Frech und faltenfrei

Test: Harley Benton SC-Junior

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(Bild: Dieter Stork)

Das ehemalige Schülermodell Les Paul Junior will einfach nicht alt werden. Es wechselt zuweilen seine Haut und präsentiert sich dabei immer noch erstaunlich faltenfrei und frech. Seine virilen Gene haben sich längst über die Welt verbreitet und dabei nur leicht veränderte Formen angenommen, wie auch bei dieser Low-Budget-Variante zu sehen.

Die vorgelegten SC-Junior-Modelle sind wahlweise in den Farben Black oder Vintage Sunburst zu haben. Das alternative DC-Junior Model gibt es nur in TV-Yellow.

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Mahagoni macht’s

Das Pattern der Gibson Single Cutaway Les Paul Junior diente als Vorlage auch dieser Variation des immergrünen Klassikers. Der Korpus der Harley Benton SC-Junior aus Mahagoni – mittig gefügt, wie bei der Sunburst-Ausführung zu sehen ist – mutet zunächst einmal durch und durch klassisch an, auf den zweiten Blick aber erkennt man einen wesentlichen Unterschied im Zuschnitt des Hals-Korpus-Übergangs, der fließend in das pointiert gestaltete Cutaway geführt wird.

Amaranth-Griffbrett mit ordentlicher Bundierung (Bild: Dieter Stork)

Von der Rückseite aus betrachtet wird dieser Aspekt der Umgestaltung deutlicher und der ist aus spielpraktischer Hinsicht nur zu begrüßen. Ebenfalls aus Mahagoni ist auch der eingeleimte Hals von griffigem C-Profil gefertigt, welcher ein Griffbrett aus schön strukturiertem, rötlich braunem Amaranth (hartes, dichtes Tropenholz süd- und mittelamerikanischer Provenienz) mit 305 mm/12″ Griffbrettradius aufgesetzt bekam. 22 Medium Jumbo Bünde zeigen einen gemessen am Preis richtig ordentlichen Verarbeitungsstatus.

Dots markieren die Lagen. Die über eine verstärkende Volute am Halsrücken unterhalb des Sattels aus Graphit in leichtem Winkel herausgeführte Kopfplatte ist mit Vintage-Style-Mechaniken ausgestattet. Am Korpus werden die Saiten von einer Wrap-Around-Bridge mit individuell einstellbaren Saitenreitern gekontert.

Einstellbare Wrap Around Bridge (Bild: Dieter Stork)

Die überschaubare Elektrik: In klassischer Manier ist der einzelne Roswell P90D Dog Ear Singlecoil Pickup mit Alnico-5-Magnet in Stegposition platziert. Gesteuert wird er von je einem Volume- und Tone-Potentiometer, positioniert in Reihe nach traditionellem Vorbild.

Roswell P90D Dog Ear Pickup (Bild: Dieter Stork)

Auch das 3-lagige Schlagbrett (schwarz beim Sunburst-Modell; Tortoise-farben bei der Ausführung in Black) unterstützt den Vintage Look der Gitarre. Beide Instrumente sind in klaglos gutem Industriestandard verarbeitet, Kleinigkeiten zu kritisieren, wie die nicht ganz optimal verrundeten Sattelkanten, verbietet sich bei diesem Preisniveau von selbst. Extra Pluspunkt: Die Gitarren kamen spielpraktisch sauber eingestellt zum Test.

Forever young

Einfach im Zugang, funktionsstark in der Anwendung – die Konstruktion der Junior als rudimentäres Einstiegsmodell für junge Musiker ist immer noch ein grundlegender Gedanke von nicht zu unterschätzender Tragkraft. Warum sollte ein auf das Wesentliche heruntergebrochenes Design mit einfachen, aber ehrlichen Aussagen denn nicht auch Freude bereiten können? Die These erfuhr ja längst Bestätigung, aber die Ernsthaftigkeit ihrer Umsetzung verlangt doch immer wieder nach Überprüfung.

Beide Harley-Benton-SC-Junior-Modelle überzeugen zunächst einmal mit vergleichbar angenehmen Spieleigenschaften. Die Hälse verfügen über griffige C-Formen, nicht zu dick, nicht zu breit, und machen den Griffbrettzugang leicht. Die mittelstarken Bünde sind jeweils kantenrund und durchaus ordentlich verarbeitet, die Saitenlage konnte tief eingerichtet werden – schon mal gut!

Vom Klang her bekommen wir von dieser Vollmahagonikonstruktion tatsächlich ein rundes Grundtonverhalten mit achtbarem Volumen und guter Saitentrennung geboten. Akkorde zeigen demgemäß klare Gliederung und stimmige Auflösung und auch das Sustain kann sich wirklich sehen lassen.

Die elektrische Ausstattung ist bewusst schlicht gehalten, die Klangumsetzung hängt ab vom Roswell P90D Pickup in Stegposition. Der macht seine Sache aber durchaus ordentlich. Natürlich darf man von ihm nicht die Gourmet-Ebene erwarten, Höhen und allgemeine Textur erweisen sich als nicht ganz so elegant gerundet wie es bei High-End-Produkten der Fall ist, aber eingedenk der Preisklasse ist das schon mehr als erhofft. Bei klar eingestelltem Amp erscheinen Akkorde stimmlich ausgeglichen, die Bässe bleiben selbst bei hartem Anschlag durchaus stramm. Auch Linien haben Kontur und die Ansprache ist präzise.

Schauen wir dann mal, was damit im Zerrkanal geht – wir geben Gummi: also Rock-Attitüde ist schon mal kein Problem. Der Aufriss ist kraftvoll, die Artikulation leicht kehlig und knochig im Bass, vielleicht eine Prise zu grätzig in den Höhen, aber selbst das kann man gut finden. Powerchords und Riffs sind mit stolzer Kraft ausgestattet, kommen knackig und trocken. Damit lässt sich wirklich arbeiten! Auch Solospiel geht dank schneller und perkussiv pointierter Ansprache lässig von der Hand und gehaltene Noten schwingen lang und ebenmäßig aus.

Mit den Volume- und Tone-Reglern ist das in den Spitzen tendenziell etwas scharfe Klangbild dann auch noch recht effektiv abzugleichen. In Summe sind das schon bemerkenswert beeindruckende Ergebnisse für ein Instrument dieser Kategorie. So ein Singlecoil-Pickup brummt natürlich konstruktionsbedingt schnell, was vor allem im höheren Leistungsbereich durch Einstreuungen unterschiedlicher Quellen schon mal recht deutlich werden kann. Die Ausrichtung der Gitarre zum Amp spielt dann eine wichtige Rolle. Aber das war nie anders und gehört einfach zu diesem Pickup oder Instrumententyp. Was sagt der unbekannte Gitarrenphilosoph dazu? Electric noise is beautiful. Just work with it!

Abgesehen von der Farbe lassen sich im direkten Vergleich der beiden prinzipiell identisch ausgestatteten Modellversionen einige weitere kleine Unterschiede feststellen. Das Sunburst-Modell verfügt über einen geringfügig breiteren und dickeren Hals – kaum zu spüren. Die mit 3,3 kg doch deutlich leichtere schwarze Ausführung hat tatsächlich den erwartet luftigeren Ton mit etwas schnellerer Ansprache, die 3,8 kg schwere Sunburst-Variante kontert mit substanziellerer Tonsprache und auch etwas mehr Tiefe im Ton. Das ist aber nur mit gespitztem Ohr bei ständigem Wechsel wahrnehmbar. Deutlich hingegen fällt die Differenz zu einem alten Gibson-Original aus, welches dann doch viel kraftvoller und aussagekräftiger auftritt. Klar, unfair. Aber doch Gottseidank – wäre ja noch schöner! Immerhin provozierten diese kleinen Racker den Vergleich.

Resümee

Dem nicht geringen Anspruch, jungen Spielern bestens zu spielende und funktional tadellose Instrumente an die Hand zu geben, können die vorgelegten Modellvarianten der Harley Benton SC-Junior tatsächlich gerecht werden. Unser Lob gilt dabei vor allem dem griffigen Zuschnitt der Halsprofile und die rundum praxisgerechte Einstellung der handlichen Gitarren, Grundbedingungen für freudvolles Tun. Dass von dieser preisgünstigen SC-Junior dank der stimmigen Mahagonikonstruktion überraschend gesunde Sounds ins Leben gesetzt werden und diese auch noch vitale elektrische Umsetzung vom tauglichen Roswell P90 Soapbar Pickup erfahren, war nicht unbedingt zu erwarten. Das alles ist heute für nur € 199 möglich? Auch wenn ein dermaßen niedriger Preis Fragen aufwirft: Leichter war es wohl nie, an ein gut spielbares Instrument mit kaum zu schlagendem Preis/Leistungsverhältnis zu kommen.

PLUS

  • klassisches Design
  • Resonanzverhalten
  • angemessener Pickup
  • kraftvolle Sounds
  • gut geschnittener Hals
  • Preis-/Leistungsverhältnis
  • ordentliche Verarbeitung

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2019)

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
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