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Test: Höfner Verythin CT Special (HCTVTH-SP)

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(Bild: Dieter Stork)

Das vorliegende Verythin-Modell ist der Contemporary-Series entnommen. Dabei handelt es sich um ein modernisiertes Re-Design des legendären Höfner-Klassikers.

Im Beat-Boom der 60er-Jahre spielte Höfner in England eine bedeutende Rolle. Es gab kaum eine Band, in der nicht eine Höfner gespielt wurde. Amerikanische Gitarren kamen in den 50er-Jahren wegen Handelsbeschränkungen der Nachkriegszeit nicht ins Land und wenn, dann waren sie viel zu teuer für die aufstrebenden jungen Helden mit den leeren Taschen.

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Mit Aufhebung der Import-Beschränkungen 1961 änderte sich das dann zwar nach und nach, aber nicht nur blieben Strat, Tele, Les Paul & Co. geradezu unerschwinglich, längst auch hatte die deutsche Firma Höfner über ihren Vertrieb Selmer viele Electrics erfolgreich an den britischen Markt gebracht, ab 1960 auch die bei den Beat-Musikern populäre Verythin.

TRADITIONELLE FORM – MODERNE UMSETZUNG

Die aktuelle Modellvariante der Verythin aus der Contemporary Series zeigt sich immer noch im schmalen Double-Cutaway-Design bei gleichbleibender Zargentiefe von 3,2 cm am Rand, ist aber in verschiedener Hinsicht an aktuelle Ansprüche moderner Spielpraxis angepasst. So verfügt der flache Body aus laminiertem Flamed Maple über einen bestens an die Wölbungen von Decke und Boden angepassten massiven Fichtenblock im Korpusinneren zur Vermeidung von Feedback. Die Korpusränder sind wie die „Batwing“-Schalllöcher mit Cream Bindings eingefasst.

very thin: mit 3 cm Zargentiefe
immer noch die schmalste Thinline
(Bild: Dieter Stork)

Der Hals aus Ahorn ist in Höhe des 18. Bundes in den Korpus eingeleimt (Höfner Traditional Set Neck). Ihm wurde das „schnelle“ Höfner-Slendaneck-Halsprofil mitgegeben. Im Griffbrett aus Palisander finden 22 Bünde und Clay Dots zur Lagenkennung Platz. Die über eine Volute im Winkel herausgeführte Kopfplatte von klassischem Zuschnitt wurde im Vergleich zu den früheren Ausführungen etwas kleiner gestaltet und ist mit gekapselten Mechaniken ausgestattet. Die Saiten werden mit 643 mm Mensurlänge über einen Sattel aus Kunststoff zur Tune-o-matic-Bridge mit Stoptail auf der Decke geführt (moderner Standard).

Elektrik: Zwei Humbucker in Chromkappen sind mit schwarzen Rähmchen auf die Decke gesetzt. Sie werden konventionell über einen Drei-Wege-Schalter angewählt und von in Reihe gesetzten Reglern verwaltet: Zweimal Volume, einmal Tone. Die Anschlussbuchse ist in der Zarge hinten unten zu finden. Das Instrument aus chinesischer Produktion beeindruckt mit sauberer Verarbeitung, und auch die Hochglanzlackierung ist makellos. Zu haben ist die Gitarre neben Sunburst alternativ auch noch in der Farbe Red.

„Vintage Voice“-Humbucker, Potis in Reihe (Bild: Dieter Stork)

BIG TONE TWIGGY

Nach wie vor hält der Name Verythin was er verspricht. Das heute semiakustisch gefertigte Höfner-Modell ist wohl immer noch die Double-Cutaway-Thinline mit der schmalsten Zarge, was aber eine komfortable Handhabung keineswegs ausschließt. Problemlos fügt sich der Korpus an den Spieler, der Arm liegt druckfrei auf, und die rechte Hand positioniert sich perfekt etwas vor dem Steg-Pickup. Das Instrument erweist sich dank gut geschnittener Korpustaillen als bestens ausbalanciert auf dem Knie gespielt, hängt aber auch mit guter Ausrichtung am Gurt.

Auch der mit knapp 45 mm nicht zu schmal gestaltete Hals mit bestens verrundetem „Slendaneck“-Profil und löblich gut verarbeiteter Bundierung bei flach eingerichteter Saitenlage genügt aktuellen Anforderungen und die offen gestalteten Cutaways bieten im Zusammenspiel mit dem flachen Halsfuß eine optimale Freistellung des hohen Tonraums.

Fluffiges Slendaneck-Halsprofil (Bild: Dieter Stork)

Akustisch kann die Verythin CT Special dann tatsächlich ebenfalls mit schwingfreudig offenen Akkorden überzeugen. Ausgeglichen in der Stimmstaffelung und mit harmonischer Rundung kommen Mehrklänge zum Ohr. Die Transparenz ist beeindruckend, das Sustain beachtlich und auch in Sachen Ansprache und Dynamikverhalten lässt sich die Gitarre wahrlich nicht lumpen.

Was nun vermögen die hauseigenen Humbucker („Vintage Voice“) mit ihren traditionell maßvollen Widerstandswerten aus diesen achtbar guten akustischen Grundlagen elektrisch zu wandeln? Der Hals-Pickup liefert eine tendenziell recht weiche Klangauflösung mit guter stimmlicher Durchsicht. Alles da und auch harmonisch abgestimmt, nur die allerletzte Öffnung in den Höhen lässt ein wenig zu wünschen übrig. Die bleibt natürlich erwartbarerweise höherwertigeren Ausführungen vorbehalten.

Davon abgesehen lässt sich mit diesen samtigen Sounds bestens arbeiten. Bei klar eingestelltem Amp ist die Akkordarbeit in allem was seine Wurzeln in Blues bis Pop findet effektiv ins Werk zu setzen, aber auch in Rock-Gefilden sind mit schwitzenden Röhren schön dunkel knurrende Powerchords und singende Linien mit dynamischem Response auf den Anschlag leicht zu haben.

Gehen wir auf den Steg-Pickup, so engt das Klangbild wie üblich positionsbedingt ein. Es stellt sich nun kompakt, durchaus auch griffig dar, und ist frei von Härten in den Höhen. So kann man diesen leicht gedeckelten Klang ja auch nennen. Aggression ist die Sache der Verythin also nicht, aber warum auch?

Sicher könnte man sich auch bei diesem Humbucker oben herum etwas mehr Öffnung wünschen, aber für manche Spielweisen ist das ja gar nicht nötig. Beat-Appeal, wenn gewünscht, ist damit sowieso ganz leicht zu erzeugen, und im Overdrive-Kanal ist der zentrierte Druck aus der Mitte heraus fraglos wirkungsvoll. Ambitioniertes Solospiel wird damit also durchaus unterstützt und kann sich darüber hinaus auf das für Semiacoustics typische, perkussive Anschlagsverhalten und die flink abfedernde Tonentfaltung stützen.

Die zusammengeschalteten Humbucker geben leicht kehlige, um einige Frequenzen entschlackte und damit angenehm offene Sounds frei. Eine gute Option für alle Betriebsarten, hervorzuheben sind dabei vielleicht besonders leicht angezerrte Crunch-Sounds. Die Anordnung der Potis wird Spielern gefallen, die gerne und viel mit dem Volume-Regler arbeiten. Allerdings greift der vorn positionierte auf den Hals-Pickup zu, was Rockern mit Vorlieben für das Spiel über den Steg-Pickup und das Violining (Einblenden des Tons mit dem kleinen Finger) vielleicht nicht so gefallen könnte. Dem Blues-Mann wiederum wird es recht sein.

RESÜMEE

Mit der Verythin CT Special hat Höfner ein rundum gut gemachtes Modell zum kleinen Preis im Rennen. Eine historisch fundierte, aber nach modernen Maßstäben weiterentwickelte Gitarre, an der auf keinen Fall nur junge Spielerinnen und Spieler Gefallen finden können. Die komfortable Handhabung des griffig-modern gestalteten Halses mit Slendaneck-Profil, ergänzt durch das Klangpotential der stimmigen Konstruktion mit ausgeglichen tönenden „Vintage Voice“-Humbuckern finden in der eleganten Flame-Maple-Optik angemessene Ergänzung.

Die angenehm leichtgewichtige und schwingfreudige Verythin ist mit ihrer 3-cm-Zarge zwar immer noch very thin, aber vom modern angepassten Tonvolumen her schlägt sich das „dünn“ nicht im Sound nieder. Drum eignet sich dieses Modell heute auch für durchaus mehr, als nur für Beat und andere Retro-Seligkeiten. Für den verlangten Preis wird hier also durchaus viel Gitarre geboten, was diese Verythin CT Special zu einer Empfehlung macht!

PLUS

● klassisch inspiriertes Re-Design
● Schwingverhalten, Sustain
● ausgeglichene „Vintage Voice“-Humbucker
● traditionelle Sounds
● gut geschnittener Hals
● komfortable Handhabung
● saubere Verarbeitung
● Preis-Leistungs-Verhältnis

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2021)

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Wie kann man nur sowas machen?

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