Rocker-Lunchbox

Test: PRS MT15

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(Bild: Dieter Stork)

Handlicher Block, nur knapp neun Kilo schwer/leicht, trotzdem Röhre. Ursprung: Entstanden aus der Zusammenarbeit mit Mark Tremonti. Der Name sagt alles, den Mann muss man nicht mehr vorstellen.  Dies ist sein erster Signature Amp. Paul wird mächtig stolz sein.

Gut bestückt

So richtig klein in den Abmessungen ist der MT15 ja nicht, trotzdem beschreibt PRS das Topteil als Lunchbox-/Brotbüchsen-Amp. Wie auch immer, in das kompakte Format wurde alles hineingepackt, was ein seriöser Vollwertverstärker heutzutage vorweisen sollte. Zwei separate, eigenständige Kanäle, jeweils mit 3-Band-Klangregelung und Gain-/Lead bzw. Volume-/Clean-Poti, Boost-Schalter für den Clean-Kanal, ein Lead-Master-Volume und Presence, dazu ein serieller FX-Weg und eine Power-Umschaltung (15/7Watt), die darauf abzielt, dass man auch in „stilleren“ Umgebungen maximalen Nutzen aus dem Konzept ziehen kann. Als Luxus-Extra ist in dieser Preis- und Produktklasse die Ausstattung mit Ruhestrom-Messpunkten und von außen zugänglichem Bias-Trimmer einzustufen.

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Die technischen Eckpunkte sind unspektakulär. Oder doch nicht? Nun ja, der kleine Zweikanaler ist mit nicht weniger als sechs ECC83S (JJ Electronic) bestückt. Das ist schon ungewöhnlich. Und deutet auf hohe bis höchste Gain-Reserven hin. Die Class-AB-Gegentaktendstufe zieht Ihre Energie aus zwei 6L6GCMS von Ruby Tubes. Die Gleichrichtung der AC-Spannung übernehmen Halbleiterdioden – in überdimensionierter Bauform, wie sich nach dem Abnehmen der Bodenplatte zeigt. Erfreulich, weil es der Zuverlässigkeit dient (nicht selten sparen Hersteller selbst an solchen Cent-Komponenten und riskieren durch grenzwertige Dimensionierung einen eigentlich unnötigen Defekt).

hochwertiger Aufbau

In der Hinsicht macht die Elektronik auch insgesamt gesehen einen soliden Eindruck. Neben der sauberen Verarbeitung schinden zum Beispiel die sehr hochwertigen, respektive teuren Knebelschalter Eindruck, die zudem absolut stabil verschraubt sind. Natürlich sind die Bauteile auf Platinen kontaktiert, was kostensparend die Fassungen der ECC83S einschließt. Die der Endröhren stehen allerdings frei in dem Stahlblechchassis. Wissenswerte weitere technische Details: die V2/ECC83S wird mit Gleichstrom geheizt, was üblicherweise gemacht wird, damit bei hohem Gain das Brummen (tieffrequent) so gering wie möglich bleibt; die Masseleitungen sind sternförmig geführt; Standby nimmt hier nicht die Hochspannung von den Röhren, sondern unterbricht lediglich den Signalweg irgendwo in/hinter der Vorstufe (das geringe Grundgeräusch des Amps bleibt); mehrere interne Feinsicherungen schützen die Elektronik.

Machtvoll

Überschrift im offiziellen Text zum Produkt: Lunchbox Hero. Na dann wollen wir doch mal sehen/hören, wie heldenhaft der MT15 auftritt. Er empfängt den Nutzer schon einmal mit stimmungsvollem Flutlicht: Eine Reihe von blauen und roten LEDs dienen als Power-On- bzw. Kanalstatus-Anzeige. Blau steht für den „cooleren“ Clean-Kanal. In der Tat, er bewahrt im Grund Modus einen kühlen Kopf, in dem Sinne, dass er kaum zu Verzerrungen angeregt werden kann.

Dezent, schlicht: der Wolf im Schafspelz

Die Sound-Formung ist geprägt von detaillierten Feinheiten, straffer Ansprache und hoher Durchsichtigkeit. Wer nach Vintage-Wärme sucht, ist hier fehl am Platz. Die Klangregelung arbeitet effizient. Im Bassgehalt kann kräftig nachgelegt werden, ohne dass der MT15 die Konturen verliert, Middle setzt im oberen Frequenzspektrum an, sorgt also nicht für Fülle im Ton, sondern akzentuiert die Durchsetzungskraft. Treble greift in den Höhen breitbandig zu und kann für überzeichnete Schärfe sorgen; im oberen Viertel kippt die Wirkung in eine Art Treble-Boost um. Die Klangregelung hat deutlichen Einfluss auf das Sättigungsverhalten des MT15. Eigentümliches passiert, wenn man Middle und Treble weit aufdreht: der Clean-Kanal sättigt und komprimiert, beißend und doch ohne ätzend nervig in die Ohren zu gehen. Und man hört nicht vordergründig Verzerrungsanteile – es ist mehr ein eigentümliches Singen.

Das ändert sich beim Aktivieren des (breitbandigen) Boosts. Overdrive bis Crunch-Distortion steht nun zur Verfügung, kraftvoll, kratzend im Biss, stabil in der Dynamik. Damit könnte man sich durchaus im Blues und Retro-Rock bewegen, doch die Attitüde ist und bleibt eher kühl, nüchtern. Und passt so eben eigentlich am besten zu hartem Rock und/oder ins Metal-Genre.

Ich könnt’ noch ein bisschen mehr zum Clean-Kanal erzählen. Z. B., dass er sich mit (Distortion-Pedalen) gut verträgt – mehrere mussten antreten, wie Bogners Burnley, Okkos Diablo Plus, Tone Freaks Abunai und Severe usw. –, dass Singlecoil-Vintage-Gitarren für ihn nicht die besten Partner sind, dass … OK, OK, ich höre schon, wie Fingernägel auf der Tischplatte kratzen, alle wollen endlich wissen, wie sich der Lead-Kanal entfaltet.

Verständlich, schließlich steht der Name Marke Tremonti nicht für Eskapaden in Clean, sondern in erster Linie für monsterfette Distortion, exaltierte Soli und gewaltige Riffs. Na, dann lasse ich es mal raus: Was der MT15 im Lead-Kanal veranstaltet, ist angesichts des Preisniveaus schlichtweg eine Offenbarung.

Hyper-Gain trifft auf hochpräzise Artikulation und sehr energiereiche Dynamik. Anders ausgedrückt, die Sound-Formung ist überaus tragfähig, hilft dem Spieler, der quasi mühelos intonieren kann, sie agiert Sustain-verlängernd, dick im Ton, während parallel die Details der Spielweise fein zur Geltung kommen und auch (sehr) tiefe Noten nicht verwischen. Dazu addiert sich gut ausgebildete Flexibilität, denn die Klangregelung arbeitet wirkungsvoll. Hält unter anderem gedämpft gespielte Noten auf den Bass-Saiten gut unter Kontrolle bzw. kann nachlegen, damit sie satt „abgrundtief“ pumpen. Besonders ist, dass sich schon bei vollkommen dezenten Lautstärken solistische Einzelnoten beginnen aufzublähen und in Obertöne umschlagen, als stünde man vor einem lauten Amp-Stack (Middle und Gain ab ca. 14 Uhr, letzten Drittel, adäquates Instrument vorausgesetzt). Das Verhalten ähnelt, wenngleich nicht so satt, dem in der Disziplin weit führenden Mesa King Snake.

Fettes Danke an den MT15, hingebungsvoll innigste Pommesgabel in Richtung Himmel! Eben doch Lunchbox Hero. Der Kern des Ganzen ist, dass der Lead-Kanal die Sound-Atmosphäre der Hard-Rock- Metal-Welt ganz und gar archetypisch trifft. Und das bei ungeahnten Lautstärkereserven. Das schallt nach viel mehr als den nominalen 15 Watt. Null Problem für den MT15, eine geschlossene 2×12“- Box massiv unter Druck zu setzen. Der Clean-Kanal kann damit allerdings nicht ganz mithalten. Der Amp ist so gesehen zwar grundsätzlich bühnentauglich, aber nur bei kleineren Venues.

Und wenn es in die Gegenrichtung gehen soll, bitte leise und trotzdem „loud im Sound“, hilft der Half-Power-Modus? Bedingt. In zwei Punkten bedingt. Der Clean-Kanal mit Crunch in Bedroom-Lautstärke, das wird nichts, der MT15 haut dann noch immer (zu) hohen Schalldruck raus. Außerdem – Punkt 2 – verliert sich die Gain-Intensität merklich. Die Sättigung geht zurück. Auch deutlich zu merken im Lead-Kanal, der im Half-Power-Modus eine gute Portion seiner Fülle hergeben muss. Nicht ideal. Nachjustieren an der Klangregelung hilft ein Stück weit. Zum Glück ist es aber so, dass die Lead-Sektion schon bei Full Power über das Master-Volume auf leise runtergefahren schön bedroom-mäßig funktioniert.

Wenn jetzt noch der FX-Weg überzeugt, stünden die Zeichen gut für ein rundum günstiges Fazit. Zunächst überrascht angesichts der High-Gain-Konzeption, dass der Einschleifweg niedrig im Pegelniveau liegt. Offizielle Angaben dazu gibt es leider nicht, aber man kann von -10dB als Richtmarke ausgehen. Das ist praxisfreundlich, weil so im Prinzip universelle Verwendung von externen Geräten möglich ist. Der Test zeigte aber, dass zumindest der Return-Input empfindlich auf die unterschiedlichen elektrischen Anpassungen regiert, die die Ausgänge von FX-Geräten anbieten (liegt seine Eingangsimpedanz zu niedrig?). Dynamikverluste können eintreten. Wohlgemerkt „kann“, es muss nicht passieren. Es gilt jedenfalls, dies zu bedenken bzw. man sollte vor/beim Kauf den MT15 am Besten mit dem/den zu verwendenden FX-Gerät(en) prüfen.

Alternativen

Ohne in der Konzeption deckungsgleich zu sein, stehen zwei Produkte im Sound-Charakter dem MT15 besonders nahe. Dies sind ähnlich kompakte Topteile, und zwar von EVH der 5150III 15W LBXII (ca. € 576) und von Peavey der 6505 Mini Head (ca. € 498).

Resümee

Der MT15 ist definitiv eine der erfreulichsten Neuerscheinungen der letzten Zeit. Was er tonal für vergleichsweise kleines Geld zu bieten hat, ist gleichermaßen überzeugend wie beeindruckend. Seine wertvollste Trumpfkarte ist die High- bis Ultra-Gain-Sound-Ebene im Lead-Kanal, der letzten Endes aber so variabel ist, dass mit moderater Verzerrung auch starke Blues- und Retro-Rock-Klangfarben möglich sind. Im Clean-Kanal liefert der MT15 ebenfalls viel Energie und Kultur.

Insofern erweist sich der „Lunchbox Hero“ als klanglich in sich stimmiges Konzept. Aber Achtung, die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Bei allem Respekt für die Leistung, der MT15 punktet so positiv wegen des Preises. Absolut gesehen, im Vergleich zu den souveränen Könnern unter der Hard-Rock/Metal-Amps, kann er (natürlich) nur bedingt mithalten.

Der Half-Power-Modus beweist nur eingeschränkten Nutzen, der FX-Weg funktioniert mit seinem niedrigen Nominal-Pegel grundsätzlich praxisgerecht, kann in ungünstigen Konstellationen aber Anpassungsprobleme bereiten. Ob das Fehlen eines D.I.-Recording-Ausgangs bei einem Amp dieses Typus negativ zu bewerten ist, mag der potentielle Nutzer selbst entscheiden.

Empfehlenswert bleibt der MT15 trotz allem. Unser Fazit lautet jedenfalls: Preis und Leistung stehen in einem ausgewogenen Verhältnis.

PLUS

  • hochgezüchteter Sound, prägnant, variabel
  • Dynamik, Ansprache, sehr obertonfreundlich
  • Ultra-Gain mit intensivem Oberton-Feedback
  • kraftvoll, laut
  • Bias-Sektion
  • geringe Nebengeräusche
  • sehr gute Verarbeitung

MINUS

  • Half Power-Modus nur bedingt nützlich

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2019)

 


Hinweise zu den Soundfiles:

Für die Aufnahmen kam ein Kondensatormikrofon mit Großflächen-membran zum Einsatz, das C414 von AKG, nahe platziert vor einem Celestion Vintage30 in einer konventionellen 4×12-Box.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.

Die Instrumente sind eine PRS Mira-Core/Korina und eine Steinberger GL4T (EMG-aktiv, aber m. passivem Humbucker v. Seymour Duncan am Steg).

Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! 😉

Fragen, Anregungen  und  ja, auch Kritik sind wie immer stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

Text + Musik: Ebo Wagner (GEMA)

Produkt: P-90 Pickups
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