Geniale Klangformel: Pi x 6

Test: JHS Muffuletta

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(Bild: Dieter Stork)

JHS huldigt mit dem Muffuletta einem Meilenstein der Klanggeschichte. In der kleinen grünen Box befinden sich alle wichtigen Sounds, die der Big Muff Pi im Laufe seiner bewegten Geschichte produzieren durfte. Wer auf der Suche nach einem Original angesichts der aktuellen Preisentwicklung verzweifelt, soll mit dem Muffuletta gleich fünf Original-Sounds und einen zusätzlichen Mod-Sound zu einem fairen Kurs bekommen. Das klingt doch viel zu schön um wahr zu sein!?

Ohne die Geschichte des Big Muff Pi im Detail wiederzugeben, braucht es zum Verständnis des Muffuletta ein paar Hintergrundinfos zu dem legendären Pedal von Electro-Harmonix. 1969 brachte Mike Matthews die erste Version des Big Muff auf den Markt. Wegen der dreieckigen Anordnung der Potis wird diese Version in Insiderkreisen als Triangle Muff bezeichnet. Die zweite Version kam im Jahr 1973 in neuem Design: Die drei Potis ordneten sich in eine Reihe, und an der unteren Gehäuseecke wurde das Widderkopf-Logo von Electro-Harmonix platziert. Der Ramshead war geboren und überzeugte mit einem etwas aggressiveren Grundsound im Vergleich zum wärmer klingenden Triangle-Muff.

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Die dritte Version lieferte das bekannteste Design mit der rotschwarzen Optik und dem Pi-Symbol. Das Design des gainstarken „Red Black Model“ wird heute wieder bei den Reissues verwendet. Nach dem Konkurs von Electro-Harmonix bekam der Muff 1991 in Russland ein zweites Leben eingehaucht – zuerst unter dem Label Red Army Fuzz und kurze Zeit später wieder unter Electro-Harmonix. Auch hier wechselten sich wieder mehrere Versionen mit unterschiedlichen Designs und Sounds ab.

Beliebt und begehrt sind vor allem die bassstarke „Civil-War“-Version mit der grau-blauen Farbgebung und die etwas giftigere, militärgrüne „Green-Russian-Bubble-Font“-Version. Die letzte russische Version mit schwarzem Gehäuse klingt bereits so wie die ab 2000 produzierten Reissue-Modelle, die es bis heute zu kaufen gibt. Mehr zur Geschichte des Big Muff und Modding-Möglichkeiten gibt es ab Seite 132.

DAS VOLLE PROGRAMM!

Der Muffuletta will nun fünf der charakteristischsten Big-Muff-Sounds nachbilden. Dazu bekam er neben den klassischen Potis Volume, Sustain und Tone auch einen 6fach-Schalter spendiert, der mit einschlägigen Symbolen klarmacht, welche Version gerade dran ist. Das Kanonensymbol links deutet auf die Civil-War-Version hin. Ein Klick weiter weist der Stern auf die Green-Russian-Variante hin, von der der JHS Muffuletta auch sein militärgrünes Gehäuse herleitet.

Weiter geht es durch die Soundgeschichte mit dem Pi-Symbol für die Red-Black-Variante, das Dreieck für den Ur-Muff und den Widderkopf für den Rams-Head-Sound. Die sechste Position hebt sich JHS für den nach eigenem Gusto modifizierten Sound auf und bezeichnet die rechte Position des Schalters einfach mit JHS.

Der Rest des Pedals entspricht technisch dem bewährt guten Boutique-Standard von JHS: Neutrik-Buchsen, Alpha-Potis und 3PDT-Schalter für True Bypass. Da sich auch in der Pedal-Oberklasse mittlerweile die SMD-Technik durchgesetzt hat, sind beim Muffuletta Reparatur oder Modding-Versuche zukünftig ausgeschlossen. Auch der traditionelle Batteriebetrieb wird mittlerweile kaum noch unterstützt, und so verzichtet der Muffuletta auch auf ein Batteriefach, obwohl in dem recht hohen Aludruckgussgehäuse noch ausreichend Platz wäre. Ich denke, das ist im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit auch OK so.

(Bild: Dieter Stork)

PER KNOPFDRUCK DURCH DIE GESCHICHTE

Kommen wir zur zentralen Frage: Wie klingt das Muff-Paket? Und die Antwort ist schnell gegeben: ziemlich authentisch. Bereits der Vergleich mit meinem Reissue-Modell zeigt, dass der Grundsound eines Big Muff perfekt getroffen ist. Nun, das ist auch nicht so schwer, wie unzählige Klone und modifizierte Muffs anderer Anbieter schon bewiesen haben. Der typisch schneidende Hi-Gain-Sound an der Grenze zwischen Fuzz und Distortion ist technisch sowohl mit Transistoren als auch mit ICs gut zu imitieren.

Auch das gleichermaßen geliebt wie gehasste Tonpoti, das entweder die Höhen oder die Bässe anheben kann – aber immer auf Kosten der Mitten – ist beim Muffuletta vorhanden. Muff-Liebhaber schätzen die Wirkung dieser Tonschaltung, weil sich der Klangcharakter des Pedals damit besonders weit beeinflussen lässt. Von dunkel-muffig bis grell-schrill ist damit eine ziemlich große Bandbreite von Hi-Gain-Sounds abrufbar.

Was man natürlich von einem Big Muff nicht erwarten kann, sind authentische Overdrive-Sounds. Ein Tube Screamer steht eindeutig in einer anderen Ecke des verzerrten Klanguniversums. Aber für tragende sustainreiche Soli ist der Muff auch heute noch eine Hausnummer. Was den Muffuletta nun gegenüber der breiten Muff-Konkurrenz auszeichnet, sind die deutlich hörbaren und sehr gut getroffenen Nuancen, die mit dem Sechsfachschalter abgerufen werden.

Der Civil-War-Sound startet schon ziemlich kräftig mit vielen Mitten und einem vergleichsweise klaren Grundsound. Die bereits bassärmere und gainreichere Russian-Variante wird noch von der aggressiven Pi-Version getoppt. In der Triangle-Stellung wird der Muff-Sound wieder etwas artikulierter und bassstärker. Die Rams-Head-Version überzeugt durch den bekannten Mitten-Scoop und den dunklen Charakter.

Mir persönlich gefällt die JHS-Version am besten. Hier tönt ein kraftvoller, recht offener und mittenstarker Sound, der die m. E. geniale Civil-War-Variante in ihren Charaktereigenschaften noch übertrifft. Das dürfte wohl auch den Bassisten gut gefallen. Allein der JHS-Sound würde schon für ein positives Testfazit genügen. Im Zusammenspiel mit den fünf anderen Sounds, die alle Sinn machen und auch deutlich unterscheidbar sind, kann ich nur eine dringende Testempfehlung aussprechen.

RESÜMEE

Seit Jahren bereits überzeugt der Pedalhersteller aus Kansas-City mit eigenen Kreationen und tollen Modifikationen bewährter Klassiker. Mit dem Muffuletta hat JHS sich nun selbst übertroffen und bietet nicht nur eine hervorragend klingende Variation des legendären Big-Muff-Sounds, sondern gleich sechs davon. Nie war ein Big Muff vielseitiger!

Das Paket wird auch noch schön und kompakt verpackt und verspricht mit der Bauteile- und Verarbeitungsqualität ein langes Leben. Auch wenn der Muffuletta preislich mehr als das Dreifache gegenüber der Reissue des Originals aufruft, ist die JHS-Version für Liebhaber deftiger Fuzz/Distortion-Sounds eindeutig eine Empfehlung wert. Allein ein altes Original ist auf dem Gebrauchtmarkt bereits in ähnlichen Preisregionen angesiedelt – sofern überhaupt im Angebot – und der Muffuletta bietet gleich fünf authentische Originalsounds plus eine hervorragende Modifikation. Damit sollte es dem Muffuletta nicht allzu schwerfallen, sich auf dem Markt zu behaupten.

PLUS

● Soundqualität
● klangliche Vielseitigkeit
● klangliche Authentizität
● Bauteilequalität
● Verarbeitung

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2022)

Produkt: Gitarre & Bass 7/2023
Gitarre & Bass 7/2023
IM TEST: Magneto Guitars Eric Gales Signature RD3 +++ Lenz Hot Chili Tube-Head +++ Marshall Guv’nor, Drivemaster, Bluesbreaker, Shredmaster Reissue Pedals +++ Glockenklang Blue Bird Bass-Amp +++ Fender Gold Foil Jazz Bass +++ Walrus Audio Fundamental Reverb und Delay +++ Blackstar Debut 50R Gitarren-Combo +++ Epiphone Adam Jones Les Paul Custom Art Collection +++ Boss Waza-Air Bass Headphones

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