Don't judge a book by it's cover

Test: Höfner HA-CS7-RLC

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(Bild: Dieter Stork)

Ja, ja, der äußere Anschein kann bisweilen ganz schön in die Irre führen. Ist das hier ein 30-Euro-Flohmarkt-Schnäppchen? Mitnichten!

Das war schon lustig: Guitar Summit 2018, ich am schönen Stand von Höfner, man will mir allerhand interessante Neuigkeiten präsentieren – und ich habe nur Augen für diese abgeranzte zerschundene Klampfe, die da auf dem Sofa lag. Hat die ein Straßenmusiker vergessen? Kann das weg, oder ist das Kunst? Es ist ganz klar Letzteres, und nicht weniger als die am besten geagete Akustik-Gitarre, die ich je gesehen habe. So viel vorweg.

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Flohmarkt Deluxe

Über die Konstruktionsmerkmale gibt es schon so einiges zu berichten – „standard“ ist an dieser Gitarre fast gar nichts. OK, die Decke ist aus massiver AA-Fichte, das ist noch vergleichsweise normal. Seiten und Boden sind aus Kern-Ahorn – schon etwas spezieller. Zur Verstärkung der Decke hat man bei Höfner eigens ein asymmetrisches Bracing entwickelt. Die Korpusteile sind mit schwarzem Binding verbunden.

(Bild: Dieter Stork)

Der Hals aus Erle mit einem Ahornstreifen wurde am 14. Bund angesetzt. 21 wunderbar polierte Bünde sind in das Griffbrett aus Mooreiche eingesetzt, Inlays gibt es keine, nur einige Dots in der Griffbrettkante geben Orientierung. Die Saiten sind hinten mit Pins im Steg aus Wenge fixiert und gehen über die kompensierte Stegeinlage 648 mm weit Richtung Knochensattel.

Das waren immer noch nicht alle verwendeten Hölzer, denn die geschlitzte Kopfplatte ist mit einer Lage Schwarzpappel belegt. Beschriftung bzw. Verzierung o. Ä.: Fehlanzeige – das Logo des Traditions-Herstellers findet sich nur einmal am unteren Ende der Decke.

Die Stimmmechaniken fügen sich gut in den Used-Look ein, bestechen aber mit großer Präzision und sahnigem Lauf. Ein großer Teil der Arbeit fiel bei dieser Höfner auf die in Handarbeit ausgeführte Oberflächenbehandlung. Mithilfe von Naturharz-Wachs, mattem Nitrolack und ganz viel Detail Verliebtheit hat man hier eine täuschend echte, nagelneue Uralt-Schrumme erschaffen – ein Spitzeninstrument im Sperrmüll-Outfit.

(Bild: Dieter Stork)

Es ist auch Elektronik an Bord, man sieht es nur nicht. Das äußerst clevere, Batterie-freie Mi-Si-System sorgt für natürliche Klänge über Anlage – und das ganz ohne Regler, Batteriefach usw. Ein Ladegerät liegt bei – es wird einfach über den Klinkeneingang verbunden. Nach gerade mal einer Minute ist der Akku geladen!

Fresh!

Der Hals dieser Höfner liegt satt in der Hand, das Griffbrett liefert mit einer Breite von 45 mm komfortable Spielbedingungen. Der Korpus in Konzertgitarrenform liegt angenehm auf dem Schoß – alles tuffig soweit. Bei den ersten gespielten Akkorden geschieht es dann zum zweiten Mal, dass die von der Optik ausgelösten Erwartungen nicht erfüllt werden und die Höfner-Steelstring einen überrascht. Wer hier mit einem schrammeligen oder matten Klangbild rechnet, wird sich gehörig wundern. Stringent, glasklar, höhenreich, blitzschnell in der Ansprache, fast schon knallig und quicklebendig – so präsentiert sich die HA-CS7. Ja klar, da redet das Ahorn ein gewichtiges Wörtchen mit.

Eine überaus positive Wirkung hat das z. B. dann, wenn man mit den Fingerkuppen zupft, und immer noch einen sehr frischen Sound erzeugen kann. Mit einem dünnen Plektrum gespielt, ist das fast schon etwas zu viel des Guten. Mit einem dicken, eher stumpfen Pick kann man ganz gut gegensteuern.

Verstärkt über Anlage kommt man zu ausgezeichneten Sounds, und kann ja über die Klangregelung die Präsenzen etwas abmildern, wenn man möchte.

Resümee

Eine tolle Erfahrung, von einer Gitarre so überrascht zu werden. Die Höfner ist zunächst mal ein Aging-Meisterwerk, das einen staunen lässt. Aber sie ist natürlich auch einfach eine sehr gute Steelstring von hoher Qualität, die dann auch noch einen erstaunlich frischen, eigenständigen Klangcharakter ihr eigen nennt. Die HA-CS7-RLC lässt einen auf jeden Fall nicht kalt – von daher kann ich ein persönliches Antesten nur allerwärmstens empfehlen. Allerwelts-Gitarren gibt es schon genug.

PLUS

  • Design, Aging!
  • heimische Hölzer, Hardware
  • Verarbeitung, Detailwidmung
  • Pickup-System mit Akku (60 sek. Ladezeit)
  • eigenständiger Klangcharakter
  • Preis/Leistung

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2019)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ich habe eine dieser wundervollen Instrumente und bin begeistert.

    Ich benötige nur neue Saiten und wüsste gerne welche Saiten bei Auslieferung Original auf der Höfner HA-CS7 Relic sind, um sie weiterhin aufzuziehen.

    Mit freundlichen Grüßen!
    Matthias Szelersky

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    1. Laut Höfner Website sind das D’Addario – EXP16 12-53 coated

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    2. Nach vielem Herumprobieren bin ich bei Thomastik AC111 gelandet, ein Traum. Ich bin auch begeistert von diesem Instrument.

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