How Deep Is The Bowl?

Test: Ovation Main Stage Balladeer & Main Street Balladeer

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(Bild: Dieter Stork)

Dass diese Gitarren für die Bühne konzipiert sind, muss man nicht extra betonen – das waren Ovations schon immer … dafür wurden sie erfunden.

Was ihre Qualitäten im Studio, auf der Straße oder zu Hause selbstverständlich nicht in Abrede stellen soll. Aber die Kern-Kompetenz ist nun mal eben die saubere, stressfreie Akustikgitarren-Performance „on stage“. Da ist Ovation Pionier, das wusste ein Glen Campbell schon 1968 zu schätzen.

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DIE KONSTRUKTION

Nehmen wir uns zunächst die Main Stage Balladeer mit der genauen Bezeichnung 1771 STG-ES vor. Ihre Grundelemente bilden eine massive Decke aus AA-Sitka-Fichte und der Lyrachord-Mid-Depth-Bowl-Korpus mit Cutaway. Die Decke ist mit ihrem sehr dezent eingefassten zentralen Schallloch einerseits schlicht, andererseits ist sie dank ihres matten, handpolierten Ebony-Stain-Finishs doch etwas Besonderes. Von weitem einfach nur mattschwarz, lässt das Finish aus der Nähe betrachtet die Maserung der Fichte erkennen. Cooler Effekt.

Auch der Ovation-typische Steg aus Pau Ferro sticht optisch nicht hervor. Die Saiten werden von hinten eingefädelt – Pins sind nicht erforderlich – und laufen dann über sechs einzelne Stegeinlagen aus Kunststoff Richtung Hals. Der ist aus Mahagoni und mit einem sehr schönen Matt-Finish versiegelt.

(Bild: Dieter Stork)

Das schwarz eingefasste Griffbrett aus Pau Ferro (könnte man glatt für Ebenholz halten) beherbergt 20 perfekt sauber eingesetzte Bünde und verzichtet auf jegliche Inlays zur Orientierung. Die finden sich aber auf der Griffbrettkante im Binding. Die Firmen-typische Kopfplatte ist großflächig – ab dem 3. Bund fast unsichtbar – angesetzt. Saubere Arbeit.

Passend zur Gesamterscheinung sind die hauseigenen gekapselten Tuner mit kleinen mattschwarzen Stimmflügeln ausgestattet. Die laufen sahnig und machen präzises Stimmen zum Kinderspiel. Zur Onboard-Elektronik: Der Ovation Preamp OP Pro gefällt mir richtig gut. Er schmiegt sich in die obere Korpus-Taille, bietet sehr gute Draufsicht und einen großen Volume-Regler, den man auch beim Singen sicher leicht ertasten und bedienen kann.

(Bild: Dieter Stork)

Des Weiteren gibt es drei mittig einrastende Klang-Fader (Low, Mid, High), einen on/off schaltbaren Pre-EQ, und ein gut ablesbares Stimmgerät, welches – heutzutage eher unüblich – das Gitarrensignal nicht mutet. Jetzt noch ein Plus- und ein Minuspunkt: Der Preamp lässt sich nicht nur per 9V-Block befeuern, sondern auch mittels Phantom-Power – sehr gut. Um die Batterie zu wechseln, muss man den gesamten Preamp aus der Zarge fummeln und die Batterie rückseitig herausfriemeln – nicht so toll.

Die Main Street Balladeer 2771SRT-MB unterscheidet sich nur in zwei Punkten vom Schwestermodell, erweist sich aber im Praxisteil bei Klang und Handling als eine völlig andere Gitarre als die Main Stage. Zum einen hat sie eine Decke aus massivem Sapele, zum anderen weist sie den voluminösen Deep-Contour-Body auf.

(Bild: Dieter Stork)

DIE PERFORMANCE

Zunächst mal: Die Hälse fühlen sich klasse an. Ein sattes C-Profil, matte griffige Oberfläche, tadelloser Fret-Job, 1A-Saitenlage, bester Zugang zu den höchsten Lagen – da nehmen sich die beiden Modelle nichts. Den Unterschied machen die Bodies. Die Street Ballader liegt super auf dem Schoß, ohne Hang zum Wegrutschen, der rechte Arm findet wie von selbst seine bequeme Spielposition. Stehend am Gurt gespielt, steht der ausladende Korpus etwas auf Kriegsfuss mit dem Meinen. Das ist nicht so recht kompatibel, muss aber nicht die Schuld der Ovation sein 😉

Anders bei der schwarzen Stage Balladeer. Auf dem Schoß gespielt, neigt sie dazu, mir trotz angerauter Korpus-Unterkante wegzurutschen. Am Gurt hängt sie perfekt im Lot, lässt sich bequem in Position bringen und bietet durch leichtes Kippen gute Sicht auf das Griffbrett. Was die unverstärkten Grundklänge der Ovations angeht, so spielen die Deckenhölzer unverkennbar ihre Eigenarten aus. Die Fichte kommt schnell und knackig aus den Startlöchern, liefert tighte Bässe und klare Höhen. Bei ordentlicher Lautstärke, kräftiger Dynamik und mittellangem Sustain geht das in Richtung einer guten Dreadnought. Das Sapele-Top kontert mit etwas mehr Zurückhaltung und Gutmütigkeit. Da ist mehr Holz, weniger Lautstärke, der Klang wirkt unaufdringlicher, abgehangener, relaxter. Insgesamt bis hier hin ein klarer Fall von Geschmackssache.

Über den Acoustic-Amp bestätigen sich die Eindrücke sehr unverfälscht. Die Charaktereigenschaften bleiben erhalten und man erhält einen sehr ausgewogenen Klang, der natürlich diesen gewissen Ovation-Faktor in sich trägt. Die Fader am Preamp sind gut abgestimmt und greifen entschlossen aber nicht verfremdend ins Klangbild ein. Insgesamt merkt man den beiden Ovation-Balladeers einfach an, wie viel Bühnenerfahrung hier über die Jahrzehnte mit eingeflossen ist.

RESÜMEE

An Ovation-Gitarren gibt es immer Aspekte und Seiten, die man lieben oder verteufeln kann. Everybody’s Darling wollten diese Instrumente auch nie sein. Es gilt aber festzuhalten, dass wir hier professionelle Gitarren – vornehmlich für die Bühne – vor uns haben, mit denen sicherlich jede Live-Herausforderung zu bewältigen sein wird. Optik, Bespielbarkeit, Sound, Elektrik … alles top! Wer mit einer Acoustic auf die Bühne will/muss, wäre verrückt, wenn er diese Balladeer-Modelle nicht mit ins Kalkül ziehen und antesten würde.

PLUS

  • Design
  • Deckenhölzer, Hardware
  • Handling, Spielkomfort
  • jeweils eigener Klangcharakter
  • ausgereifte Bühnentauglichkeit
  • Phantomspeisung möglich

MINUS

  • umständlicher Batteriewechsel

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2020)

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