Fingerpicker’s Dream

Test: Larrivée Nashville Mahogany Series OM-02

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(Bild: Dieter Stork)

Nachdem wir in den letzten Monaten die Modelle OO, Dreadnought, und L (für Larrivées eigene Form) getestet haben, werfen wir nun noch einen Blick auf die speziell für Fingerpicker konstruierte OM = Orchestermodell. Gibson und Martin, die beiden Urväter aller Akustik-Gitarren, haben im Laufe der Jahre diverse Korpusgrößen entwickelt, Larrivée hat sich gerne an denen von Martin orientiert. So auch bei der OM …

KONSTRUKTION

Larrivée Gitarren werden nur aus den besten verfügbaren Massivhölzern hergestellt, und beim Bau werden niemals (geschichtete) Laminate oder synthetische Hölzer verwendet. Man verwendet FSC-Holz und arbeitet so selektiv wie möglich.

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Die hier vorliegende OM-02 stammt aus der Nashville Serie. In der gibt es immer wieder verschiedene Modelle in zeitlich limitierter Auflage, die auch nicht auf der offiziellen Homepage erscheinen. Es ist eine Serie, die stets preiswerter auf eine höherwertige Serie verweist, hier die 03er-Serie, deren Hauptmerkmale übernommen werden, aber in abgespeckter Form.

Die Features der OM-02: eingeleimter Hals aus afrikanischem Mahagoni mit Ebenholzgriffbrett, Sitka-Fichtendecke, afrikanische Mahagoni-Zargen und -Boden, Korpus-Ränder und Hals mit hellem Holzbinding. Die Hölzer sind naturbelassen und komplett seidenmatt lackiert. Dazu kommen Sattel und Stegeinlage aus Knochen, ein Ebenholzsteg mit Plastik-Steckern, verkapselte Mini-Mechaniken.

Ebenholz-Steg mit Kunststoff-Pins
Ebenholz-Steg mit Kunststoff-Pins (Bild: Dieter Stork)

Larrivée hat aber die alte Martin OM nicht 1:1 kopiert, wohl aber wichtige Features übernommen. Das Griffbrett ist 44,7 mm breit und damit breiter als bei allen anderen modernen Gitarren. Der Saitenabstand am Steg ist aber wie bei anderen Modellen auch 57,2 mm. Die Mensur ist mit 650 mm noch länger als bei Martin und auch 2 mm länger als bei anderen Larrivée-Gitarren. Die Decke ist mit dem leicht modifizierten X-Bracing von Larrivée verstärkt.


HISTORIE MARTIN OM

Die Martin OM kam 1929 auf den Markt und wird gerne als erste moderne Steelstring-Flattop bezeichnet. Aber schon 1934 wurde sie wieder eingestellt. Und sie ist vor allem extrem selten. Die Features der OM: Die erste Martin mit Halsübergang am 14. Bund, die erste Martin mit Stimmmechaniken an einer massiven Kopfplatte (anstatt einer Fensterkopfplatte), die erste Martin mit schmalerem Hals und die erste Martin mit serienmäßigem Pickguard – alles Features also, die heute Standard sind. Der Anstoß zu all diesen Features kam nicht von Martin selbst, sondern von einem Banjo-Spieler namens Perry Bechtel. Der sah das Ende der Banjo-Orchester kommen und wie viele andere Banjo-Spieler begann er auf die Gitarre umzusatteln.

Zwar hatte er bereits eine Gibson L-5 Archtop, jedoch gefiel ihm der Sound einer Flattop besser, wobei ihm jedoch die kürzeren und auch breiten 12-Fret-Hälse Probleme bereiteten. Also schrieb Bechtel einen Brief an Martin und schlug vor, eine Flattop-Gitarre zu bauen, die Banjo-Spieler wie ihm entgegenkommen würde.

Martin war klar, dass Bechtel nicht der einzige Banjo-Spieler sein würde, der nach einem neuen Gitarren-Design sucht, allerdings wollte man auch nicht das Rad komplett neu erfinden. Also versuchte man zunächst, Bechtels Wünschen mit Elementen existierender Modelle entgegenzukommen. Da die 000-28 das Modell mit der längsten bereits vorhandenen Mensur war, entschied man sich, diese als Basis für die neue Entwicklung zu verwenden. Zwar war die Mensur mit 25,4″ (645,2 mm) immer noch kürzer als bei vielen Banjos, aber wahrscheinlich scheute sich Martin, komplett neue Griffbretter herzustellen.

Den Hals etwas schmaler zu bauen, war natürlich ein leichtes Spiel, und die Entscheidung fiel auf 44,45 mm Breite am Sattel (bisher waren ca. 47,62 mm üblich), wobei der alte Saitenabstand von 65,5 mm am Steg beibehalten wurde. (Noch in den 30er-Jahren wurden die Hälse der Martin-Gitarren dann noch schmaler). Da Bechtel seine gewohnten Banjo-Stimmmechaniken an der Gitarre haben wollte, kam erstmals eine massive Kopfplatte zum Einsatz.

Der neue Hals/Korpus-Übergang war schwieriger zu lösen. Martin hatte bereits einige viersaitige Tenor-Gitarren mit 14-Fret-Hälsen gebaut, aber durch die Verwendung der gleichen Bodys wie bei 12-Fret-Modellen rückte der Steg sehr nahe an das Schallloch, was optisch den Ansprüchen nicht genügte. Also musste ein kürzerer Korpus her, und anstatt ein komplett neues Design zu zeichnen, wurden einfach die Schultern abgeflacht, um Raum für die zwei extra Bünde zu schaffen.

Ob Gitarristen 1934 dem Ende der OM nachtrauerten, ist heute unmöglich zu sagen. Aber feststeht, dass das Design gut 30 Jahre später während des Folk-Revivals von einigen Aficionados wiederentdeckt wurde.


Typische OM-Sattelbreite von 44,75 mm
Typische OM-Sattelbreite von 44,75 mm (Bild: Dieter Stork)

PRAXIS

Der Hals hat eine abgeflachte D-Form, ist mit etwas über 21 mm angenehm dick und lässt sich sehr gut greifen. Durch das breitere Griffbrett haben es Fingerpicker etwas leichter, da sie gerne Hamme-Ons und Pull-Offs spielen. Der flache 16″-Radius tut ein Übriges dazu, dass die Gitarre leicht bespielbar ist, egal ob normale Griffe oder Barré-Akkorde. Ab Werk sind beschichtete D’Addario-Saiten in der praxisgerechten Stärke .012 – .053 aufgezogen. Auch die Saitenlage ist perfekt einjustiert: Etwas höher als normal, weil Fingerpicker kräftiger in die Saiten greifen, vor allem wenn mit Fingerpicks gespielt wird. Super auch die wunderbar polierten und perfekt abgerichteten Nickelsilber-Bünde. Wie kommt’s? Der deutsche Vertrieb lässt jedes Modell von einem PLEK-System überarbeiten. Man sieht es und fühlt es.

KLINGT’S?

Jean Larrivée hat schon vor vielen Jahren das klassische, von Martin entwickelte X-Bracing nach seinen Klang-Vorstellungen modifiziert: Seine Gitarren stehen für klare Höhen, dezente, weiche Mitten und sehr volle Bässe. Das Klangbild wird noch durch die Holzauswahl bestätigt, der Mahagoni-Korpus sorgt für Wärme aber auch Fülle, die Sitka-Fichtendecke für perlige, brillante Höhen. Es ist tatsächlich eine Gitarre vor allem für Fingerpicking. Die Töne haben ein mittleres Sustain und eine gute perkussive Ansprache und vor allem eine sehr gute Balance zwischen den einzelnen Saiten, was gerade für diese Spielweise, bei der man Bässe, Melodie und oftmals noch Akkordtöne miteinander vermischt, ideal ist.

Schlichte Schallloch-Rosette und Tortoise-Schlagbrett
Schlichte Schallloch-Rosette und Tortoise-Schlagbrett (Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Die Larrivée Nashville Mahogany Series OM-02 ist eine Gitarre für „Spieler“. Sie hat alles, was man braucht, eine perfekte Abstimmung, tolle Hölzer, gute Verarbeitung. Aber sie ist immer noch erschwinglich, da unnötiger Schmuck oder Schnickschnack weggelassen wird. Und: Sie klingt!

PLUS

  • OM-Sound
  • Modell für Fingerpicker
  • breites Griffbrett
  • lange Mensur
  • PLEK-Bearbeitung
  • Verarbeitung
  • Verwendung von FSC-Hölzern
  • Bespielbarkeit
  • Intonation

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2021)

Produkt: Gitarre & Bass 3/2024
Gitarre & Bass 3/2024
IM TEST: Gibson Les Paul Modern Figured +++ Seymour Duncan Hyperswitch +++ Baboushka Guitars More Glitter, Baby +++ Fender Aerodyne Special +++ Soldano Astro-20 +++ Mooer GTRS S900 +++ Harley Benton BZ II NT Deluxe +++ Tech 21 Street Driver 48 Frank Bello Signature +++ Boss RE-202, SDE-3000EVH & DM-101

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