Überflieger

Test: Maybach Convair Custom Shop Special ‘59 Aged

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(Bild: Dieter Stork)

Eher selten bekommen wir den Prototyp einer Gitarre zum Testen. Diese hier war bereits miles-and-more-mäßig unterwegs und wurde u.a. Anfang 2020 auf der NAMM Show in den USA präsentiert. Damals war Corona alias Covid-19 zumindest außerhalb Chinas noch kein Thema …

Angesichts der stetig wachsenden Fangemeinde der in Tschechien handgefertigten Maybach-Gitarren war für den Initiator Toni Götz von iMusicnetwork die Einrichtung eines Custom Shops im Grunde nur eine Frage der Zeit. Spontan und noch ohne Hintergrundkenntnisse assoziiere ich mit der Convair Custom Shop Special ’59 Aged nur einen Namen: Nick Page.

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Ob er im Rahmen einer Auftragsarbeit diesen Prototyp auch höchstselbst gefertigt hat? Nein, hat er nicht, sondern die Gitarrenbauer des Maybach Custom Shop, von denen einige 40 Jahre Erfahrung mitbringen – u. a. aus den USA. Das Design, die Nitrolackierung und die künstliche – oder besser kunstvolle – Alterung der Convair stammen von Nick Page.

NEU ODER ALT?

Nein, diese Gitarre ist keineswegs seit 60 bis 70 Jahren musikalisch unterwegs, obwohl der erste Eindruck dies vermuten ließe. Auch in Sachen Aging beweist Nick Page Know-how, Feingefühl und Geschmack gleichermaßen. Offensichtlich war die Maybach Convair erst auf den letzten Drücker für die NAMM fertig geworden.

Das kennen wir doch: So ein Mist, Weihnachten ist in diesem Jahr aber wieder echt ganz schön früh! Ich entdecke an der Convair kleine Kinderkrankheiten, wie z.B. Rundkopfschrauben in Senkbohrungen der Kammerdeckel und das nicht zwischen die Pickup-Rähmchen passende geätzte Alu-Pickguard.

Optional: Schickes Alu-Pickguard (Bild: Dieter Stork)

Beim künftigen „Serienmodell“ wird Maybach aus optischen Gründen auf das Pickguard verzichten. Es soll jedoch optional erhältlich sein. Außerdem sind gebürstete Alu-Senkkopfschrauben für die Kammerdeckel vorgesehen.

Korpus-Design und -aufbau erinnern zunächst an eine Les Paul, die rundherum etwas vergrößerte Silhouette und der Florentine Cutaway hinterlassen jedoch eindeutig Nick Pages Handschrift. Eine 13 mm dicke, gewölbte Riegelahorndecke, die von Zelluloid-Bindings umgeben ist, auch bekannt als „Mother-of-Toilet-Seat“, krönt die nahezu unsichtbar aus zwei Hälften gefügte Mahagoni-Basis. Die Tangerine Sparkle (kupferfarben) nitro-lackierte Decke weist intensives Weather Checking und zahlreiche „Einschläge“ auf. Ob hier Rasierklinge, Eisspray oder Tiefkühltruhe oder gar alles zum Einsatz kam, lässt sich nicht eindeutig erkennen.

Authentisches Weather Checking auf der Decke (Bild: Dieter Stork)

In jedem Fall aber eine ausgezeichnete Arbeit, authentisch gealtert und korrekt platzierte Abnutzungsspuren, auch an den rückseitigen Kanten. Die Gürtelschnallenkratzer lassen jedoch eher auf Jazzer oder Unterhaltungsmusiker denn auf Rocker schließen. T’schuldigung, ist mir so rausgerutscht. Spielspuren des rechten Unterarms bringen eine intensiv geflammte Ahorndecke zum Vorschein. Tja, auch Gibson ließ und lässt mitunter heute noch manche Bilderbuchdecke unter Goldtop Finish verschwinden.

Hinten verschließen präzise Oberkante bündig eingelassene, per Ätzung verzierte, 1,5 mm dicke Aluplatten die Kammern von Pickup-Schalter und Elektrik. Die Deckel sitzen recht stramm in ihren Fräsungen, der der Schalterkammer war nur mit Mühe herauszuhebeln. Ich möchte ja keine Schäden hinterlassen … Für lediglich zwei Dunlop-Super-Potis ist das E-Fach sehr großzügig bemessen. Ein zargenseitiges Stahlblech trägt die TRS-Klinkenbuchse, deren zwei Kontaktfedern einen Stecker besonders fest umklammern. Als Gurtknöpfe finden Security-Lock-kompatible Duesenberg-Multi-Lock-Pins mit großen abschraubbaren Rändelkappen Verwendung.

Halsfuß (Bild: Dieter Stork)

Mit klassischem Neigungswinkel und langem Fuß, der die vordere Pickup-Fräsung bis auf knapp 1 cm ausfüllt, wurde der Mahagonihals mit dem Body verleimt. Das Ebenholzgriffbrett, auf welchem Perlmutt- und kleine Sidedots die Orientierung erleichtern, trägt 22 vorbildlich bearbeitete und polierte Wagner-Zapp-Nickelsilberbünde mit Vintage-Format.

Ein auf optimale Saitenlage abgerichteter polierter Knochensattel führt die Saiten über eine kleine glockenförmige Trussrod-Abdeckung hinweg zu den speziell für Maybach gefertigten, präzise und geschmeidig arbeitenden Kluson-Fensterkopfmechaniken, bei deren Beschaffung die Firma Göldo mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat.

Exklusiv für Maybach: Edle Kluson-Tuner (Bild: Dieter Stork)

Frontseitig mit Ebenholz furniert, besitzt die mit angedeutetem Moustache endende symmetrische Kopfplatte nur einen geringen Neigungswinkel, da die seitliche Anordnung der Tuner und die demzufolge tief liegenden Beinwellen für erhöhten Druck der Saiten auf den Sattel sorgen. In Höhe des Stahlstabzugangs stabilisiert eine auslaufende Verdickung den rückseitigen Übergang zur Kopfplatte, den ein sogenannter Stinger ziert.

Verstärkung der Kopfplatte mit Stinger
Symmetrische Fensterkopfplatte mit Moustache-Andeutung

Die TOM-Bridge und das Alu-Stoptail – beide geaged – kommen aus dem Hause Gotoh. In Sachen Tonabnehmer macht Nick Page auch bei der Maybach Convair Custom Shop Special keine Ausnahme. Er bezieht die meisten seiner Pickups von Amber Pickups, so auch die bewährten Spirit of ’59 Humbucker. Allerdings ließ er es sich nicht nehmen, sie mit eigenen Kappen optisch zu pimpen. Kontrolliert werden sie per Dreiwegschalter, Master-Volume und Master-Tone.

Nick Pages Pickup-Kappen (Bild: Dieter Stork)

FÜHLEN & HÖREN

Mit 3,95 kg zeigt die Convair Special ’59 das von den meisten bevorzugte perfekte Gewicht dieses Gitarrentyps. Ganz bewusst haben sich die Maybach-Macher für einen 59er-Fat-Neck entschieden, der meine mittelgroße Hand entspannend und komfortabel ausfüllt und sich bis zum 18. Bund völlig unbeschwert, darüber hinaus diesem Klassiker entsprechend etwas eingeschränkt bespielen lässt. Allein die Griffbrettkanten hätte man ein wenig entschärfen sollen, während die Bundkanten perfekt verrundet wurden. Wie alle Maybach-Gitarren mit verleimten Hälsen, kann der Kunde im Übrigen auch die Convair wahlweise mit 59er-Fat oder 60s-Slim-Taper-Neck ordern.

Sowohl am Gurt als auch auf dem Bein zeigt die Gitarre beste Balance. Echte Freude bereiten die fein übersetzenden Kluson-Fensterkopf-Tuner, da sich deren rückwärtig angeordneten Knöpfe ergonomisch handhaben lassen. Obwohl ich nitro-lackierte Oberflächen mag, fühlt sich diese hier am Halsrücken zwar sehr schön griffig, aber auch leicht klebrig an. Das ist nicht wirklich problematisch, denn bereits nach einer Weile hat sich meine Hand daran gewöhnt, zumal sich diese Haptik mit der Zeit abschwächt.

Unverstärkt zeigt die Maybach Convair Custom Shop ein wunderbar ausgewogenes, kraftvolles Klangbild, das von beeindruckendem Sustain unterstützt wird. Jeder einzelne Ton und natürlich Akkord steht nach dem Anschlag wie eine Eins und klingt extrem langsam und kontinuierlich aus. Das Ebenholzgriffbrett verleiht der enorm schwingfreudigen Konstruktion Spritzigkeit, Vitalität und Offenheit. Ansonsten regieren straffe definierte Bässe, prägnante, leicht knurrige Mitten, brillante Höhen und reicher Obertongehalt. Die direkte akzentuierte Ansprache und schnelle spontane Tonentfaltung unterstützen variantenreiches, nuanciertes Spiel.

Bereits während der ersten verstärkten Töne wird deutlich, warum Wolfgang Damm (Amber Pickups) diese Humbucker „Spirit of ’59“ getauft hat. Das geht schon los mit entsprechend dezentem Vintage-Style-Ausgangspegel, der in Kooperation mit den relativ locker von Hand gewickelten ungewachsten Spulen dem Sound flinke Ansprache, schmatzige Attack, extreme Transparenz und enorme Dynamik verleiht. Trotz voluminöser Tiefe und breiter Klangfülle tönt der Hals-Pickup am cleanen Amp klar und transparent und zeigt dank seiner relativ trockenen Bässe Differenziertheit und präzise Saitentrennung.

Während der Mittenbereich rund und warm daherkommt, präsentieren sich die Höhen mit klarer Struktur und süßlichem Ton und lassen den aufblühenden Obertönen genügend Luft, vor allem dann, wenn man einzelnen Noten Zeit zum Ausklingen gibt. Auch am zerrenden Verstärker behält der Hals-Spirit seine straffe, differenzierte Textur, bei der Powerchords und Bassriffs präzise, definiert und druckvoll übertragen werden und mehrstimmige Akkorde selbst bei High Gain gut erkennbare Strukturen aufweisen.

Leadsounds werden förmlich vom Sustain getragen und gleiten kontrollierbar in ihre Obertöne. Zudem fällt die Tonbildung per Plektrum, Fingern und Volume-Poti nicht übermäßiger Kompression anheim. Knackige Bässe, drahtige Mitten und brillante Höhen verleihen dem mit moderat erhöhten Wicklungszahlen versehenen Steg-Humbucker im Clean-Betrieb Prägnanz und Strahlkraft. Gleichzeitig setzt sich das breite Obertonangebot auch hier perfekt dosiert in Szene. Nur wenig mehr Kompression bewahrt den Höhen ihren Glanz und überzeugt bei rhythmischem Spiel mit klar gegliederten, akzentuierten Akkorden.

Erhöht man den Verzerrungsgrad, fletscht der Spirit-59 am Steg bei zunehmendem An schlag auch gerne mal die Zähne. Der Sound wird kantiger und erdiger, zeigt bestes Durchsetzungsvermögen, erinnert aber nicht mehr ganz so stark an den süßlichen Vintage-Lead-Ton einer guten PAF-Les-Paul.

Spätestens jetzt setzt sich ein Hauch von Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit durch, der dem PU klare Performance-Pluspunkte beschert. Nicht nur das Master-Volume-, sondern auch das Master-Tone-Poti zeigt wunderbare praxisorientierte Regelcharakteristik, wie ich sie bei Gitarren eher selten vorfinde. Meist wirken gerade die Tone-Regler erst auf den letzten Millimetern. Bei der Maybach Convair Custom Shop Special ’59 arbeiten beide Potis sahnig weich, gleichmäßig und präzise über ihren gesamten Regelbereich.

RESÜMEE

Der rasant steigende Erfolg von Maybach Guitars ist den Machern sicherlich keineswegs zu Kopf gestiegen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die große User-Gemeinde diesen Schritt überaus begrüßt. Nach dem Motto: „Schauen wir mal, was die Maybachs sonst noch so drauf haben.“ Der Start in den Custom-Shop-Himmel ist zweifellos gelungen.

Mit der Convair Custom Shop Special ’59 Aged hat man die eigene Messlatte ganz schön hoch gelegt. Unterm Strich steht ein phantastisch schwingender und klingender vintage-style Paula-Typ mit eindeutiger Handschrift von Nick Page, erstklassigen Amber-Humbuckern und meisterlichem Aging. Respekt! Da kann man die unter Zeitdruck entstandenen Prototyp-Kinkerlitzchen auch mal verschmerzen. Tolle handgefertigte Gitarre zum fairen Preis mit Kultstatus-Ambitionen.

PLUS

  • Paula-Sounds
  • Schwingeigenschaften
  • Dynamik & Sustain
  • Design (by Nick Page)
  • Qualität Hölzer & Hardware
  • Amber Spirit of ’59 Pickups
  • Spielbarkeit
  • Verarbeitung & Aging
  • Preis/Leistung

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2020)

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
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