The tube rules

Test: Harley Benton Tube 5 & Tube 15

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(Bild: Dieter Stork)

Das Eigen-Label des Musikhauses Thomann hat schon des Öfteren mit erstaunlichen Preis-Leistungs-Knüllern die Szene durchgeschüt­telt. Gelingt das auch im altehrwürdigen Genre „Röhren-Verstärker“?

Das wäre ja fast schon ein Skandal. Ein neuer Fender Tweed Champ kostet € 1200 … und dann kommt so ein Tube 5 daher, kostet ein Zehntel und will dem legendären Großvater das Wasser abgraben. Ähnliche Vergleiche ließen sich mit dem Tube 15 und seinen Vorfahren anstellen. Man darf gespannt sein.

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ALL YOU NEED IS TUBE

Nach dem, was man heutzutage „unboxing“ nennt, wird sofort die erste wichtige Frage beantwortet. Sehen die Amps gut aus? Ant­wort: Ja! Mit ihrem beige-weißen „Blond“-Tolex und den verchromten Front-Panels machen sie gleich eine gute Figur. Und sie machen keinen Hehl aus ihren wichtigsten Kern-Features: Neben dem An/Aus-Schalter ist eine stilisierte Verstärker-Röhre zu sehen in der Tube 5 bzw. Tube 15 geschrieben steht, und unten rechts auf dem Front-Grill finden wir ein Kunststoffplättchen mit der Aufschrift „Celestion Equipped“. Bäm!

Um das mal am Beispiel des Tube 15 zu verdeutlichen: Der Amp kostet € 229 und hat an Bord einen Speaker, der ein­zeln gekauft mit € 77 zu Buche schlägt, sowie 5 Röhren, für die man bei einem Austausch sicher auch mindestens € 60 hinblättern müsste. Is’n Ding, oder?

Jetzt mal zurück auf Start und den kleinen TUBE 5 unter die Lupe nehmen. Der Knirps kommt mit den Maßen 305 × 310 × 210 mm daher, weist aber alle Komponenten eines ernstzunehmenden Combo-Verstärkers auf: Das Gehäuse aus 17mm starken MDF-Plat­ten ist sauber mit grobporigem stabilem Tolex bezogen, alle acht Ecken sind mit verchromten Metall-Schonern gesichert, oben macht ein großer Kunstledergriff das Tragen des 6-Kilo-Boliden zum Kinderspiel, und der nicht abnehmbare robuste mattschwar­ze Frontgrill schützt zuverlässig die Speaker-Membrane. Stehen tut das Teil auf vier rutschfesten Gummifüßen.

(Bild: Dieter Stork)

Das chromglänzen­de Front-Panel ist schnell beschrieben. Links geht es mit dem An/Aus-Schalter los. Flippt man den nach oben auf „On“, leuchtet rechts von ihm klassisch rot die Status-LED auf. Dann kommen ganze zwei Regler im altbekannten Chicken-Head-Style – einer für Volume, einer für Tone. Dann wird es tatsächlich interessant, denn mit der nun folgenden Taste kann man die Ausgangsleistung von 5 Watt auf 1 Watt reduzieren. Des Weiteren gibt es dann hier nur noch den Klinke-Instrumenten-Input – fertig.

Röhrenbestückung und Anschlussmöglichkeiten des Tube 15 (Bild: Dieter Stork)

Das rückseitige Panel ist noch schneller abgehandelt. Es gibt einen Klinke-Input für einen externen Speaker der mit 8 oder 16 Ohm Widerstand aufwar­ten kann. Ansonsten ist hier nur noch das 1,6 Meter lange Stromka­bel – es ist fest angebracht, was ich gut finde. Ein Teil weniger, was man vergessen oder verlieren kann.

Die halb offene Amp-Rückseite gewährt uns dann auch einen Blick auf den von hier auf die Frontplatte geschraubten Celestion-Super-8-Lautsprecher. Im hängend montierten Verstärkerteil stecken sehr fest und gesichert mit Metallklammern die beiden Röhren des Tube 5. Die Endstufe wird mit einer 6V6GT befeuert, die Vorstufe mit einer einzelnen ECC83 (12AX7). Sämtliche Röhren der beiden Amps sind nicht gelabelt und somit keinem Hersteller zuzuordnen.

Beim großen Bruder, dem TUBE 15, gibt es doch einiges mehr zu vermelden. Er ist mit 427 × 435 × 235 mm deutlich größer als der Tube 5, aber für einen 1×12″-Combo immer noch sehr kompakt, und mit seinen 11,5 kg wahrhaftig kein Schwergewicht. Die Vor­derseite bietet sieben Drehregler für Gain, Volume, Tone, Bass, Middle, Treble und Reverb. Auch hier haben wir einen Power-Attenuator, der einen zwischen den vollen 15 und 1 Watt wählen lässt. Hinten bietet das Verstärkerteil ebenfalls einen Output für eine externe Box (bei beiden Modellen wird übrigens der interne Speaker nicht abgeschaltet, wenn man diesen Output nutzt).

Abweichend vom 5er haben wir hier dann auch noch einen Effekt-Loop mit Send- und Return-Buchse sowie die Anschlussmöglich­keit für einen Reverb-On/Off-Fußschalter, der aber nicht beiliegt. Fest am Gehäuseboden fixiert ist die kleine Hallspirale, zentraler Blickfang ist ansonsten der Celestion-Seventy-80-Lautsprecher im 12-Zoll-Format. Er hat einen Keramik-Magnet und steckt 80 Watt Leistung weg – sollte also ganz entspannt mit dem Input des Tube 15 klarkommen. Bei der Röhrenbestückung haben wir es mit zwei EL84-Endstufen-Tubes zu tun, in der Vorstufe arbeiten drei 12AX7.

(Bild: Dieter Stork)

SOUNDCHECK

Der Tube 5 wirft die Frage nach Band- oder Bühnentauglichkeit gar nicht erst auf. Die hat er eindeutig nicht. Aber als Übungs- und/oder Recording-Tool haben Amps dieser Leistungsklasse schon immer gute Dienste geleistet. Dann also einschalten, kurz warten, (einen Standby-Schalter gibt es nicht) und dann zunächst mit der Tele testen was geht. Cleaner Headroom ist natürlich nicht die Stärke des 5-Watters – erste Zerranteile mischen sich ab Volume-Position 4 ins Klangbild. Diese steigern sich bis zu einem maßvollen Crunch bei Vollausteuerung, und da ist dann die Lautstärke auch schon ganz ordentlich.

Kein Problem, lässt sich ja auf 1 Watt runterschrumpfen. Mit meinem Lieblings-Overdrive davor (kostet allerdings mehr als der Amp) erhalte ich einen schönen Bedroom-Rocksound. Es gibt natürlich kaum so etwas wie Bass-Fundament, und der Speaker wirkt noch etwas „stiff“, aber die Vorzüge eines Röhren-Amps sind hier deut­lich gegeben. So ein schöner rauer Crunch mit Endstufen-Sätti­gung – das ist halt der Real-Deal … wenn auch in diesem Fall in der Wohn-/Schlafzimmer/Recording-Kleinstversion.

Da ist der Tube 15 schon ein anderes Kaliber. Um es mal beim Namen zu nennen: Er ist in Sachen Leistung, Größe und Ausstat­tung für mich ein direkter Konkurrent des Fender Blues Junior. Wobei er diesem sogar zwei Dinge voraus hat: Die Reduzierungs-Option auf 1 Watt und den Tone-Regler – beides wird sich noch als äußerst nützlich erweisen. Der 15er ist in jeder Hinsicht vielseitiger und vollwertiger als der kleine Bruder und hat ganz klare Proberaum- und Club-Bühnen-Tauglichkeit. Der Sound ist einfach größer, vollmundiger, lässt sich mit Hall versüßen und bietet auch respektable Clean-Reserven. Bei voll aufgedrehtem Volume und zurückgenommenem Gain ergeben sich über die Tele ganz schön laute Country/Blues-Sounds mit toller Strahlkraft. Am anderen Ende der Skala hole ich mir mit der Paula und voll aufgedrehtem Gain einen astreinen Gary-Moore-Bluesrock-Sound – Röhre pur, kein sonstiger Effekt, geh mir weg mit digital! Meinen Lieblings-Sound fand ich in der 1-Watt-Position, Gain auf Mitte, Volume voll auf und an der Les Paul den Zerrgrad regeln. Richtig gut.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Tja, jetzt haben wir den Salat. Das sind gute Amps, und der Tube 15 hat es mir regelrecht angetan. Wo setzt man bei diesen Preisen mit Kritik an? Kaum möglich, denn die Verarbeitung ist sehr gut, die Ausstattung ebenfalls und man bekommt mehr als brauchbare Tube-Amp-Sounds. Beim Tube 5 sind die natürlich bauartbedingt limitiert, beim Tube 15 stimmt eigentlich alles. Und Letzterer hat einen enormen Nutzwert, weil er vom 1-Watt-Wohnzimmer- bis zum Club-Gig-mit-Band-Einsatz alle Aufgaben wuppen kann. Hall und tolle Eigenzerre inklusive. Wer den Hunni mehr aufbringen kann, sollte über den 15er nachdenken, wer wirklich nur zu Hause mit echter Röhre üben will, kommt auch mit dem 5er gut klar. Man sollte diese Harley Bentons nicht ignorieren und auf jeden Fall mal antesten. Tube rules.

PLUS

  • Design, Verarbeitung
  • stabile Konstruktion
  • Attenuator
  • Band-Tauglichkeit Tube 15
  • reale Clean-Crunch-Overdrive-Röhren-Sounds
  • Preis-Leistungs-Verhältnis!

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2020) 

Produkt: Gibson Guitars Special
Gibson Guitars Special
Gibson Guitars: Testberichte, Stories, Workshops im Gitarre & Bass-Special

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Die Röhren sind wohl von TAD, zumindest die erste Röhre ist sogar eine RCC83/7025WA!
    Schöner Verstärker

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  2. Das wäre ja fast schon ein Skandal. Ein neuer Fender Tweed Champ kostet € 1200″ – leider wird das vom Autor nicht wieder aufgenommen. Klar zeigt dass, wie solche Größen wie Fender einfach durch Vergangenheit und Namen in der Lage sind, Abzockerpreise zu nehmen und auch zu bekommen. Wie bei den Sportschuhe…

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    1. Hallo Carlo, schon bemerkt, wo die Amps produziert werden? – China natürlich – ! Dort sind die Lohn-, Materialkosten und Steuern etwas anders gestaltet als hier bei uns …

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      1. Marshall und Fender baut da auch. Schon bemerkt?

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  3. Ich finde den Testbericht sehr informativ, aber leider etwas zu kurz geraten. Schade, dass vom Autor nicht auf die externen Speaker-Anschlüsse näher eingegangen wird. Es wäre Interessant gewesen, wie sich die kleinen Verstärker an anderen Boxen schlagen und klingen.
    Auch ein Kommentar über den Klang des Halls sowie die Funktionalität der Effekt-Loop fehlen leider.
    Und noch ne Frage: Soll auch ein entsprechendes Topteil auf den Markt kommen?

    Auf diesen Kommentar antworten
  4. Das liest sich ja auf den ersten Blick ganz gut. Was mir Sorgen bereitet und mich von einem Kauf abhält, sind die auf die Platine aufgelöteten Röhrenfassungen. Da sind Probleme vorprogrammiert, hatte ich schon mit nem Mesa Express. Wie seht ihr das?

    Auf diesen Kommentar antworten

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