“ schiebt als „Heavy“ die höchste Menge rein. „Top End“ entspricht der Schaltung auf dem N5 (mehr Höhen & Mitten / aus / mehr Höhen), ähnlich verhält es sich mit „Mid Range“ (Fokus auf Mitten / untere Mitten / obere Mitten).

Fasst man all diese Optionen zusammen, ergibt sich eine Palette fast unendlicher Möglichkeiten. Dabei ist es hilfreich, wenn man sich den Themen Sound-Formung und Interaktion der Komponenten schon mehr als einmal genähert hat, denn sonst kann es passieren, dass man beim N5 Plus den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Entsprechend positiv lässt sich auch in diesem Fall werten, dass das Pedal so abgestimmt wurde, dass der Sound eigentlich durchgängig zu überzeugen wusste. „Falsche“ Einstellungen, wie sie etwa so manche Fuzz-Pedale in sich haben, gibt es weder beim N5 noch beim N5 Plus.

Nicht viel zu erkennen im Inneren der Pedale (Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Mit beiden Pedalen kommen Sound-Tüftler in den Genuss einer außergewöhnlichen Detail-Vielfalt – beim N5 in der Basis-Version, beim N5 Plus im Maximal-Paket. Da zudem die Grundlage in Form eines eigentlich immer gut funktionierenden Zerr-Tons stimmt, kann man den beiden Sinverteks ein rundum gutes Zeugnis ausstellen.

Aufgrund seiner Gain-Palette bietet sich das Duo vornehmlich für den breiten Bereich von Rock bis Metal an, doch auch Gitarristen mit anderen Schwerpunkten könnten hier fündig werden. Mit ihren Preamps zeigt die Company eindrücklich, dass außergewöhnliche Gitarrenpedale nicht nur in der westlichen Hemisphäre gebaut werden.

sinvertek.com

Preise: N5 € 175, N5 Plus € 225

PLUS

● Zerrsounds generell
● Nuancenreiche Feinabstimmung
● Preis/Leistung
● Boost-Optionen (N5)

MINUS

● Ablesbarkeit EQ-Potis (N5)
● umfangreiche Optionen benötigen Einarbeitungszeit (N5 Plus)

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2021)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Gute Beschreibung jedoch um das Effektgerät am Strom richtig anzuschliessen sollte man die genauen Daten vom Netzteil wissen 9 VDC mA? (+ oder –) Können sie mir bitte per email durchgeben. Besten Dank.

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    1. Die Hersteller-Website ist aktuell leider nicht erreichbar. Über Google findet man jedoch noch eine PDF-Anleitung zum N5 Plus. In dieser heißt es: “POWER – Only accepts the connection of a 9V DC adaptor. Center negative polarity. NEVER PLUG INTO VOL HIGHER THAN 9V DC”. Übrigens, in der Pedal-Strom-Liste von Pedalboard.org findet man zum Drive N5 die Angabe: 100 mA, 9 V. Grüße aus der Redaktion!

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