Runderneuerung

Test: Jäger Propeller Sweetspot Edition

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(Bild: Dieter Stork)

Vor gut vierzehn Jahren ging der Oberstdorfer Gitarrenbaumeister Florian Jäger mit dem Model Propeller an den Markt. Resultierend aus einer längeren Zusammenarbeit mit Sweetspot Guitars im oberschwäbischen Ostrach orderte Inhaber Christian Sedelmayer eine Special Edition dieses Models exklusiv für seinen Shop.

Les-Paul-Makeover-Spezialist Florian Jäger grübelte schon vor gut 15 Jahren darüber nach, wie man die zweifellos legendären Qualitäten der alten Gibson-Les-Paul-Modelle aus den Fünfzigern in die Neuzeit transferieren könnte, ohne jedoch eine exakte Replik dieser Gitarren herzustellen. Denn das wäre zu einfach und außerdem ein kaum gern gesehenes Plagiat. Gibson und Fender wehren sich seit jeher gegen die mittlerweile zahlreichen Nachahmer, die mit teils erstaunlich authentischen Kopien gutes Geld verdienen wollen.

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Daher erfand er das Les-Paul-Konzept praktisch neu, indem er zwar die typischen Zutaten wie Honduras-Mahagoni für den Korpus, ost-kanadisches Ahorn für die Decke und stets zertifizierte Rio-Palisander-Griffbretter verwendete, die Form jedoch ein wenig variierte. Eine Jäger Propeller erinnert zwar an eine typische Les Paul, ist aber größer und besitzt eine andere Decken-Geometrie. Außerdem gestaltet Jäger die Gitarre schlichter. Er verzichtet auf die markanten Trapez-Inlays im Griffbrett sowie üppig geflammte Deckenzierde, die aufgrund der schwarzen Lackierung ohnehin unsichtbar wäre.

Griffbrett aus zertifiziertem Rio-Palisander (Bild: Dieter Stork)

Einzig das Bigsby-Tremolo hat Jäger für die Propeller wiederentdeckt, obgleich viele seiner Kunden die Propeller auch mit Stop-Tailpiece ordern. Sweetspot-Guitars-Inhaber Christian Sedelmayer gehört schon seit einigen Jahren zu den regelmäßigen Auftraggebern von Florian Jäger. Für ihn hat der Oberstdorfer im Laufe der Jahre so manche Vintage Les Paul veredelt, überarbeitet, neu lackiert oder modifiziert. Die Ergebnisse fand Sedelmayer stets so überzeugend, dass er über eine Special Edition nachdachte, die er ganz exklusiv in seinem Shop anbieten wollte. Grundlage dafür sollte die Propeller werden, die mit ein paar Änderungen nach Sedelmayers Vorstellungen dafür ergänzt wurde.

(Bild: Dieter Stork)

KONSTRUKTION

Die deutlich an die Les Paul angelehnte Konstruktion weist Besonderheiten auf, die dem Betrachter eventuell auf den ersten Blick verborgen bleiben und die schließlich auch den üppigen Preis dieser Gitarre erklären.

Der Clou liegt eindeutig in der Holzauswahl, für die Jäger nicht nur ein kleines Vermögen ausgibt, sondern auch so lange mit dem Bau einer neuen Gitarre wartet, bis er die passenden Hölzer gefunden hat. Diese stammen in der Regel aus uralten Beständen, sind jahrzehntelang gelagert und getrocknet. Aber auch der Wuchs und das Gewicht müssen stimmen. Der größere Korpus der Propeller verlangt besonders leichtes Mahagoni, damit das Instrument nicht zu schwer wird. In der Regel bleibt das Gesamtgewicht einer Propeller deutlich unter vier Kilogramm. Das ist schon beachtlich.

Unter welchen klanglichen Aspekten Jäger die Hölzer auswählt, bleibt sein Geheimnis. Er verrät nur so viel, dass er aus den langjährigen Erfahrungen mit der Restaurierung historischer Les Pauls sehr viel über die typischen Eigenschaften dieser Hölzer gelernt hat. Die Hölzer werden ausschließlich von Hand oder von historisch korrekten Maschinen bearbeitet. Auch hier nähert sich Jäger den amerikanischen Vorbildern aus den Fünfzigern akribisch an. Laut seiner Erkenntnis, dass der Teufel oft im Detail stecke, bearbeitet er die Bauteile so ausnehmend exakt, dass er dabei kaum Rücksicht auf Beschleunigung oder Kosten-Nutzen-Faktoren achten kann. Von Anfang bis Ende dauert der Bau einer Propeller in allen Arbeitsschritten zwei bis drei Monate.

(Bild: Dieter Stork)

Die Deckenwölbung, die von Hand mit einem Mini-Hobel gestaltet wird und dem Instrument letztlich seine Anmut und Eleganz verleiht, der Holz-Korpusübergang, bei dem Jäger keine noch so kleine Unebenheit duldet, und schließlich die extrem aufwendige Lackaufbringung sind dabei die besonderen Schwerpunkte. Jäger verwendet ausschließlich selbst „gekochten“ Knochenleim, der vollständig in die Werkstücke einzieht und daher eine echte Holz-auf-Holz-Verbindung zulässt.

Auch für den Nitro-Lack setzt er mittlerweile auf eine eigene Formel, die nur funktioniert, wenn er diesen aus allerlei Pigmenten und bestimmten Lösungsmitteln selbst herstellt. Dieser extreme Ehrgeiz bei der Herstellung ist schließlich Jägers Markenzeichen geworden. „Heutzutage geht ein Kunde schließlich zum Gitarrenbauer, weil er ein Kunstwerk haben möchte und kein Industrieprodukt,“ erklärt der Allgäuer. „Nur so hat man noch eine Daseinsberechtigung!“

Die Sweetspot-Edition-Propeller wird nicht in tiefem Schwarz lackiert, sondern in einem Oxblood-Ton, der an Jeff Becks berühmte 50s „Blow By Blow“ Les Paul erinnert. Der Unterschied zum üblichen Schwarzton ist dabei so subtil, dass die Gitarre auch auf Fotos eigentlich immer noch schwarz erscheint. Die Farbe verleiht dem Instrument eher eine andere Tiefenwirkung als einen echten Farbunterschied.

Auch die PU-Bestückung geht auf Sedelmayers persönliche Wünsche zurück. Farblich kontrastierend werden in dieser Propeller zwei OX4-Humbucker mit jeweils zwei weißen Spulenkörpern verbaut. Das sind typische Low-Output-PAF-Adaptionen, die die akustische Offenheit der Propeller optimal auch am Amp zutage treten lassen sollen.

Verschaltet wird über vier VIP-Vintage-Potentiometer mit Vintage-Paper-in-Oil-Kondensatoren natürlich im typischen 50s-Wiring. Brücke und Tailpiece stammen von Crazyparts, wobei Jäger die Stud-Bolzen für das Tailpiece selbst beim Metallbauer herstellen lässt, weil die auf dem Markt erhältlichen Produkte einfach nicht gut genug waren.

Saubere Verarbeitung im E-Fach (Bild: Dieter Stork)

PRAXIS

Im Praxistest präsentiert sich die Sweetspot-Propeller auf Anhieb als überzeugende Vertreterin der angestrebten Gattung: klanglich wie eine alte Les Paul, aufgrund der Korpuserweiterung aber auch etwas größer im Sound. Was ist damit gemeint? Der „alte“ Sound entfaltet sich in einer ungeahnt großen Ausprägung von Klarheit und Dynamik.

So kennt man das wirklich nur von guten Vintage-Instrumenten. Saitentrennung, Sustain und Klangfarben erscheinen wie durch eine Lupe vergrößert. Insgesamt gerät so der Sound schlanker, prägnanter und knackiger als bei einer modernen Les Paul. Alles scheint durchlässig und vor allem in der Tiefe fast abgründig. Die OX4- PUs befeuern den akustischen Eindruck dieser Gitarre sogar noch, denn sie besitzen diesen extrem offenen Grundton, den man sonst nur aus den Filter’Trons einer alten Gretsch zu kennen scheint.

Man spielt automatisch andere Licks über solche Pickups. Es zieht einen eher zu offenen Akkorden, Rock’n’Roll-Powerchords oder Melodien in Pink-Floyd-Manier. Im Blues-Solo erinnert der Sound schon fast an eine alte Blackguard-Telecaster. Besonders betrifft das den Front-Pickup, der so prickelnd klar agiert, dass man glatt vergessen könnte, dass es den Bridge-Pickup überhaupt gibt.

Atemberaubend ist außerdem das Setup dieser Gitarre. Saitenlage und exakt im Radius gefeilter Sattel und Brücke erlauben eine kinderleichte Bedienung. Die Gitarre macht wirklich Spaß und erfüllt auch höchste Ansprüche für den Profi.

Der Sound ist tatsächlich so offen, dass er sich für alle mögliche Musikrichtungen einsetzen lässt. Insofern hat die Gitarre keinen auf Anhieb typischen Charakter, außer, dass sie jederzeit wie ein Piano jede Saite glockenklar in die Tonabnehmer schickt. Es fällt schwer, diese Qualitäten in Worte zu fassen, denn je länger man auf dem Instrument spielt, desto mehr verfliegt diese stets zwanghafte Vorstellung von dem Sound einer alten Les Paul. Und das ist tatsächlich der ideale Ausweg aus dem Diktat der Historie.

Jäger bedient sich zwar der typischen Tugenden solcher Instrumente, kümmert sich aber ansonsten wenig um die Begrenzung auf ein bestimmtes historisches Vorbild. Die Propeller hat daher einen ganz eigenständigen, von ihrer kunstvollen Gestaltung geprägten Sound, der Freiheiten lässt und zu neuen Ideen verführt. Und das macht sehr großen Spaß. Sie bietet klangliche Möglichkeiten, die man erst erkunden und entdecken muss.

 

RESÜMEE

Die neue Jäger Sweetspot Edition ist nicht nur eine farbliche oder elektronische Variation eines bestehenden Modells nach den Wünschen des Anbieters, sondern viel mehr eine äußerst gelungene Erweiterung einer ohnehin schon wunderbaren Konstruktion. Fast so, als hätte die Propeller in sämtlichen Zutaten eine komplette Runderneuerung erhalten. Nicht mehr und nicht weniger ist sie ein Versuch, die historischen Qualitäten alter Les Pauls zu nutzen, um diese noch um einen Schritt Kunstfertigkeit zu bereichern.

Natürlich hat Handarbeit in dieser Tiefe ihren Preis, erst recht, wenn man bedenkt, dass die Herstellung solche Meisterwerke nur noch in extrem kleinen Stückzahlen möglich ist. Denn wer weiß, wie lange man noch Hölzer und Arbeitsweise auf diesem hohen Niveau miteinander vereinen kann?

PLUS

● Klangqualität
● Design
● Verarbeitung
● Flexibilität
● Lackierung
● Setup

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2021)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Alles gut und schön,aber der Endpreis von satten 12.500.-€ wäre mir dann doch zu hoch.Sollte jeder selbst entscheiden,was eine handgefertigte Elektrische mit edlen Hölzern und bester Hardware kosten sollte.Bitte nicht falsch verstehen,tolle Gitarre,diese Propeller Jäger Gitarre,jedoch schockt mich der Preis.Ein Custom Gitarren Unikat in meisterhaft vollendeter Handarbeit,edlen Massivhölzern,top Hardware und traumhaften Klangeigenschaften gibt es bei meinem Gitarrenbauer bereits für 3.500.-€ .Auch zweifellos eine Menge Geld,das ist ganz klar.Eigentlich alles nur irdisch,alle Materialien stammen von dieser Erde,aber ein Unikat ist jede Handmade Custom Guitar ja sowieso,ob nun für 3.500,-€ oder eben für 12.500.-€.Wer soviel Geld für eine Gitarre bezahlt,hat ganz exakte Vorstellungen von seiner Custom Gitarre.Lediglich eine Sache der Finanzen.Wer hat,der hat.Ob der hohe Preis für eine Handmade Gitarre nun gerechtfertigt ist,sei mal dahingestellt.schließlich klingen seriell gebaute Gitarren auch gut,aber das Besondere zählt hier vorrangig,der Luxus,das Exklusive,und das Unikat, sind vermutlich über jede Geldsumme erhaben.Am Ende ist es auch „nur“ Holz.Aber der Klang und die Haptik entscheidet schlußendlich darüber,was gekauft wird.Gut zu wissen,daß es außergewöhnlich teure Gitarren gibt,die es allemal wert sind “ordentlich“ gespielt zu werden,und keineswegs als reines Anlage/Sammlerobjekt im heimischen Gitarrensafe verstauben,denn dies wäre dann völlig daneben!

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    1. das ist definitiv die (auf das weibliche geschlecht bezogene) Hermes Birkin Tasche als Gitarre. Diese Tasche ist vom Nutzen gleich einer Aldi-Plastiktüte, kostet jedoch 300.000 mal soviel.
      Wer das Geld hat, sich so etwas zu leisten ist in der Regel kein armer Tanzmucki, sondern Anwalt oder Arzt oder Ölscheich. Gitarrenunterricht gibts dann von Joe Bonamassa persönlich. Dekadenz des Rock n Roll.

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  2. Find ich einfach …TOLL. Eine etwas abgewandelte Kopie einer ohnehin völlig überbewerteten 6-Saitigen (und das sagt einer, der seine 59er Paula 1967 verscheuert hat um sein Weiterstudium zu finanzieren). Mein Bestand an LPs ist immer noch gross (34 beim letzten Zählen) und mich fasziniert immer wieder die tonale Vielfalt und teils völlig unterschiedliche Klangausprägung jeder Einzelnen. Darunter handgebaute von Larry Corsa und Anderen. Aber dass ich mir für den oben genannten Preis so ne “altmodische” Kopie ohne echten Fortschritt – ich brauch mir nur den immer noch unpraktischen Hals-Korpus-Übergang anzuschauen und die zu weit unten eingesetzten Bedienknöpfe – also dass ich sowas anschaffen würde …neee, Karl-Hugo, nee nee!

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  3. Hi
    Ich glaube der Preis für so ein Instrument ist gerechtfertigt.
    Nur leider gefällt mir persönlich eine Paula ,so schlicht und ohne Trapez Inlays und so nicht.

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